Internationale Tagung vernetzt AkteurInnen in Gewaltprävention und Opferschutz
Innsbruck (lk) - „Sexualisierte Gewalt ist Machtausübung und Grenzüberschreitung“, stellt Frauenlandesrätin
Gabriele Fischer klar. Diese beginnt bei alltäglichen Belästigungen wie Anstarren, Hinterher-Pfeifen,
sexistischen Witzen und Sprüchen, Homophobie, pornographischen Darstellungen, anzüglichen Bemerkungen,
unerwünschten Körperkontakt, Annäherungsversuchen, sexuell herabwürdigenden Gesten und Diskriminierung
aufgrund des Geschlechts – schwere Formen sexualisierter Gewalt sind Vergewaltigungen, sexueller Missbrauch, Frauenhandel,
Zwangsverheiratung oder Genitalverstümmelung. „Tatsache ist: Sexualisierte Gewalt basiert immer auf gesellschaftlichen
Strukturen, die Machtunterschiede zulassen. Aus diesem Grund braucht es zur Prävention von sexualisierter
Gewalt auch einen institutionellen Gewaltschutzplan.“
Für den Tiroler Gewaltschutzplan „Sozialer Nahraum“ wird derzeit die IST-Situation in Tirol hinsichtlich Gewaltprävention
und Gewaltschutz erhoben. Darauf basierend werden Handlungsempfehlungen und weitere Maßnahmen entwickelt.
„Bereits jetzt legen wir seitens des Landes einen besonderen Fokus auf Gewaltprävention – insgesamt wurden
die jährlichen Förderungen für den Budgetposten Gewaltprävention in den vergangenen zwei Jahren
um über 75.000 Euro erhöht“, berichtet LRin Fischer. Darüber hinaus werden Frauen- und Mädchenberatungsstellen
mit jährlich insgesamt über 205.000 Euro gefördert, die neben anderen Beratungsthemen wie berufliche
Neuorientierung und Existenzsicherung auch Beratung bei sexualisierter Gewalt anbieten und damit maßgeblich
zur Gewaltprävention und zum Opferschutz beitragen.
Enge Vernetzung der befassten Einrichtungen
Gemeinsam mit dem Land Tirol veranstaltet das Gewaltschutzzentrum Tirol die 23. Internationale Netzwerktagung Gewaltprävention
und Opferschutz, an der VertreterInnen aus den Ländern Deutschland, Österreich, Schweiz, Italien und
Liechtenstein teilnehmen. „Diese Tagung bietet die Möglichkeit, sich auf professioneller Ebene über rechtliche
Entwicklungen, Neuerungen und Projekte auszutauschen“, erläutert Eva Pawlata, Geschäftsführerin
des Gewaltschutzzentrums Tirol. Als Hauptthema der diesjährigen Tagung wurde die sexualisierte Gewalt in ihren
verschiedenen Formen gewählt. „Fachleute aus den unterschiedlichsten Berufsgruppen und Institutionen werden
ihren Fokus auf dieses Thema legen. Aufgrund der Aktualität wird der sexualisierten Gewalt im Netz – Hass
im Netz – besonderes Augenmerk gewidmet“, so Pawlata, die auf die enge Vernetzung der befassten Einrichtungen hinweist:
„Gewalt und Gewaltprävention betreffen Justiz, Exekutive, Opferschutzeinrichtungen, Einrichtungen der Täterarbeit
und auch die Wissenschaft gleichermaßen. Für eine effektive Gewaltpräventions- und Gewaltschutzarbeit
braucht es den Schulterschluss aller Beteiligten“.
Die gute Zusammenarbeit betont auch Chefinspektor Hans Peter Seewald, Leiter der Kriminalprävention im Landeskriminalamt
Tirol: „Die Polizei ist mit verschiedenen Erscheinungsformen sexualisierter Gewalt konfrontiert. Neben der Aufklärung
von Straftaten gehören vor allem die Prävention und der vorbeugende Schutz von Opfern zum polizeilichen
Tätigkeitsfeld. Dieser vorbeugende Schutz – welcher für die Sicherheit der Menschen unabdingbar ist –
stellt vielfach eine große Herausforderung dar und kann nur gemeinsam mit den Kooperationspartnern, wie insbesondere
auch dem Gewaltschutzzentrum, erreicht und verbessert werden“.
Alarmierende Fakten
„Sexualisierte Gewalt an Frauen und Mädchen geschieht jeden Tag und überall“, stellt Doris Stauder, Geschäftsführerin
des Vereins Frauen gegen Vergewaltigung, klar. Die Bandbreite der Übergriffe weise eine erschreckende Vielfalt
auf. Laut jüngsten repräsentativen Studien wird weltweit jede 7. Frau ab dem 16. Lebensjahr mindestens
einmal in ihrem Leben Opfer einer Vergewaltigung. Die Hälfte der betroffenen Frauen erleben diese sexualisierte
Gewalt durch ihren Partner oder Ex-Partner. Jede vierte Frau erfährt sexualisierte Gewalt in ihrer Kindheit.
Auch zunehmend mehr Frauen berichten von sexualisierten Übergriffen in Institutionen wie Schulen und Heimen,
die eigentlich für den Schutz der ihnen Anvertrauten zu sorgen haben.
Im Jahr 2018 wandten sich 1.201 von Gewalt betroffene Menschen an das Gewaltschutzzentrum Tirol , in 675 Fällen
(56 Prozent) handelte es sich um Gewalt in der Partnerschaft – dabei kommt es auch häufig zu einer Form der
sexualisierten Gewalt.
„Diese Fakten sind mehr als alarmierend. Die Gesellschaft, die durch ihr patriarchales System ein Machtgefälle
zwischen Männern und Frauen begünstigt und damit Gewalt an Frauen unterstützt, ist gefordert, professionelle
Maßnahmen zu setzen, die geeignet sind, sexualisierte Gewalt an Frauen und Mädchen zu minimieren und
den Opfern jene Unterstützung zu geben, die sie brauchen“, betont Stauder. Das Internationale Netzwerktreffen
sei daher eine wertvolle Gelegenheit, sich auf professioneller Ebene auszutauschen, voneinander zu lernen und von
Ideen und deren Umsetzung in anderen Ländern zu profitieren.
Die 23. Internationale Netzwerktagung Gewaltprävention und Opferschutz findet vom 8. – 10. Mai 2019 im Großen
Saal des Landhauses in Innsbruck statt.
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