Kommunen hängen Private bei Daseinsvorsorge ab
Wien (rk) - Wien ist Weltmeister bei Daseinsvorsorge und fährt gut damit – zu diesem Schluss kommen
die Autoren einer Studie zu „Rekommunalisierung in Europa – Fakten, Motive, Beispiele“, die vom Büro für
Daseinsvorsorge und Kommunalwirtschaft in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Gesellschaft für Politikberatung
und Politikentwicklung (ÖGPP) erstellt wurde. Während andere Städte in den 1990er Jahren kommunale
Dienstleistungen wie Gemeindewohnungen, Energieversorgung, Müllabfuhr oder Wasser privatisiert haben, hat
sich Wien aus sozialen und volkswirtschaftlichen Gründen dagegen entschieden. Dem Beispiel folgen jetzt immer
mehr europäische Kommunen und verzichten auf Privatisierungen und bringen privatisierte Dienstleistungen wieder
in Eigenregie und in besserer Qualität und günstiger als Private.
„Die Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge haben in Wien eine große Tradition. Sie sind in hohem
Ausmaß für die beste Lebensqualität und die Leistbarkeit des Lebens in unserer Stadt mitverantwortlich“,
hat Bürgermeister Michael Ludwig am 25. April bei der Präsentation der Studie betont. „Deswegen
haben wir die Privatisierungsmode nicht mitgemacht, sondern unsere Leistungen stetig verbessert und, allen voran
den gemeinnützigen Wiener Wohnbau, sogar ausgebaut.“
Kommunale Ausgaben haben positive Auswirkungen auf die lokale Wertschöpfung, rechnen die Studien-AutorInnen
vor: Die Ausgaben aller Gemeinden Österreichs für die Daseinsvorsorge erzeugen einen Gesamteffekt von
ca. 39 Mrd. Euro, jene Wiens einen Wertschöpfungseffekt von alleine 18 Mrd. Euro. Die Ausgaben der Gemeinden
führen zu einem arbeitsmarktpolitischen Gesamteffekt von 460.000 Vollzeitäquivalenten, allein Wiens Ausgaben
zu 250.000 Arbeitsplätzen.
In den letzten 20 Jahren hat sich ein deutlicher Gegentrend zum Privatisierungsboom der 1980er und 1990er Jahre
entwickelt. Seit der Jahrtausendwende folgen immer mehr europäische Gemeinden und Städte dem Vorbild
Wien und entscheiden sich gegen Privatisierungen oder re-kommunalisieren Dienstleistungen. Prominenteste Beispiele
für Städte, die Dienstleistungen wieder selbst Anbieten sind Hamburg, die mit der „Hamburg Energie“ einen
neuen öffentlichen Energieanbieter gestartet hat, Berlin und Paris, die ihre Wasserversorgung von Privaten
zurückgeholt haben sowie London, das sein U-Bahn-Netz zurück in öffentliches Eigentum geholt hat.
Europaweit zählten die Studien-AutorInnen mehr als 700 Rekommunalisierungen in 20 Ländern: 297 Rekommunalisierungen
im Energiesektor, 166 bei der Wasserversorgung und 26 bei der Abfall-Entsorgung. Gründe für die Rücknahme
von Privatisierungen sind laut Studie besonders häufig Qualitätsmängel der privaten Anbieter, steigende
Preise, schlechtere Arbeitsverhältnisse. Durch Rückabwicklungen von Privatisierungen gewinnen Kommunen
Gestaltungsmöglichkeiten bei Preisen und der Qualität der angebotenen Dienstleistungen, so die Studien-AutorInnen.
Davon profitieren nicht zuletzt die StadtbewohnerInnen.
In der EU gibt es laut Studie nach wie vor Druck auf die Gemeinden hin zu Liberalisierung und Privatisierung, der
sich in eingeschränkten finanziellen Spielräumen der Gemeinden niederschlägt. Hier will Wien auf
EU-Ebene mit der Unterstützung von BürgerInnen-Initiativen wie „Housing for all“ für den Schutz
des sozialen und öffentlichen Wohnbaus dagegenhalten.
„Die Studie bestätigt, dass Wien auf dem richtigen Weg ist und nicht zufällig Vorbild für andere
Kommunen“, sagte Bürgermeister Ludwig. „Wien wird die aktuelle europapolitische Aufmerksamkeit im Zuge der
EU-Wahlen dafür nutzen, sich noch stärker dafür einzusetzen, dass die Kommunen in Europa selbst
entscheiden können, wie und durch wen ihre Leistungen angeboten werden“, sagte Ludwig.
Wien sieht sich, gerade beim Thema öffentlicher Wohnbau, als Vorreiterin im europäischen Diskurs. Hier
nannte Ludwig die Ende 2018 stattgefundene und international beachtete Konferenz „Social Housing for All“, die
Wiens Bedeutung in Europa zeige. Ebenso das Engagement der Stadt bei Eurocities für die Ermöglichung
langfristiger, öffentlicher Investitionen trotz Maastricht-Auflagen.
In Österreich will Wien die Debatte zum Thema „Wo ist private Initiative gefordert und zu unterstützen
und welche Bereich sind für marktwirtschaftliche Konzepte nicht oder wenig geeignet“ versachlichen, so Bürgermeister
Ludwig. Auch dafür sei die Studie eine gute Basis.
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