Sibiu/Brüssel (ec) - Kurz vor den Europawahlen am 26. Mai haben die EU-Staats- und Regierungschefs am 9.
Mai im rumänischen Sibiu die gemeinsame Zukunft der Europäischen Union debattiert. Sie verabschiedeten
die Erklärung von Sibiu, in der sie sich dazu bekannten, stets zusammenzuhalten und „vereint durch dick und
dünn“ zu gehen.
In der Erklärung von Sibiu heißt es im Wortlaut: „Wir, die Führungsspitzen der Europäischen
Union, sind in Sibiu zusammengekommen, um unsere gemeinsame Zukunft zu erörtern und zu planen.
In einigen Wochen werden die europäischen Bürgerinnen und Bürger ihre Abgeordneten für das
Europäische Parlament wählen – vierzig Jahre, nachdem sie erstmals von diesem grundlegenden Recht Gebrauch
gemacht haben. Ein in Frieden und Demokratie wiedervereinigtes Europa ist nur eine von vielen Errungenschaften.
Seit ihrer Gründung hat die Europäische Union – mit ihren Werten und Freiheiten als Triebkraft – innerhalb
ihrer Grenzen und darüber hinaus europaweit für Stabilität und Wohlstand gesorgt. Im Laufe der Jahre
ist sie zu einem Hauptakteur auf dem internationalen Parkett geworden. Mit rund einer halben Milliarde Bürgerinnen
und Bürgern und mit einem wettbewerbsfähigen Binnenmarkt ist sie im weltweiten Handel führend und
gestaltet sie globale Politik.
Wir bekräftigen unsere Auffassung, dass wir in dieser immer unbeständigeren und schwierigeren Welt geeint
stärker sind. Wir sind uns bewusst, dass wir als Führungsspitzen dafür verantwortlich sind, unsere
Union zu stärken und unsere Zukunft strahlender zu gestalten, wobei wir die europäische Perspektive anderer
europäischer Staaten anerkennen. Daher einigen wir uns heute einstimmig auf zehn Verpflichtungen, die uns
dabei helfen werden, dieser Verantwortung gerecht zu werden:
- Wir werden für ein Europa – von Ost nach West und von
Nord nach Süd – einstehen. Vor dreißig Jahren haben Millionen Menschen für ihre Freiheit und für
die Einheit gekämpft und den Eisernen Vorhang, der Europa für Jahrzehnte geteilt hatte, niedergerissen.
Es gibt keinen Platz für Spaltungen, die gegen unser kollektives Interesse wirken.
- Wir werden vereint durch dick und dünn gehen. Wir werden
uns in Notzeiten untereinander solidarisch zeigen und wir werden stets zusammenhalten. Wir können und wir
werden mit einer Stimme sprechen.
- Wir werden immer nach gemeinsamen Lösungen suchen und
dabei einander im Geiste von Verständnis und Respekt zuhören.
- Wir werden unseren Lebensstil, die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit
weiterhin schützen. Die unveräußerlichen Rechte und die Grundfreiheiten aller Europäerinnen
und Europäer sind mühsam erkämpft worden und werden niemals als selbstverständlich gelten.
Wir werden unsere in den Verträgen verankerten gemeinsamen Werte und Grundsätze wahren.
- Wir werden dort für Ergebnisse sorgen, wo es am wichtigsten
ist. Europa wird weiterhin in wichtigen Dingen sein Gewicht einbringen. Wir werden auch weiterhin die Sorgen und
Hoffnungen aller Europäerinnen und Europäer anhören, die Union ihren Bürgerinnen und Bürgern
näher bringen und wir werden dementsprechend ehrgeizig und entschlossen handeln.
- Wir werden dem Grundsatz der Gerechtigkeit stets Geltung
verschaffen, sei es auf dem Arbeitsmarkt, bei der Wohlfahrt, in der Wirtschaft oder beim digitalen Wandel. Wir
werden Ungleichheiten zwischen uns weiter abbauen und wir werden immer den Schwächsten in Europa helfen, wobei
wir die Menschen über die Politik stellen.
- Wir werden uns die Mittel an die Hand geben, mit denen wir
unsere ehrgeizigen Ziele verwirklichen können. Wir werden die Union mit den erforderlichen Mitteln ausstatten,
damit sie ihre Ziele erreichen und ihre Politik durchführen kann.
- Wir werden den nächsten Generationen von Europäerinnen
und Europäern die Zukunft sichern. Wir werden in junge Menschen investieren und eine zukunftsfeste Union aufbauen,
die die drängendsten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bewältigen kann.
- Wir werden unsere Bürgerinnen und Bürger schützen
und ihre Sicherheit wahren, indem wir in unsere Soft Power und Hard Power investieren und mit unseren internationalen
Partnern zusammenarbeiten.
- Europa wird seine globale Führungsrolle verantwortungsbewusst
wahrnehmen. Die Herausforderungen, mit denen wir heute konfrontiert sind, betreffen uns alle. Wir werden auch künftig
mit unseren Partnern in der Welt zusammenarbeiten, um die regelbasierte internationale Ordnung aufrechtzuerhalten
und weiterzuentwickeln, um neue Handelsmöglichkeiten optimal auszuschöpfen und globale Fragen wie die
Bewahrung unserer Umwelt und die Bewältigung des Klimawandels gemeinsam anzugehen.
Die Entscheidungen, die wir treffen, werden sich von Geist und Buchstaben dieser zehn Verpflichtungen leiten
lassen. Die Union von heute ist stärker als die Union von gestern, und wir möchten sie für morgen
noch stärker machen. Dies ist unsere Verpflichtung gegenüber den künftigen Generationen. Dies ist
der Geist von Sibiu und einer neuen Union der 27, die bereit ist, sich geeint der Zukunft zu stellen.“
Der Weg nach Sibiu
Ihren Beitrag zum Gipfel von Sibiu hatte die Europäische Kommission in der vergangenen Woche präsentiert
und eine Reihe politischer Empfehlungen vorgelegt, wie Europa seine Zukunft in einer zunehmend polarisierten und
unsicheren Welt gestalten kann. Die strategische Agenda der EU sollte sich auf fünf Schlüsselaspekte
konzentrieren:
- ein Europa, das schützt, weil Frieden in der heutigen
Welt Macht bedeutet;
- ein wettbewerbsfähiges Europa, das in die Technologien
von morgen investiert und unsere größten Stärken untermauert: den Binnenmarkt, unsere Industrie
und unsere gemeinsame Währung;
- ein faires Europe, das unsere grundlegenden Werte von Gleichheit,
Rechtsstaatlichkeit und sozialer Gerechtigkeit in der modernen Welt aufrecht erhält;
- ein nachhaltiges Europa, das bei nachhaltiger Entwicklung
und Klimaschutz vorangeht;
- ein einflussreiches Europa, das sich um den Erhalt und die
Modernisierung des regelbasierten Systems bemüht, das uns so lange Zeit so gute Dienste geleistet hat.
Im März 2017, im Vorfeld des 60. Jahrestages der Römischen Verträge, hatte die Kommission ihr
Weißbuch zur Zukunft Europas veröffentlicht. Dieses Reflexionspapier enthält fünf mögliche
Szenarien für die Zukunft der EU mit 27 Mitgliedstaaten. Es war der Ausgangspunkt für eine breit angelegte
Debatte über die Zukunft Europas. In fast 1600 Bürgerdialogen und Bürgerkonsultationen hat sich
die Kommission mit den Bürgerinnen und Bürgern ausgetauscht.
2017 legte Präsident Juncker in seiner Rede zur Lage der Union einen Fahrplan vor, in dem die wichtigsten
Schritte für eine enger vereinte, stärkere und demokratischere Union dargelegt sind.
Am 10. Mai kamen die Staats- und Regierungschefs der EU im rumänischen Sibiu zusammen. Sie erneuerten ihr
Bekenntnis zur EU und wollten den Gipfel nutzen, um über die politischen Ziele der Union zu beraten und die
strategische Agenda für die nächsten fünf Jahre auszuarbeiten.
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