BR-Präsident Appé will To-do-Liste als Basis für weitere Schritte von Bund
und Ländern zur Versorgungs- und Qualitätssicherung erstellen
Wien (pk) - Der letzte Teil der Parlamentarischen Enquete des Bundesrats zum Schutz des Trinkwassers am
8. Mai war dem Thema "Europäische Wasserpolitik" gewidmet. Daraus ging hervor, dass die Situation
der Gewässer insgesamt in den EU-Ländern keineswegs gut ist. Alle waren sich aber in ihrer Ablehnung
der Privatisierung der Wasserversorgung einig. Wasser sei ein Menschenrecht und keine Handelsware, war ebenfalls
mehrmals zu hören. Gefordert wurde vor allem auch, gerade in diesem Bereich, seitens der EU das Subsidiaritätsprinzip
zu wahren und keine diesbezüglichen Kompetenzen an Brüssel abzugeben.
Europäischen Gewässer nach wie vor belastet
Johannes Grath aus der Abteilung Grundwasser vom Umweltbundesamt wies in seinem Statement darauf hin, dass die
Europäische Umweltagentur im Jahr 2018 eine EU-weite Analyse über den Zustand der Gewässer veröffentlich
hat. Darin zeige sich, dass der Grundwasserkörper der EU zu 74% einen guten chemischen Zustand und zu 89%
einen guten mengenmäßigen Zustand erreiche. Bei den Oberflächengewässern seien die Zahlen
weniger ermutigend: Sie weisen nur zu 38% einen guten chemischen Zustand und zu 40% einen guten ökologischen
Zustand auf. In ihrem Bericht komme die Europäische Umweltagentur zu dem Schluss, dass die europäischen
Gewässer nach wie vor in erheblichem Maße durch Schadstoffemissionen sowohl aus diffusen Quellen wie
der Landwirtschaft oder Verkehrsinfrastruktur sowie von Punktquellen wie z.B. der Industrie belastet seien.
Ferner merkte Grath an, dass die EU-Kommission seit einiger Zeit dabei sei, den Rechtsbestand des Wasserbereiches
auf europäischer Ebene einem Fitness-Check zu unterwerfen. In einer öffentliche Konsultation wurden Fragen
unter anderem zur Wasserrahmenrichtlinie und Grundwasserrichtlinie gestellt. Die Beteiligung lief bis März
2019 und deren Ergebnisse würden in den weiteren Prozess einfließen.
Der Experte umriss in seinem Überblick auch die rechtlichen Rahmenbedingungen der europäischen Wasserpolitik.
So seien die EU-Mitgliedstaaten für Konkretisierungen im Bereich des Wasserrechts auf nationaler Ebene sowie
für dessen Umsetzung zuständig. Ergänzung erfahren sie durch die EU-Grundwasserrichtlinie und Richtlinie
über Umweltqualitätsnormen für prioritäre Substanzen in Oberflächengewässern. In
der Wasserrahmenrichtlinie wurde das Ziel definiert, dass alle Gewässer bis 2015 bzw. in Ausnahmefällen
bis 2021 bzw. 2017 stufenweise einen guten Zustand erreichen müssen.
Wasser ist ein Menschenrecht und keine Handelsware
Wie Bundesratspräsident Ingo Appé hält Jan Willem Goudriaan, Vizepräsident von Right2Water,
den Zugang zu Wasser für ein Menschenrecht. Es sei öffentliches Gut und keine Handelsware, stellte er
fest. Seine Bürgerinitiative hat europaweit insgesamt 1,9 Millionen Unterschriften gesammelt. Besonders die
öffentliche Diskussion um Handelsverträge mit Kanada und den USA in den Jahren 2012/13 hätten laut
Goudriaan gezeigt, dass die BürgerInnen Sorge vor einer Privatisierung der Wasserversorgung haben und einen
freien Zugang zu Trinkwasser wünschen.
Er forderte die EU-Kommission auf, das Menschenrecht auf Wasser und sanitäre Grundversorgung entsprechend
der Resolution der Vereinten Nationen anzuerkennen.
Seine Bürgerinitiative stellt drei Forderungen: einerseits hätten die EU-Institutionen und Mitgliedsstaaten
anzuerkennen, dass alle BürgerInnen ein Recht auf Wasser und sanitäre Grundversorgung haben, andererseits
dürfe die Versorgung mit Wasser nicht den Regeln des Binnenmarktes unterworfen werden. Weiters sei der universelle
Zugang zu Trinkwasser und sanitärer Grundversorgung durchzusetzen. Aus seiner Sicht hält es auch das
Europäischen Parlament für wichtig, Wasser als soziales Grund- und Menschenrecht anzuerkennen. "Ziel
unserer Initiative ist die Sicherstellung auf EU-Ebene, dass alle Menschen sauberes und bezahlbares Wasser beziehen
können", so Goudriaan.
Bundesregierung für freien Zugang zu Wasser und gegen Privatisierung
Nach den Inputs aus den Statements der ExpertInnen nahmen schließlich auch die Vorsitzenden der Bundesratsfraktionen
Stellung. Unisono sprachen sie sich gegen die Privatisierung der Trinkwasserversorgung aus.
So muss für den ÖVP-Fraktionsvorsitzender Karl Bader (ÖVP/N) das Glück, dass aus dem Wasserhahn
jederzeit frischen Trinkwasser läuft, mehr in das Bewusstsein der Menschen gerückt werden. Er sehe Verunsicherung
in der Bevölkerung, was die Privatisierung des Wasser betreffe. Gleichzeitig bekräftigte er, dass die
Bundesregierung für den freien Zugang zu Wasser und gegen Privatisierung von Wasser sei. Österreich könne
sich über beste Wasserqualität und ein ressourcenmäßig großes Wasserangebot erfreuen.
Das liege auch daran, dass viel Geld für Versorgungs- und Entsorgungssysteme in die Hand genommen wurde und
Länder, Kommunen und Bund dabei gut zusammenarbeiten. Bader verwies auch auf die starke rechtliche Absicherung
des Wasserrechts mittels Verfassungsgesetz. In Richtung EU-Trinkwasserrichtlinie möchte Bundesrat Bader weiterhin
selbst entscheiden und keine Kompetenzen in Richtung Brüssel abgeben. "Es soll individuelle Lösungen
in den Ländern geben und EU-Regelungen dort greifen, wo Qualität und Vorkommen nicht vorhanden sind",
so Bader.
Trinkwasser vor der unkontrollierten Verschmutzung schützen
Die Wiener SPÖ-Fraktionsvorsitzende im Bundesrat Korinna Schumann zeigte sich stolz über die Qualität
des österreichischen Trinkwassers, das sie als wesentlichen Teil der Daseinsvorsorge sieht. In Österreich
müsse allen Menschen ausreichend sauberes Trinkwasser zur Verfügung stehen, sagte sie.
Schumann forderte die Bundesregierung auf, die Bundesfördermittel für die Siedlungswasserwirtschaft zu
erhöhen. Neben der alternden Leitungsstruktur stelle auch der Schutz der Versorgung eine Herausforderung dar.
"Wir müssen unser Trinkwasser vor der unkontrollierten Verschmutzung durch Düngemittel und Pestizide
sowie der übermäßigen Entnahme oder Versickerung durch altersschwache Leitungen schützen",
so Schumann. Als konkrete Maßnahmen forderte sie die landesweite Erfassung von Dünger- und Pestizidaufzeichnungen,
einen Überblick über verwendete Mittel und wo diese ausgebracht würden sowie ein sofortiges Verbot
von Glyophosat und die Eindämmung von chemisch- synthetischen Pestiziden. Laut Schumann dürfen keine
Umweltgifte in das Trinkwasser gelangen. "Schützen wir unser Wasser, dann schützen wir auch unser
Klima, denn Wasserschutz ist auch Klimaschutz", so Schumann. Abschließend wandte sie sich gegen jede
Form der Privatisierung von Wasser und verwies auf die Wiener Wassercharta, die es auch für Österreich
brauchen würde, um "eines der wertvollsten Güter zu schützen – unser Wasser".
Wasserschutz und Umweltschutz genießen höchste Priorität in der Bundesregierung
Auf die hohe Verfügbarkeit und Qualität des österreichischen Wassers Bundesrat verwies Josef Ofner
(FPÖ/K), der betonte, letztere sei gesetzlich gut abgesichert. Er zeigte sich davon überzeugt, dass es
stärkere Bewusstseinsbildung brauche, da zum Beispiel mit der Befüllung von Pools Verbrauchsspitzen entstünden.
Ofner hält das für ein Luxusproblem, das dazu führen könne, dass es in vereinzelten Regionen
zu Wasserknappheit kommt. Diese Knappheit könne zwar über Verbote geregelt werden, jedoch sei die verstärkte
Bewusstseinsbildung in Richtung des ressourcenschonenden Umgangs mit Wasser anzudenken, meinte er.
Ofner bestätigte die zentrale Bedeutung des Schutzes des Trinkwassers durch die österreichische Bundesregierung
und sprach sich gegen die Privatisierung der Wasserversorgung aus – als Beispiel nannte er negative Erfahrungswerte
aus Großbritannien.
Abschließend forderte Ofner die Gemeinden, Länder sowie den Bund auf, weiterhin die hohe Qualität
sicherzustellen und bekräftigte, dass Wasserschutz und Umweltschutz höchste Priorität in der Bundesregierung
genießen. "Die gut funktionierende Situation bei der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung müsse
gehalten werden. So könne das Lebenselixier Wasser als Ressource auch für künftige Generationen
gewährleisten werden", so Ofner.
Breite Front gegen Privatisierung des Trinkwassers
Im Zentrum der anschließenden Diskussion stand die klare Absage an Privatisierungstendenzen beim Trinkwasser.
"Wasser darf keine Handelsware werden!", betonte Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP/N), ebenso
wie der steirische SPÖ-Bundesrat Hubert Koller. SPÖ-Bundesrätin Andrea Kahofer aus Niederösterreich,
die sich ebenfalls mit Nachdruck gegen eine Privatisierung aussprach, will das Recht auf sauberes Trinkwasser nötigenfalls
in der Verfassung verankern. Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ/B) unterstrich den Aspekt der Gemeinnützigkeit
der Trinkwasserversorgung. Seine Fraktionskollegin aus der Länderkammer Daniela Gruber-Pruner (SPÖ/W)
sprach von einem Kinderrecht auf sauberes Trinkwasser.
SPÖ-Abgeordneter Robert Laimer pochte auf ein Verbot von Glyphosat und forderte Maßnahmen zur Reduktion
des Einsatzes von Pestiziden, was auch die Abgeordnete des EU-Parlaments Karin Kadenbach (SPÖ) mit der Bemerkung
bestätigte, man brauche auf europäischer Ebene eine andere Landwirtschaftspolitik, die nicht auf Pestizide
setzt. ÖVP-Mandatar Georg Strasser wiederum plädierte für eine entsprechende finanzielle Ausstattung
des Umweltprogramms ÖPUL und trat überdies dafür ein, die Substanzen im Trinkwasser ausschließlich
auf ihre Gesundheitsgefährdung hin zu prüfen. Johannes Fischer sah als Vorsitzender der Sektion austrolab
Umwelt & Leben vor allem Handlungsbedarf bei der Qualitätssicherung der Trinkwasserkontrollen. Der Kärntner
SPÖ-Bundesrat Günter Novak schließlich setzt auf Aufklärung und Bewusstseinsbildung bei Kindern
und Jugendlichen nach dem Vorbild der Swarowsky-Wasserschule im Nationalpark Hohe Tauern. Magdalena Prieler (WWF
Generation Earth) warnte ihrerseits mit Nachdruck vor einer Abschwächung der Wasser-Rahmenrichtlinie auf EU-Ebene.
Bundesratspräsident Ingo Appé (SPÖ) sieht nun als Resümee der Enquete den Bundesrat aufgefordert,
die heute vorgebrachten Wünsche und Forderungen ernst zu nehmen und gemeinsam mit den Fraktionen eine To-do-Liste
zu erstellen und diese dem Bund und den Ländern als Basis für weitere Schritte zu übermitteln.
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