Mehr als 9.000 Menschen gedenken der Befreiung des KZ Mauthausen
Mauthausen/Wien (mkoe) - Gemeinsam mit den Überlebenden des ehemaligen Konzentrationslagers haben am
5. Mai mehr als 9.000 Menschen trotz winterlicher Temperaturen an der internationalen Befreiungsfeier der KZ-Gedenkstätte
Mauthausen teilgenommen. Der gemeinsame Auszug aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem ehemaligen Konzentrationslager
gilt als symbolischer Akt der Solidarität und als Erinnerung an die Befreiung am 5. Mai 1945. Österreichweit
gibt es mehr als 100 Gedenkfeiern mit dem Schwerpunktthema „Niemals Nummer. Immer Mensch.“.
Anlässlich der internationalen Gedenk- und Befreiungsfeier des ehemaligen Konzentrationslagers Mauthausen
erinnerten mehr als 9.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem In- und Ausland gemeinsam mit den Überlebenden
an die Gräueltaten des NS-Terrors und gedachten zum 74. Mal der Befreiung der Häftlinge. An den Orten
ehemaliger Außenlager finden österreichweit mehr als 100 Gedenkfeiern statt. Das Gedenken in Mauthausen
ist weltweit das größte mit Kranzniederlegungen und Delegationen aus mehr als 100 Ländern, die
in ihren Landessprachen begrüßt werden. Das diesjährige Gedenken widmet sich dem Schwerpunktthema
„Niemals Nummer. Immer Mensch.“ und setzt ein Zeichen gegen die grausame Ideologie des Entzugs der Menschenwürde
und der Individualität. Zu den Gedenkfeiern lädt seit Jahrzehnten das Mauthausen Komitee Österreich
(MKÖ) in enger Zusammenarbeit mit der Österreichischen Lagergemeinschaft Mauthausen (ÖLM) und dem
Comité International de Mauthausen (CIM).
Diesjähriges Schwerpunktthema „Niemals Nummer. Immer Mensch.“
Im Zuge der namentlichen Erfassung der Häftlinge im Konzentrationslager Mauthausen wurden den Häftlingen
ihre Eigennamen geraubt. Nach einer grausamen Prozedur, begleitet von Einschüchterungen, Drohungen, Schikanen
und Stockschlägen durch SS-Angehörige und Funktionshäftlinge, waren die Häftlinge, die diese
und weitere Gewaltexzesse überlebten, nur mehr eine „Nummer“, unter der sie sich auszuweisen hatten. Das diesjährige
Schwerpunktthema „Niemals Nummer. Immer Mensch.“ erinnert daran, wie Menschen zur Zeit des Nationalsozialismus
kategorisiert und nummeriert wurden und gibt den Menschen ihre Namen zurück, indem es Einzelschicksale der
verfolgten und ermordeten Menschen in den Vordergrund stellt.
Willi Mernyi, Vorsitzender des Mauthausen Komitees Österreich, ruft angesichts der Aktualität des diesjährigen
Schwerpunktthemas zu Solidarität und Menschlichkeit auf: „Wir sehen das Wiedererstarken von Gruppierungen,
die Identität zum Thema machen, die Entindividualisierung und Entsolidarisierung vorantreiben und die die
Gesellschaft bewusst spalten wollen. Es liegt an uns, sich der Menschenverachtung entgegenzustellen und die Menschenwürde
von uns allen zu verteidigen.“
Das Mauthausen Komitee Österreich erinnert an die Opfer des NS-Terrors und deren Namen, indem die Einzelschicksale
zahlreicher Häftlinge des KZ Mauthausen und aus den Außenlagern in ganz Österreich aufgearbeitet
und über die sozialen Medien sowie auf der Website des MKÖ an deren Schicksal und vor allem an deren
Menschsein erinnert wird.
Seit 2006 widmen sich die Gedenk- und Befreiungsfeiern jedes Jahr einem speziellen Thema, das zur Geschichte des
KZ Mauthausen bzw. zur NS-Vergangenheit Österreichs in Beziehung steht. Der Gegenwartsbezug bildet bei jedem
Jahresthema einen essentiellen Bestandteil und soll vor allem für junge Menschen einen Bezug zu ihrer Erfahrungswelt
herstellen.
Delegationen aus mehr als 100 Ländern
An der Gedenk- und Befreiungsfeier nehmen jährlich zehntausende Menschen aus Europa und der ganzen Welt
teil, darunter die letzten Überlebenden des Konzentrationslagers Mauthausen und seiner Außenlager sowie
zahlreiche Jugendliche aus Österreich und der ganzen Welt. Weit über 90 Prozent der Opfer waren weder
Deutsche noch Österreicher, weshalb das Gedenken an die Opfer des Konzentrationslagers Mauthausen und seiner
Außenlager einen besonderen internationalen Stellenwert hat.
Die diesjährige Gedenkfeier in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen begann mit Gedenkfeiern bei den nationalen
Denkmälern. Am Morgen gab es auch eine Protestaktion der Präsidenten internationaler Lagerkomitees, die
auf die Sperrung der „Todesstiege“ und des Steinbruchs durch den jüngsten Umbau aufmerksam machten. Auf der
„Todesstiege“ im Steinbruch wurden tausende Häftlinge in den grausamen Tod getrieben, sie gilt international
als eine der wichtigsten Erinnerungsstätten, die durch den Umbau eine Trivialisierung erfuhr.
Unter der musikalischen Begleitung von „Musica Viva“, dem Chor der Pfarre Mauthausen, traten die Teilnehmerinnen
und Teilnehmer zum ökumenischen Wortgottesdienst unter der Leitung von Alfred Hochedlinger zusammen. Der Gottesdienst
wurde von Diözesanbischof Dr. Manfred Schauer, von Bischof Dr. Michael Bünker und von Metropolit Dr.
Arsenios Kardamakis gehalten. Auf das gemeinsame Andenken der Religionen folgte die Internationale Jugendgedenkfeier
und die geordnete Aufstellung der Jugendorganisationen sowie der großen italienischen Delegation am ehemaligen
Appellplatz.
Die gemeinsame Befreiungsfeier auf dem ehemaligen Appellplatz begann mit der Verlesung des Mauthausen Schwurs,
den die ehemaligen Häftlinge wenige Tage nach der Befreiung verfassten. Der Schwur wird traditionell in mehreren
Sprachen verlesen – ein symbolischer Akt an einem Ort, an dem Deutsch die einzig erlaubte Sprache war und die Benützung
der eigenen Sprachen verboten und verfolgt wurde.
Willi Mernyi, Vorsitzender des Mauthausen Komitees Österreich, richtete seine Begrüßungsworte an
die tausenden Teilnehmerinnen und Teilnehmer, insbesondere an die KZ-Überlebenden und an die zahlreichen anwesenden
Jugendlichen. Im Rahmen der gemeinsamen Befreiungsfeier erfolgten die Kranzniederlegungen, unter anderem durch
mehr als 100 Delegationen. Während der Kranzniederlegung sprachen Vertreterinnen und Vertreter der nationalen
Opferorganisationen der Länder Weißrussland, Luxemburg, Slowenien und Österreich in den jeweiligen
Landessprachen. Durch das Programm führten mehrsprachig die beiden Schauspielerinnen Konstanze Breitebner
und Mercedes Echerer, die musikalische Gestaltung kam vom Ensemble „Widerstand“ und der „Militärmusik OÖ“.
Den Höhepunkt der Gedenk- und Befreiungsfeier im ehemaligen KZ Mauthausen bildet der gemeinsame Auszug aller
Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Ende der Feierlichkeit. Ähnlich der ersten Befreiungsfeiern der KZ-Überlebenden
aus dem ehemaligen „Schutzhaftlager“ wird mit dem Auszug die Befreiung der KZ-Inhaftierten im Jahr 1945 symbolisiert.
Auch dieses Jahr wurde die Spitze des Auszugs aus Mauthausen von den KZ-Überlebenden, u. a. Shaul Spielmann,
Ed Mosberg, Anna Hackl, Ewgenij Hrol, György Frisch, Stanislaw Zalewski, Jan Wojciech, Lucjan Miller und Ryszard
Sempka, gemeinsam mit US-Soldaten der amerikanischen Botschaft sowie Schülerinnen und Schülern der NMS
Mauthausen gebildet.
Bei der weltweit größten Gedenk- und Befreiungsfeier in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen gedachten
tausende Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Opfer des NS-Terrors und setzten damit ein beeindruckendes Zeichen
für ein „Niemals wieder“.
Statements österreichischer Spitzenpolitiker
Bundespräsident Alexander Van der Bellen
„Anlässlich der Gedenkfeier zur Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen erinnern wir an die Schicksale
der Menschen, die dem NS-Terror zum Opfer gefallen sind. Mit Fassungslosigkeit und Trauer blicken wir auf dieses
Symbol der Menschenverachtung, Gewalt und Intoleranz und gedenken dem unfassbaren Leid der Menschen. „Niemals Nummer.
Immer Mensch.“ ist ein Aufruf an uns alle, sich für Menschenwürde, Rechtsstaatlichkeit und für eine
freie, demokratische Gesellschaft einzusetzen.“
Präsident des Nationalrates Wolfgang Sobotka
„Wir tragen die Verantwortung, dass Abgrenzung und Ausgrenzung nicht noch einmal die Oberhand in unserer Gesellschaft
gewinnen. Bildung und Erziehung haben sich als wirksames Gegenmittel zu Rassismus und Antisemitismus erwiesen.
Antisemitismus geht uns alle an.“
Bundeskanzler Sebastian Kurz
„Am 5. Mai 1945 wurde das Konzentrationslager Mauthausen befreit. Auch heute, 74 Jahre später, erinnern
wir uns an die damals verübten Verbrechen und gedenken insbesondere den rund 66.000 Jüdinnen und Juden
aus Österreich, die in der Shoah ermordet wurden. Österreich hat eine besondere historische Verantwortung,
jüdisches Leben in unserem Land aktiv zu unterstützen und gegen jede Form des Antisemitismus anzukämpfen.
Denn nur, wenn Juden uneingeschränkt in Frieden, Freiheit und Sicherheit leben können, kann aus einem
„Niemals vergessen“ ein „Nie mehr wieder“ werden.“
Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Heinz Faßmann
„Wir brauchen Zusammenhalt, Toleranz und gegenseitigen Respekt, um den gesellschaftlichen Frieden in Europa
zu wahren. Die Gedenk- und Befreiungsfeier in Mauthause erinnert uns jährlich neu an unsere Verantwortung.
Es braucht eine starke und lebendige Erinnerungskultur, um wachsam zu bleiben und um sicherzustellen, dass sich
die Schrecken des Nationalsozialismus nie wiederholen. An unseren Schulen ist eine aktive Erinnerungspolitik deshalb
integrativer Bestandteil schulischer Bildung.“
Stadtrat für Bildung und Integration Jürgen Czernohorszky
„Hinter den Millionen Ermordeten stecken Menschen, die die gleichen Hoffnungen und Wünsche wie wir hatten.
Menschen, die ihre Kinder sorglos aufwachsen, gemeinsam mit ihren Liebsten alt werden und ein friedliches Leben
führen wollten.“
SPÖ-Bundesparteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner
„Der Nationalsozialismus kam nicht über Nacht, sondern in vielen kleinen Schritten. Die Grenzen des politischen
und menschlichen Anstandes wurden jeden Tag aufs Neue überschritten, verschoben und damit täglich neu
gesetzt. An solche Grenzüberschreitungen kann und darf sich die Politik und die Gesellschaft niemals gewöhnen,
denn die größte Bedrohung ist die schrittweise Gewöhnung an solche Überschreitungen. Wenn
wir uns heute an diesem Ort zusammengefunden haben, dann ist dies nicht nur ein Zeichen unserer Ehrerbietung an
alle Opfer des Antisemitismus und des Nationalsozialismus, sondern auch ein Zeichen: Als Gesellschaft übernehmen
wir die Verantwortung dafür, dass dies nie wieder geschehen darf. Nie wieder.“
Über das Mauthausen Komitee Österreich
Die Überlebenden des KZ-Mauthausen übergaben im Jahr 2000 dem Mauthausen Komitee Österreich
offiziell ihr Vermächtnis. Dieses Vermächtnis der KZ-Überlebenden bildet die Grundlage der Aktivitäten
des MKÖ. Neben der Gedenkarbeit für die Opfer der Verbrechen des NS-Regimes, insbesondere jene, die im
KZ-Mauthausen und in den Außenlagern gefangen gehalten wurden, sind Aktivitäten gegen Rechtsextremismus
sowie die engagierte anti-faschistische und anti-rassistische Arbeit vor allem mit jungen Menschen weitere wichtige
Schwerpunkte. In den vergangenen Jahren führte das MKÖ mit mehr als 100.000 Jugendlichen Zivilcourage-Trainings,
Begleitungen durch die KZ-Gedenkstätte Mauthausen sowie an Orten ehemaliger Außenlager, die Vor- und
Nachbereitung der KZ-Gedenkstättenbesuche, Anti-Rassismus-Workshops wie den Workshop "Wir sind alle"
sowie die neuen thematischen Rundgänge "denk mal wien" sowie diverse anlass- und themenbezogene
Jugendprojekte durch.
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