… im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus – Bundesratspräsident Appé:
Es gilt, aus der Geschichte zu lernen und die Demokratie zu verteidigen
Wien (pk) - Die Weitergabe des historischen Gedächtnisses an die junge Generation ist ein zentrales
Anliegen der jährlichen Gedenkveranstaltung gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus
des österreichischen Parlaments. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und Bundesratspräsident
Ingo Appé luden am 3. Mai dazu in den Zeremoniensaal der Hofburg.
Bundesratspräsident Ingo Appé rief in seiner Begrüßungsansprache dazu auf, aus der Geschichte
zu lernen und die Demokratie zu verteidigen. "Mit Worten werden Taten begründet und mit Worten wird zu
Gewalt angestiftet." Daher gelte es, Hass in der Gesellschaft zurückzuweisen und die Demokratie gegen
den populistischen Missbrauch von Worten zu verteidigen, sagte Appé.
Weitere Reden im Rahmen der Gedenkveranstaltung hielten Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka sowie Karoline
Edtstadler, in deren Zuständigkeitsbereich als Staatssekretärin im Innenministerium unter anderem der
Zivildienst sowie die KZ-Gedenkstätte Mauthausen fallen. Die Gedenkrede übernahm Professor Bassam Tibi.
Die musikalische Umrahmung der Gedenkstunde erfolgte durch den Akkordeonisten Nikola Djoric.
#hinschauen: Reflexionen zur KZ-Gedenkstätte Mauthausen in Fotografie und Musik
Das Programm zu der Veranstaltung wurde dramaturgisch und künstlerisch von Giuseppe Rizzo und der Gedenkstätte
Mauthausen erarbeitet. Im Mittelpunkt der Gedenkveranstaltung des Parlaments, die von der Generalsekretärin
des Nationalfonds der Republik Österreich, Hannah Lessing, moderiert wurde, stand das Projekt #hinschauen
der KZ-Gedenkstätte Mauthausen. In einem Workshop mit den Fotografen Marko Zink und Roland Pohl fertigten
die Zivildiener, die derzeit an der Gedenkstätte ihren Zivildienst leisten, Fotografien an und dokumentierten
so ihre ganz persönlichen Sichtweisen und Gedanken, die aus der Begegnung mit dem Gedenkort Mauthausen entstanden
sind. Die fotografischen Arbeiten wurden von Studierenden der Musikuniversität Wien, den Komponistinnen Isabella
Forciniti, Rojin Sharafi und Lissie Rettenwander, musikalisch interpretiert. Im Rahmen der Gedenkveranstaltung
fand die Präsentation der Fotos sowie die Aufführung der dazu geschaffenen Musikstücke statt.
Barbara Glück, Direktorin der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, stellte im Gespräch mit Hannah Lessing
das heurige Gedenkprojekt in den Rahmen der Arbeit der Gedenkstätte. Die Tätigkeit gelte nicht nur der
wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Vergangenheit. Sie stelle auch ein wichtiges Angebot der Wissensvermittlung
und der Auseinandersetzung mit politischen und gesellschaftlichen Fragen der Gegenwart dar, sagte Glück. Im
Mittelpunkt stehe dabei immer die Frage, was die Geschichte jeder und jedem Einzelnen sagt. In der Diskussion und
Reflexion mit den jungen Menschen, die die Gedenkstätte besuchen, greife man alle Themen auf, die den jungen
Menschen von heute bewegen und die sie mitbringen. In der Diskussion gehe es immer auch um ein Verständnis
von Möglichkeiten und Handlungsoptionen, sowohl damals wie heute.
Appé: Demokratie gegen Populismus und Missbrauch der Worte verteidigen
In seiner Begrüßungsansprache zum Gedenktag erinnerte Bundesratspräsident an die Geschichte des
Loibltunnels, der in der Nähe seiner Heimatgemeinde Ferlach liegt. Der Bau begann im April 1943, wobei ab
Juni 1943 rund 1.800 Häftlinge einer Außenstelle des Konzentrationslagers Mauthausen als Sklavenarbeiter
eingesetzt wurden. Am 7. Mai 1945 wurden auch am Loibl die Gefangenen befreit. Lange Zeit habe es sich um ein "vergessenes"
Konzentrationslager gehandelt, merkte Appé an. Zwar bestand auf der slowenischen Seite seit 1954 eine Gedenkstätte,
auf der österreichischen wurden jedoch erst 1995 Gedenktafeln beim Tunnelportal angebracht. Seit den 1990er-Jahren
findet alljährlich eine internationale Gedenkfeier zur Erinnerung an die Opfer statt. Am 22. Mai 2019 wird
nun auch ein Denkmal des international renommierten Künstler Seiji Kimoto am Tunnelvorplatz des Tunnelportals
Loibl Nord enthüllt, um an das Leid, das Sterben, aber auch den Widerstand der KZ-Häftlinge zu erinnern.
Zeichen gegen das Vergessen zu setzen, sei heute wichtiger denn je, da die Erinnerung an die Gräueltaten der
Nationalsozialisten zu verblassen scheint, vor allem bei der jungen Generation, sagte Appé. Mit dem Verschwinden
der letzten ZeitzeugInnen verändere sich die Erinnerungskultur. Es sei daher die Aufgabe und Verpflichtung
jedes Einzelnen, die Rolle der aussterbenden Zeitzeugen zu übernehmen und ihre Gedanken wachzuhalten.
Der Bundesratspräsident wies auf bedenkliche gesellschaftliche Entwicklungen hin, die dazu führten, dass
Empathie und Solidarität schwinden und Populisten zunehmend Gehör finden, die Menschen je nach Herkunft,
Religion oder Hautfarbe unterschiedliche Rechte zusprechen und Hass und Vertreibung anderer propagieren. Wenn in
Interviews Aussagen fallen, wonach das Recht der Politik zu folgen habe und nicht die Politik dem Recht, müsse
das zu denken geben.
Leider seien die Verbreitung von Angst und Hass in Österreich wieder salonfähig geworden, beklagte der
Bundesratspräsident. Populismus dürfe nicht verharmlost werden. Aus der Geschichte zu lernen, heißt
für Appé, die von diesen Entwicklungen ausgehende Gefahr ernst zu nehmen. Denn auch der Holocaust habe
nicht mit körperlicher Gewalt begonnen, sagte er. "Am Anfang stand das Wort - zuerst am Papier, dann
in Reden und danach wurden Worte zu Taten. Es sind vor allem Worte, die die Wegbereiter für schlimme Taten
sind."
Die Digitalisierung führe heute dazu, dass "Fake News" und "Hatespeech", im Grunde also
falsche Behauptungen, mehr oder weniger gesteuert, sich rasch weltweit ausbreiten können. "Mit Worten
werden Taten begründet und mit Worten wird zu Gewalt angestiftet." Erneut gelte es daher, den Hass in
der Gesellschaft zurückzuweisen, mahnte Appé. Die Gräueltaten der Nationalsozialisten stellen
für Appé eine ewige Warnung und Erinnerung dar, dass ständiger Einsatz für eine demokratische
Gesellschaft notwendig ist, die auf gegenseitiger Toleranz, Verständnis und Menschenrechten basiert. "Demokratie
ist mehr als ein Wahlrecht", unterstrich der Bundesratspräsident. "Demokratie braucht Menschenrechte,
Gewaltenteilung und Meinungsfreiheit. Dazu zähle ich auch kritische Medien und JournalistInnen. Demokratie
braucht Pluralismus und einen Dialog miteinander."
Demokratie sei zudem keine Selbstverständlichkeit, sondern stelle eine ständige gemeinsame Aufgabe dar.
Daher gelte es, die Demokratie zu wahren, zu stärken und zu schützen und gemeinsam für sie zu kämpfen,
damit sich die Geschichte nie mehr wiederholt, so der Appell des Bundesratspräsidenten.
Edtstadler: Fackel des "Niemals Vergessens" weitertragen
Die Notwendigkeit eines gemeinschaftlichen Ansatzes gegen jede Form von Antisemitismus, Gewalt und Rassismus in
Anbetracht der österreichischen Zeitgeschichte betonte auch Staatssekretärin Karoline Edtstadler. In
ihrem politischen Verantwortungsbereich sei es ihr erklärtes Ziel, dass jeder Schülerin und jedem Schüler
ein Besuch in Mauthausen während der Schulzeit ermöglicht wird, so Edtstadler. die von Gesprächen
von ZeitzeugInnen mit SchülerInnen im Rahmen ihres Verantwortungsbereichs im Innenministerium berichtete.
Diese hätten sie in der Ansicht bestärkt, dass es gelte, nicht bei der Betrachtung der Vergangenheit
stehen zu bleiben, sondern gemeinsam – insbesondere mit den jungen Menschen, die bald Verantwortung tragen – sensibel,
aber optimistisch die Zukunft zu gestalten.
Gerade jetzt sei es notwendig, entschieden gegen Hass und Rassismus aufzutreten, betonte Edtstadler und erinnerte
dabei an die jüngsten Anschläge, die sich gegen Gläubige –Jüdinnen und Juden, Musliminnen und
Muslime, Christinnen und Christen - während des Gebets gerichtet haben. Die Ergebnisse der kürzlich veröffentlichen
"Holocaust Knowledge and Awareness"-Studie hätten leider grobe Wissenslücken über den
Holocaust bei der österreichischen Bevölkerung dargelegt und somit "veranschaulicht, dass unsere
Arbeit noch lange nicht getan ist", sagte die Staatssektretärin. Das gemeinsame Ziel müsse lauten,
die Fackel des "Niemals Vergessens" weiterzutragen und das Gefühl der Zusammengehörigkeit zu
entfachen, um ein Ende der Gewalt, des Hasses und des Extremismus zu erreichen.
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