Wien (meduni) - ExpertInnen der MedUni Wien/AKH Wien haben einen bisher unbekannten Bakterienstamm aus der Gattung
der Leptospiren identifiziert. Eine Infektion damit löste ungewöhnliche neurologische Symptome aus, die
an Myasthenia gravis erinnern, eine Autoimmunerkrankung, bei der die Signalübertragung zwischen Nervenzellen
und Muskelzellen gestört ist. Die genauen Forschungsergebnisse wurden nun in einer Studie im Top-Journal „Emerging
Infectious Diseases“ veröffentlicht.
An der Universitätsklinik für Neurologie der MedUni Wien und des AKH Wien stellten die behandelnden ÄrztInnen
bei einem zuvor gesunden Patienten Muskelschwäche und starke Ermüdbarkeit fest, die den Patienten kurzzeitig
rollstuhlpflichtig gemacht hatten. Diese Symptome wiesen auf die Autoimmunerkrankung Myasthenia gravis hin. Doch
Matthias Tomschik, behandelnder Neurologe, hatte weitere, für diesen Zustand untypische Symptome, gefunden:
„Laboruntersuchungen ergaben erhöhte Entzündungswerte und Leberwerte; außerdem hatte der Patient
Fieber. Das alles deutet auf eine Infektion hin, sodass dieser Fall genauer abgeklärt werden musste.“ Mit
Inga Koneczny vom Klinischen Institut für Neurologie und Mateusz Markowicz vom Institut für Hygiene und
Angewandte Immunologie wurden zwei ExpertInnen hinzugezogen, die genauere Untersuchungen vornahmen.
Bisher unbekannter Genotyp des Bakteriums Leptospira interrogans
Fündig wurden die ExpertInnen schließlich durch einen PCR-Test ("Polymerase Chain Reaction"),
der Proben auf DNA-Ebene untersucht. Es gelang, einen bisher unbekannten Genotyp des Bakteriums Leptospira interrogans
zu identifizieren. Zu den bisher insgesamt 147 verschiedenen bekannten Leptospira-Genotypen kommt nun ein neuer
Stamm hinzu.
Mateusz Markowicz: „Niemand würde bei einer Myasthenie an Leptospiren denken. Neurologische Symptome bei einer
Leptospirose sind eine absolute Seltenheit. Dieser neu identifizierte Typ weicht von den klassischen Symptomen
einer Leptospirose wie Fieber, Leberentzündungen oder Gelbsucht ab.“
Besonders interessant ist zudem, dass es sich um eine sehr seltene Form der Myasthenia gravis handelt, da hier
Antikörper gegen das neuromuskuläre Protein Lrp4 gefunden wurden. Bislang ist dies der einzig bekannte
Fall mit Lrp4 Myasthenia gravis in Österreich, der am Klinischen Institut für Neurologie von Inga Koneczny
und Romana Höftberger identifiziert werden konnte.
Die erfolgreiche Behandlung erfolgte mit einer Antibiotika-Therapie gegen die Infektion und Acetylcholinesterasehemmern
zur Behandlung der Lähmungssymptome. Die MedizinerInnen gehen davon aus, dass die Infektion bei einem Urlaub
in Vietnam und Thailand passierte. So berichtete der Patient, in engeren Kontakt mit Elefanten gekommen zu sein
bzw. unter Wasserfällen geschwommen zu sein.
Leptospiren sind eine Gattung von aktiv beweglichen Bakterien. Leptospiren-Arten kommen sowohl bei Menschen und
Tieren (Leptospira interrogans), wie auch freilebend (L. biflexa) vor. Zu den Wirten zählen häufig Nagetiere,
aber auch Hunde und Schweine. Die Übertragung auf den Menschen erfolgt durch Kontakt mit Urin, Blut oder Gewebe
infizierter Tiere sowie durch Kontakt mit durch tierischen Urin verunreinigtem Oberflächenwasser. Infektionen
können beim Menschen sogenannte Leptospirosen auslösen.
Mateusz Markowicz wurde für die Präsentation des Falles beim 13. Österreichischen Infektionskongress
mit dem 1. Preis ausgezeichnet.
Service: Emerging Infectious Diseases
Severe Myasthenic Manifestation of Leptospirosis Associated with New Sequence Type of Leptospira interrogans. Matthias
Tomschik, Inga Koneczny, Anna-Margarita Schötta, Sebastian Scharer, Merima Smajlhodzic, Paloma Fernandes Rosenegger,
Martin Blüthner, Romana Höftberger, Fritz Zimprich, Gerold Stanek, and Mateusz Markowicz; Emerging Infectious
Diseases,Volume 25, Number 5—May 2019. https://doi.org/10.3201/eid2505.181591
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