Studie über Rahmenbedingungen der Zivilgesellschaft in Österreich konstatiert "Klimaänderung"
im politischen Diskurs
Wien (pk) – Vor fünf Jahren wurde die Studie über die Rahmenbedingungen für die Zivilgesellschaft
in Österreich "Civil Society Index – Rapid Assessment" im Parlament vorgestellt. Die Untersuchung
konzentrierte sich auf Bereiche, die als besonders relevant für das zivilgesellschaftliche Engagement erachtet
wurden. Ein Update der Studie wurde von der Interessenvertretung Gemeinnütziger Organisationen (IGO) gemeinsam
mit einem wissenschaftlichen Team unter Leitung von Universitätsprofessorin Ruth Simsa vom Institut für
Soziologie der Wirtschaftsuniversität Wien durchgeführt. Im Palais Epstein fanden am Nachmittag des 23. April
die Präsentation der Ergebnisse der empirischen Erhebung und eine Podiumsdiskussion darüber statt, wie
sich Klima und Rahmenbedingungen für zivilgesellschaftliche Organisationen in Österreich seit 2014 verändert
haben.
In Vertretung von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, der aus Termingründen an der Veranstaltung
nicht teilnehmen konnte, übernahm Parlamentsdirektor Harald Dossi die Begrüßung. Das Parlament
sei ein angemessener Ort für die Präsentation dieser Studie, da dem Dialog mit der Zivilgesellschaft
für die repräsentative Demokratie große Bedeutung zukomme, sagte der Parlamentsdirektor.
StudienautorInnen sehen deutliche Veränderungen des Diskurses über Zivilgesellschaft
Zum Hintergrund der aktuellen Erhebung erläuterte IGO-Geschäftsführer Franz Neunteufel, dass die
2014 vorgelegte Studie über die Zivilgesellschaft in Österreich über weite Strecken nach wie vor
relevant sei. Die zivilgesellschaftliche Sphäre nehme weiterhin eine wichtige Funktion zwischen den Aufgaben
des Staates und dem Markt ein und habe damit wesentlichen Anteil am Funktionieren einer liberalen Demokratie. Weltweit
sei aber seit mehr als einem Jahrzehnt festzustellen, dass dieses Demokratiemodell unter Druck gerät. Die
Studie belege, dass es in letzten fünf Jahren auch in Österreich deutliche Veränderungen des politischen
Diskurses und damit der Rahmenbedingungen für die Arbeit von Nichtregierungs- und Non-Profit-Organisationen
gegeben habe. Angesichts dieser Situation würde er sich wünschen, dass die Arbeit der Zivilgesellschaft
stärker öffentlich gewürdigt wird. Dazu könnte aus seiner Sicht beitragen, wenn die Statistik
Austria damit beauftragt würde, statistische Daten über die Leistungen des zivilgesellschaftlichen Sektors
zu erheben.
Universitätsprofessorin Ruth Simsa (Institut für Soziologie, Wirtschaftsuniversität Wien) erläuterte
das Vorgehen bei der Erstellung des Studien-Updates. So wurden etwa VertreterInnen von NGOs und NPOs über
die von ihnen wahrgenommen Rahmenbedingungen ihrer Arbeit befragt. Auch wurde die Einschätzung von BürgerInnen
erhoben. Herausgekommen sei, dass deutliche Veränderungen des politischen Klimas und eine Polarisierung des
politischen Diskurses wahrgenommen werden, sagte Simsa. Ein Anzeichen dieser "Klimaänderung" sei
es etwa, dass NGO-Aktivitäten öfter als früher verbal abgewertet würden. Neu daran sei auch,
dass sich negative Formulierungen auch in Aussagen hochrangiger PolitikerInnen finden. Die Dialogbereitschaft der
Politik sowie die Einbeziehung der Organisationen der Zivilgesellschaft in das Gesetzgebungsverfahren seien zuletzt
deutlich zurückgegangen. Die rechtliche Situation für NGOs und NPOs habe sich grundsätzlich zwar
kaum geändert und auch die finanzielle Lage der Organisationen sei im Allgemeinen stabil. Österreich
verfüge weiterhin über eine gut funktionierende Demokratie, betonte Simsa. Gleichzeitig gebe es aber
auch hierzulande populistische Versuche einer Schwächung der kritischen Zivilgesellschaft, das seien negative
Entwicklungen, die man im Auge behalten müsse. Die zivilgesellschaftlichen Organsationen hätten auch
bereits auf sie reagiert. So würden sie sich stärker vernetzen und mehr Augenmerk auf die Narrative legen,
welche in der Gesellschaft im Umlauf sind. Statt an VertreterInnen der Politik wenden sie sich nun stärker
direkt an die BürgerInnen, fasste Simsa die Ergebnisse der Studie zusammen.
Podiumsdiskussion: "Tonalität" des politischen Diskurses ist wichtig
Im Rahmen einer Podiumsdiskussion hatte das Publikum, dem zahlreiche VertreterInnen von NGOs und NPOs angehörten,
Gelegenheit, Fragen an die ExpertInnen sowie an Abgeordnete zu richten. Muna Duzdar (SPÖ) meinte, wenn es
um das politische Klima gehe, so könne man die gegenwärtige Bundesregierung nicht aus der Verantwortung
entlassen. Bei den Fristen für die Begutachtung von Gesetzen sei zuletzt eine deutliche Verschlechterung eingetreten.
Auch habe sich die "Tonalität" des politischen Diskurses eindeutig verschlechtert und gebe Anlass
zur Besorgnis. Nikolaus Scherak (NEOS) schloss sich diesem Befund an, betonte aber auch, nicht alle Entwicklungen
könnten der gegenwärtigen Bundesregierung zugeschrieben werden. Teilweise nütze diese die bestehenden
gesetzlichen Möglichkeiten einfach nur anders aus, als das frühere Regierungen getan hätten. Das
bedeute für ihn, dass der Gesetzgeber stets sehr genau darauf achten müsse, welche Auswirkungen eine
Regelung auf die Rahmenbedingungen der Arbeit der Zivilgesellschaft haben kann. Andreas Hanger (ÖVP) unterstrich,
die Arbeit der gemeinnützigen Organisationen und das freiwillige Engagement würden seiner Wahrnehmung
nach in Österreich noch immer sehr hoch geschätzt. Er trete für den Dialog ein, allerdings müsse
dabei auch legitime Kritik an Organisationen zulässig sein. Er halte eine Diskussion darüber, welche
Aufgaben der Staat, welche der Markt und welche die Zivilgesellschaft am besten erfüllen könne, für
sinnvoll. Einig zeigte Hanger sich mit Duzdar und Loacker darüber, dass für diese Auseinandersetzung
ein angemessener und respektvoller Ton erforderlich ist. Auch darüber, dass für ein gutes Gesetzgebungsverfahren
die Möglichkeit einer ausreichenden Begutachtung erforderlich ist, herrschte Konsens unter den Abgeordneten
am Podium. Die Zivilgesellschaft verfüge über Expertise, die der Gesetzgeber dringend benötige,
so der Tenor der Aussagen
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