ForscherInnen analysierten über 6.000 Proteine in Tumorzellen von PatientInnen mit Multiplem
Myelom
Wien (universität) - Das Multiple Myelom ist eine bis dato weitgehend unheilbare Tumorerkrankung, die
sich aus einer prämalignen Vorstufe entwickelt und dessen Entstehungsmechanismen noch nicht vollständig
geklärt sind. ForscherInnen um Astrid Slany von der Fakultät für Chemie der Universität Wien
haben nun in einer groß angelegten Proteomiks-Studie Tumorzellen in verschiedenen Stadien – von der Vorstufe
MGUS bis hin zum fortgeschrittenen Multiplen Myelom – verglichen und Mechanismen identifiziert, die zur Progression
der Erkrankung führen. Ihre Studie ist aktuell im Journal "Molecular and Cellular Proteomics" erschienen.
Im Zustand MGUS (monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz) sind im Knochenmark der Betroffenen bereits einzelne
Tumorzellen ausgebildet. MGUS diagnostiziert man bisher eher zufällig. "Bei den Tumorzellen handelt sich
um entartete Plasmazellen, die im Knochenmark von Gesunden nicht vorkommen. Diese Plasmazellen produzieren nicht
funktionelle Antikörper, die sich über das Blut oder den Urin im Menschen nachweisen lassen", sagt
Astrid Slany vom Institut für Analytische Chemie.
Die Progression zum Multiplen Myelom (MM) erfolgt durch starke Vermehrung einer entarteten Plasmazelle, wobei es
zur Infiltration des Knochenmarks mit Tumorzellen kommt. Die Folgen sind u.a. eine Beeinträchtigung der normalen
Blutbildung, Immunschwäche und Knochenveränderungen bis hin zur Knochenzerstörung – alles Symptome,
die erst im Erkrankungsstadium auftauchen.
Klinische Proben analysiert
"Das Besondere am MM ist, dass es diese prämaligne Vorstufe gibt, die auch klinisch nachweisbar ist.
Man weiß allerdings noch nicht genau, welche Mechanismen zur Progression der Erkrankung führen, und
es ist nicht genau vorhersagbar, in welcher Geschwindigkeit sich MM bei der oder dem Betroffenen ausbilden wird.
Auch gibt es noch keine Möglichkeiten, wie man eine Tumorausbildung verhindern kann", sagt Astrid Slany,
die mit WissenschafterInnen aus Regensburg und von der Medizinischen Universität Wien die Studie durchführte.
Die ForscherInnen isolierten die Tumor- bzw. Plasmazellen aus Knochenmarkproben von PatientInnen in unterschiedlichen
Stadien der Erkrankung und verglichen ihre Proteome (Gesamtheit aller Proteine) mittels massenspektrometrischer
Methoden. Sie haben 6.218 Proteine identifiziert, von denen rund ein Zehntel – 658 Proteine – je nach Krankheitsstadium
unterschiedlich exprimiert waren.
Wirksame Strategien gegen Sauerstoffmangel
Beim Vergleich konnten die ForscherInnen verschiedene Mechanismen erkennen, die den Plasmazellen in frühen
Stadien der Erkrankung helfen, sich im weiteren Verlauf zu vermehren und sich an die vorherrschenden Bedingungen
im Knochenmark, darunter besonders die Hypoxie (Mangelversorgung mit Sauerstoff), gut anzupassen.
Zu den Mechanismen zählen Umstellungen bei Stoffwechselprozessen der Zellen und effiziente Strategien gegen
den Angriff des Immunsystems und gegen den programmierten Zelltod. "Die Zellen haben also ein Set an guten
Strategien, mit denen es sich im Knochenmark wirksam leben und wachsen lässt", sagt Astrid Slany.
Im Rahmen der Studie konnte die Chemikerin zudem zeigen, dass die Tumorzellen andere Zellen wie etwa Bindegewebszellen
rekrutieren und so manipulieren, dass diese ihr Wachstum und ihre Weiterentwicklung unterstützen.
Das tiefere Verständnis für die molekularen Mechanismen, die zur Progression von Multiplem Myelom führen,
könnte zur Entwicklung neuer, kurativer Behandlungsmethoden beitragen. "Ziel sollte es sein, Behandlungsansätze
zu entwickeln, die bereits im Vorstadium der Tumorerkrankung ansetzen und sowohl die Tumorzellen als auch Tumor
fördernde Zellen anvisieren", so Slany. Ein Weg könnte der Einsatz neuer zielgerichteter Antikörper
sein, um die Immunabwehr wieder zu stärken.
Publikation in Molecular and Cellular Proteomics:
Lukas Janker, Rupert L. Mayer, Andrea Bileck, Dominique Kreutz,
Johanna C. Mader, Kirsten Utpatel, Daniel Heudobler, Hermine Agis, Christopher Gerner and Astrid Slany: Metabolic,
anti-apoptotic and immune evasion strategies of primary human myeloma cells indicate adaptations to hypoxia. In:
Molecular and Cellular Proteomics, 2019.
DOI: https://doi.org/10.1074/mcp.RA119.001390
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