Schwierige Recherche neuer chinesischer Branchen- und Verbandsstandards, aber einfachere Zulassungsverfahren
für europäische Produkte
Wien (austrian standards) - Die Neue Seidenstraße sei eine gute Initiative für ein exportorientiertes
Land wie Österreich, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz beim Forum Seidenstraße in Peking Ende April.
Der Ausbau der Handelsbeziehungen und Exporte nach China ist ohne Erarbeitung und Einhaltung nationaler und internationaler
Standards heute nicht vorstellbar. Standards definieren Produkteigenschaften, Schnittstellen zu anderen Produkten,
deren Qualität und auch, wie diese überprüft wird. China hat die Bedeutung der Entwicklung von international
anerkannten technischen Standards zum Ausbau der Handelsbeziehungen erkannt und 2018 sein Normungssystem auf neue
Beine gestellt. In der gesetzlichen Regelung zur Normungsstrategie wird als Ziel genannt, „die Qualität von
Produkten zu erhöhen und Verbesserungen in der Industrie zu beschleunigen“. Über die wirtschaftlichen
Auswirkungen des Einflusses Chinas auf die internationale Standardisierung diskutierten am 30. April bei einem
Business Breakfast 60 Gäste mit hochrangigen China-Experten. Eingeladen dazu hat Austrian Standards International
in Kooperation mit dem Österreichischen Verband für Elektrotechnik OVE und der Austrian Chinese Business
Association (ACBA).
Christian Gabriel, Leiter des Bereichs Normung im OVE: „China hat sehr lange beobachtet, wie die Standardisierung
funktioniert. Der Einfluss chinesischer Experten ist exponentiell gestiegen. Im Bereich Elektrotechnik ist China
mittlerweile weltweit führend, was die Anträge auf neue technische Standards betrifft.“ Umgekehrt ist
die Anerkennungsrate von Europäischen und Internationalen (IEC- und ISO-)Standards in China immer noch verhältnismäßig
gering. „Chinesische Branchenstandards – nicht immer öffentlich zugänglich – sind schwer zu durchforsten
und können für heimische Firmen, die nach China exportieren wollen, Hürden darstellen“, hielt Elisabeth
Stampfl-Blaha, Direktorin von Austrian Standards, fest.
Hürde Branchenstandards – doch einfachere Recherche nationaler chinesischer Standards
Betty Xu ist abgeordnete Sachverständige der Europäischen Kommission, EFTA und der Europäischen
Normungsorganisationen CEN, CENELEC und ETSI für den Bereich Standardisierung in China, kurz SESEC. Die Expertin
betonte, dass das gemeinsame Ziel der EU und China die Verstärkung der Kooperation ist. Seit 2018 erfuhr das
chinesische Normungssystem einen Ruck hin zu einer Freiwilligkeit bei der Erfüllung von Standards und weg
von gesetzlich verpflichtenden Normen. Die Folge seien einflussreiche, von chinesischen Berufs- und Branchenverbänden
festgelegte Industriestandards, ähnlich wie in den USA. „Manchmal kommt man erst im Rahmen eines Zertifizierungsverfahrens
in China darauf, welche Standards im Rahmen der außergesetzlichen Selbstverpflichtung ‚vorgeschrieben‘ sind,
z.B. im U-Bahn-Bau“, sagte Xu. Das könne bei europäischen Firmen für unangenehme Überraschungen
sorgen.
Der Vorteil im Vergleich zu früher wäre, so Xu, dass viele nur lokal gültige oder sektorielle Branchenstandards,
die nur in manchen Städten oder Provinzen gesetzlich verpflichtend waren, zu nationalen Standards, die in
ganz China gelten, zusammengefasst wurden. „Verpflichtende staatliche nationale Standards als Voraussetzung für
den Marktzugang sind nun einfacher zu finden. Und die Zulassungsverfahren sind so leichter zu bewältigen“,
erklärte Xu.
Wissensaustausch über geltende Standards als wichtige Voraussetzung für Neue Seidenstraße
Mehr als 50 Mrd. Euro hat China seit 2013 im Rahmen des Investitionsprogramms Neue Seidenstraße investiert.
Damit der Ausbau des hochrangigen Straßennetzes und der Eisenbahn vorankommt, wurden 400 chinesische Eisenbahnstandards
ins Englische übersetzt. Im Transportwesen – aber auch im Bereich künstliche Intelligenz, Automatisierung
sowie Informations- und Kommunikationstechnologie – treibt China die Harmonisierung von Standards zwischen China,
der EU und anderen Wirtschaftsräumen voran, sagte der chinesische Botschaftsrat für Wirtschaft und Handel,
Xingle Gao. Seit einem Jahr fährt die ÖBB im Güterverkehr die Schienenstrecke Chengdu – Wien und
brächte chinesische Güter 20 Tage schneller nach Europa als auf dem Seeweg. „Doch manchmal, eigentlich
oft, fährt der Zug von Wien leer zurück. Wir sollten uns Gedanken machen, wie das von österreichischen
Unternehmen genutzt werden kann“, ermutigte der Handelsdelegierte heimische Unternehmen zum Warenexport.
Georg Zanger, Präsident der Austrian Chinese Business Association (ACBA), sieht eine nachhaltige Entwicklung
der Handelsbeziehungen in jenen Bereichen, in denen Standards eine große Rolle spielen: „Es ist eine Aufbruchstimmung
da. Elektromobilität, Umweltschutz, Windenergie und Photovoltaik – hier besteht in China sehr großes
Interesse, mit österreichischen Unternehmen zusammenzuarbeiten.“
Die Seidenstraße darf keine Einbahnstraße sein, heißt es übereinstimmend. Botschaftsrat
Xingle Gao: „Wir haben wegweisende neue Technologien eingeführt. Österreich gehört im Bereich Hochtechnologie
zu den wichtigen Partnern. Wir wollen, wie Deutschland oder Österreich, zu den entwickelten Volkswirtschaften
gehören.“ Standards wären Ausdruck eines Multilateralismus, einer vielfach verknüpften Weltwirtschaft
mit geöffneten Märkten. Zu offenen Märkten bekennen sich China und die EU gleichermaßen. Dies
seien gute Voraussetzungen für die Ausweitung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit.
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