Wien (statistik austria) - Der Mikrozensus, Österreichs größte Haushaltsbefragung, wird 50 Jahre
alt. 1968 startete die erste "kleine Volksbefragung", wie der Mikrozensus auch genannt wurde, 1969 wurden
die ersten Jahresergebnisse veröffentlicht. Seit damals fanden rund 5 Mio. Interviews statt, um der Öffentlichkeit,
der Wissenschaft und der Politik regelmäßig aktuelle Informationen zu Gesellschaft und Arbeitsmarkt
zur Verfügung zu stellen.
Rund 5 Mio. Interviews in 50 Jahren
Im Jahr 1968 fand die erste Mikrozensusbefragung statt. Mit einer Stichprobe von rund 30.000 Haushalten im
Quartal war der Mikrozensus bereits damals die größte kontinuierliche Haushaltserhebung Österreichs
und liefert bis heute wichtige Informationen zur Bevölkerung, dem Arbeitsmarkt und Wohnen.
50 Jahre und rund fünf Mio. Interviews später hat sich viel geändert: Die Erhebungsinfrastruktur
und Methodik wurden modernisiert und auch die inhaltliche Schwerpunktsetzung hat sich verlagert. Ursprünglich
diente der Mikrozensus, die „kleine Volkszählung“, unter anderem dazu, Informationen zwischen den damals alle
zehn Jahre statt findenden Volkszählungen zu liefern. Heute ist der Mikrozensus die zentrale Quelle für
international vergleichbare Arbeitsmarktdaten
Mikrozensus damals: moderne Erhebung und hohe Qualität
Ausgestattet mit Papier und Kugelschreiber strömten im Frühjahr 1968 erstmals rund 1.000 Interviewerinnen
und Interviewer in rund 30.000 Haushalte in Österreich, um die Befragung persönlich durchzuführen.
Der Fragebogen befand sich immerhin schon auf scanfähigem Papier, was die anschließende Datenerfassung
erleichterte. Die Haushalte wurden einmal im Quartal über zwei Jahre hinweg befragt, und ihre Auskunftsbereitschaft
war insgesamt sehr hoch. Ein Interview dauerte rund eine halbe Stunde. Rund fünf der ca. 40 Fragen bezogen
sich auf die Erwerbstätigkeit bzw. auf eine allfällige Zweittätigkeit. Unter damaligen Gesichtspunkten
war der Mikrozensus eine moderne Erhebung, bei der zugleich großer Wert auf hohe Qualität gelegt wurde.
Mikrozensus heute: Das Telefonstudio und computergestützte Erhebungen
Seit 2004 findet die Befragung überwiegend über ein Telefonstudio statt, rund ein Drittel der Interviews
– im Wesentlichen alle Erstbefragungen – werden aber immer noch persönlich durchgeführt. Papier und Kugelschreiber
wichen dem Laptop, die Anzahl der befragten Haushalte wurde auf 20.000 pro Quartal reduziert, und ein Haushalt
wird auch nur noch fünfmal (statt achtmal) befragt. Zugleich wurde das Hochrechnungsverfahren verbessert.
Insgesamt sorgten diese Maßnahmen bereits für eine Entlastung der befragten Haushalte, und technische
Neuerungen, wie die zukünftige Ausfüllmöglichkeit des Mikrozensus-Fragebogens über das Smartphone,
werden weiter dazu beitragen.
Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktstatistik im Wandel der Zeit
50 Jahre Arbeitsmarktentwicklung trugen auch zur inhaltlichen Weiterentwicklung des Mikrozensus bei. Anpassungen
an einen sich wandelnden Arbeitsmarkt und internationale Harmonisierungen können allerdings zugleich die Vergleichbarkeit
von Informationen in der Zeitreihe einschränken.
Eine der weitreichendsten Neuerungen erfolgte im Zuge des EU-Beitritts 1994 für den Erwerbsstatus mit der
Umstellung vom Lebensunterhaltskonzept auf die internationale Definition gemäß International Labour
Organisation (ILO). Seither gilt jede Person als erwerbstätig, die mehr als eine Stunde bezahlter Arbeit in
der Woche geleistet hat. Zuvor galt eine Person erst ab einer wöchentlichen Arbeitszeit von 12 Stunden (bzw.
13 oder 14 Stunden, vgl. Methodenbox) als erwerbstätig.
Um den Wandel in der Arbeitswelt adäquat abbilden zu können, bedürfen auch Klassifikationen - u.a.
von Wirtschaftsbranchen und Berufen - wiederkehrender Aktualisierungen. Dementsprechend spiegeln sich in den Berufsverzeichnissen
struktureller Wandel, technischer Fortschritt und gesellschaftspolitischer Wertewandel wider. So finden sich im
Systematischen Verzeichnis der Berufe von 1961 noch Lampenwärter, Zündholzhersteller und Heurigensänger.
Die ehemals breit gefächerte Berufsgruppe der Bürstenmacher und Besenbinder wird mittlerweile als kunsthandwerklicher
Beruf geführt. Aus dem Irrenarzt wurden Psychiater und Psychiaterinnen; aus dem Schwachsinnigenlehrer Sonderschullehrerinnen
und -lehrer. Als neue Berufsgruppen tauchen in der noch heute gültigen internationalen Berufsklassifikation
(ISCO08) beispielsweise Software-, Web- und Multimediaentwicklerinnen und -entwickler auf.
Erwerbstatus 1968 und heute
Der 50-Jahres-Vergleich zwischen 1968 und 2018 zeigt für die Erwerbsbeteiligung (nach dem Lebensunterhaltskonzept):
Während bei den Männern (15 bis 64 Jahre) der Anteil der Erwerbstätigen leicht (von 82% auf 75%)
gesunken ist, stieg der Anteil an Erwerbstätigen bei den Frauen von unter 50% auf 66% deutlich an (Tabelle
1).
Bei den 20- bis 59-Jährigen wird vor allem der Rückgang der Zahl der Hausfrauen sowie die Zunahme von
Studierenden sichtbar (Tabelle 2). Vor 50 Jahren war in dieser Altersgruppe rund jede zweite Frau erwerbstätig,
rund 40% waren sogenannte "erhaltene Personen" womit im Wesentlichen Hausfrauen erfasst wurden. 2018
waren gut drei Viertel (76%) der Frauen erwerbstätig und lediglich 8% bezeichneten sich als ausschließlich
haushaltsführend. Unter den Männern dieser Altersgruppe war vor 50 Jahren die überwiegende Mehrheit
erwerbstätig (92%), lediglich 3% zählten zu den erhaltenen Personen (überwiegend Studierende). Heute
ist der Anteil erwerbstätiger Männer auf 83% gesunken. Bei Männern und Frauen ist im Zeitvergleich
der Anteil der Arbeitslosen angestiegen.
Die häufigsten Berufe 1968 und heute
Auch wenn ein direkter Vergleich nicht möglich ist, da sich die Berufsklassifikation im Laufe der letzten
50 Jahre mehrfach verändert hat, verdeutlich ein Zeitvergleich dennoch Wandel und Kontinuität in der
Berufsstruktur Österreichs. Die größte Veränderung der letzten 50 Jahre zeigt sich im Bedeutungsverlust
von landwirtschaftlichen Berufen (Tabelle 3). 1968 waren landwirtschaftliche Berufe die mit Abstand wichtigste
Berufssparte (19%). Rund jede vierte erwerbstätige Frau (25%) und rund jeder siebte Mann (15%) übte einen
landwirtschaftlichen Beruf im Ackerbau, Tierzucht oder einen Gartenberuf aus. Heute sind es 4% bei den Männern
und 2% bei den Frauen. Kontinuität besteht bei den Männern im hohen Stellenwert von technischen Berufen
und Bauberufen und bei Frauen in der hohen Dominanz von Dienstleistungsberufen insbesondere bei Bürotätigkeiten
und im Handel.
Zu den Top-10-Männerberufen zählten 1968 Schmiede, Schlosser und Werkzeugmacher (5%) sowie Holzverarbeiter
(4%) – Berufsgruppen, die 2018 kaum noch bzw. nur mit stark verändertem Berufsprofil in Erscheinung treten.
Ähnlich erging es den beiden 1968 für Frauen typischen Berufsgruppen der Bekleidungsherstellerin und
Textilverarbeiterin (6%) sowie den Haushälterinnen und Hausgehilfinnen (5%). Deutlich zugenommen hat hingegen
der Anteil an Frauen, die als Lehrkraft tätig sind (1968 rund 3%, 2018 etwa 8%). Lehrkräfte wiesen vor
50 Jahren ein annähernd ausgeglichenes Geschlechterverhältnis (Frauenanteil 57%) auf; heute ist es mit
einem Frauenanteil von 74% ein typischer Frauenberuf.
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