Welche Mythen bestehen über Europa? Lassen sich diese mit Fakten belegen? Welche Rolle
spielt Europa in der Welt und hat der alte Kontinent Zukunft?
Eisenstadt (fg) - Diese und weitere aktuelle Fragen thematisierten die Europatage – Business Forum Eisenstadt
mit hochkarätigen Gästen aus Wirtschaft, Politik und Bildung am 10. und 11. Mai an der FH Burgenland.
Über Mythen, Fakten und die Zukunft der Europäischen Union sprach im Vorfeld der Veranstaltung und im
Schatten der nahenden Europawahl auch Landeshauptmann Hans Peter Doskozil am Campus Eisenstadt. Er betonte vor
allem die Bedeutung der EU für die Region. Fakt sei, dass über 150.000 Projekte seit dem EU Beitritt
bis Ende 2017 im Burgenland umgesetzt wurden und bis 2020 insgesamt rund 5,8 Mrd. Euro – davon fast 1,5 Mrd. Euro
aus EU-Töpfen - investiert werden. Fakt sei auch, dass sich das Wohlstandsniveau von 70 % des EU-Durchschnitts
im Jahr 1995 auf 90 % des EU-Durchschnitts gesteigert hat. „Die EU als ein Zentralismusprojekt darzustellen ist
also schlicht ein Mythos“, so der Landeshauptmann. „Ein Mythos ist es auch, dass nur wir Burgenländerinnen
und Burgenländer EU-freundlich sind.“ Ein Großteil der Österreicherinnen und Österreicher
befürworten ein gemeinsames Europa. Umso mehr seien bei den bevorstehenden Europawahlen die Kandidatinnen
und Kandidaten aus den Regionen wichtig.
Mythos über Europa herausfordern
Mythen sind Geschichten. Sie erheben einen Anspruch auf Geltung für die von ihnen behauptete Wahrheit.
„Sie sind immer stärker als Fakten, weil unser Gehirn Geschichten mehr liebt als Fakten. Es kann einzelne
Fakten kaum speichern und braucht die Geschichte, den Mythos, um etwas in Erinnerung zu behalten“, erklärt
Silvia Ettl-Huber. Sie ist als Departmentleiterin Wirtschaft der FH Burgenland Veranstalterin der Europatage –
Business Forum Eisenstadt. Als Expertin für Kommunikation und Storytelling bringt sie die nötige Kompetenz
und Distanz mit, um den Mythos Europa herauszufordern und im Rahmen der zweitägigen Fachveranstaltung gemeinsam
mit ihren Gästen am Podium in Frage zu stellen.
Europa steckt in der DNA der FH Burgenland
30 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs steht Europa durch Entwicklungen wie den Brexit erneut vor einem
Wendepunkt. „Die FH Burgenland ist ein Kind der damaligen neuen Ordnung in Europa, sie ist mit der europäischen
Integration großgeworden und heute eine europäische Hochschule durch und durch,“ sagt FH Burgenland
Geschäftsführer Georg Pehm. Die Internationalität der Hochschule zeige sich vor allem im Schwerpunkt
Zentral und Osteuropa in den Wirtschaftsstudiengängen, einem englischsprachigen Masterprogramm zu European
Studies, Studierenden aus 47 verschiedenen Staaten, über 80 Hochschulpartner auf vier verschiedenen Kontinenten
und einem weitgeknüpften internationalen Netzwerk, insbesondere in Sachen Forschung.
Europa unterm Mikroskop
Die zweitägige Veranstaltung Europatage – Business Forum Eisenstadt eröffnete vor allem auch Studierenden
die Möglichkeit, ihren Horizont zu erweitern und sich dem Mythos Europa unter verschiedensten Gesichtspunkten
zu nähern.
Michael Löwy, Bereichsleiter Internationale Beziehungen in der Industriellenvereinigung Österreich, referierte
über „Die wirtschaftspolitische Rolle Europas in der neuen Welt“: „Faire Rahmenbedingungen sind Voraussetzung,
damit heimische Unternehmen sowie ihre Beschäftigten erfolgreich arbeiten können. Die Finanzierung des
Sozial- und Bildungssystems ist untrennbar mit unserem Erfolg auf den Weltmärkten verbunden. Vor diesem Hintergrund
muss es Ziel der österreichischen und europäischen Agenda sein, durch eine aktive Handelspolitik faire
Wettbewerbsbedingungen für heimische sowie europäische Unternehmen sicherzustellen und die globale Handelsarchitektur
mitzugestalten.“
Diplomat und Buchautor Wolfang Petritsch, Botschafter a.D. und Präsident der Austria Marshallplan Foundation,
sprach über das Spannungsfeld zwischen USA und China: „Europa ist gefordert, sich in einer geopolitisch komplexen
Weltordnung zu positionieren, um als Partner für kooperative Lösungen globaler Herausforderungen [wahrgenommen
zu werden], die mit den Begriffen Klimawandel, Migration, Ressourcenverbrauch oder imperiale Lebensweise nur unzureichend
umschrieben werden können. Auf dem Spiel steht nicht nur der Fortbestand der Europäischen Union, die
dem Kontinent die längste Friedens- und Wohlstandsperiode gebracht hat. Zur Disposition stehen die liberal-demokratischen
Grundwerte selbst.“
Growing United: Upgrading Europe‘s Convergence Machine war Titel der Keynote von Harald Jedlicka von der Weltbank:
“Since its foundation more than 60 years ago, the European Union (EU) has become the modern world’s greatest “convergence
machine,” propelling poorer, and newer, member states to become high-income economies, and delivering to its citizens
some of the highest living standards and lowest levels of income inequality in the world. Today, however, Europeans
are increasingly recognizing that convergence is not automatic. The EU is growing, but Europeans are not “growing
united.”
Die internationalen Gäste aus Finnland, Seppo Suominen, und Russland, Vasily Ustinov, gaben Einblick in russische
Perspektiven auf Europa.
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