Gesetzentwurf erhielt im Verfassungsausschuss mehrheitliche Zustimmung, Zweidrittelmehrheit
bleibt aber fraglich
Wien (pk) – Der von der Regierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Verankerung eines Staatsziels "Wettbewerbsfähiger
Wirtschaftsstandort" hat die erste parlamentarische Hürde genommen. ÖVP und FPÖ stimmten am
6. Mai im Verfassungsausschuss des Nationalrats für die bereits im April 2018 eingebrachte Gesetzesnovelle,
wobei die genaue Formulierung des Staatsziels zuvor noch adaptiert wurde. Allerdings ist nach wie vor fraglich,
ob der Entwurf im Plenum die für einen Beschluss erforderliche Zweidrittelmehrheit erhält. Trotz der
Ergänzung des Staatsziels um den Begriff "nachhaltig" wollten weder die SPÖ noch die NEOS im
Ausschuss für das Vorhaben stimmen. Auch die Parlamentsfraktion JETZT kann der Novelle nichts abgewinnen.
NEOS-Verfassungssprecher Nikolaus Scherak schloss eine Zustimmung seiner Fraktion zur Gesetzesnovelle zwar nicht
gänzlich aus, er fordert aber begleitende Maßnahmen zur Stärkung von Unternehmen. So drängt
er auf eine Senkung der Lohnnebenkosten durch eine Abschaffung der Wirtschaftskammerumlage II und eine Reduzierung
des Unfallversicherungsbeitrags. Die NEOS hätten bereits im Dezember 2018 ein entsprechendes Schreiben an
Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck gerichtet, aber keine Antwort darauf bekommen, schilderte er. Wenn
man schon die Zustimmung der NEOS zu einer Verfassungsbestimmung wolle, müsse man sich auch mit ihren Forderungen
auseinandersetzen.
Scherak glaubt allerdings ohnedies, dass ÖVP und FPÖ nur ein "Scheingefecht" führen. Selbst
wenn die NEOS der Novelle im Nationalrat zustimmen, würde das nichts nützen, da der Gesetzentwurf auch
durch den Bundesrat müsse. Außerdem hätten Staatsziele ohnehin nur eine rein symbolische Wirkung
und würden in der Praxis nichts bewirken.
SPÖ und JETZT warnen vor gefährlicher Symbolik
Strikt abgelehnt wurde das Vorhaben von der SPÖ und dem Parlamentsklub JETZT. Sowohl die SPÖ-Abgeordneten
Peter Wittmann und Johannes Jarolim als auch JETZT-Verfassungssprecher Alfred Noll warnten vor einer gefährlichen
Symbolik und vor falschen Signalen. Auch wenn man nicht davon ausgehen könne, dass die Verankerung eines Staatsziels
"Wirtschaft" konkreten Niederschlag in der Judikatur findet, würde man damit die Bedeutung des Umweltschutzes
relativieren. Und das vor dem Hintergrund einer drohenden Klimakatastrophe, wie Noll erklärte. In diesem Sinn
kann ein Staatsziel Wirtschaft ihm zufolge nur schädliche Wirkung haben. Die Umweltpolitik der Regierung sei
ohnehin von völligem Unvermögen gekennzeichnet, hielt Jarolim ergänzend fest.
ÖVP und FPÖ: Es braucht Balance zwischen Ökonomie und Ökologie
Seitens der Koalitionsparteien warben die Abgeordneten Wolfgang Gerstl, Klaus Fürlinger, Andreas Ottenschläger
(alle ÖVP) und Harald Stefan (FPÖ) für die Gesetzesnovelle. Nach monatelanger Diskussion sei es
Zeit, zu einer Entscheidung zu kommen, sagte Gerstl und erinnerte an den Ausgangspunkt der Debatte. Zwar sei das
umstrittene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts zur dritten Piste des Flughafen Wien später vom Verfassungsgerichtshof
aufgehoben worden, dennoch bestehe die Gefahr, dass Infrastrukturprojekte nicht mehr realisiert werden können,
wenn dem öffentlichen Interesse Umweltschutz gegenüber allen anderen öffentlichen Interessen Vorrang
eingeräumt werde. Es brauche eine Ausgewogenheit zwischen Ökonomie und Ökologie und ein Miteinander,
hielten auch Ottenschläger und Fürlinger fest.
Gerstl und FPÖ-Verfassungssprecher Stefan hoben in diesem Zusammenhang auch die vorgenommene Änderung
an der Regierungsvorlage (110 d.B.) hervor. Mit dem von den Koalitionsparteien vorgelegten Abänderungsantrag
wurde nicht nur der Begriff "nachhaltig" in das neue Staatsziel eingefügt, sondern auch das Wort
"Wachstum" durch "Wohlstand" ersetzt. "Die Republik Österreich (Bund, Länder
und Gemeinden) bekennt sich zu einem wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Wirtschaftsstandort als Voraussetzung
für Wohlstand und Beschäftigung", soll es demnach im Wortlaut heißen.
Stefan wies darauf hin, dass es über diese Formulierung bereits eine Einigung mit den NEOS gegeben habe. Insofern
hält er das Agieren von Abgeordnetem Scherak für "nicht ganz schlüssig". Er lehne es jedenfalls
ab, zwei unterschiedliche Sachen miteinander zu junktimieren, erteilte Gerstl den Forderungen der NEOS eine Absage.
Auch die Bedenken von SPÖ und JETZT können ÖVP und FPÖ nicht nachvollziehen. Österreich
sei ein sehr umweltfreundliches Land, der Einsatz für den Wirtschaftsstandort und für Wohlstand bedeute
nicht, dass man gegen Umweltschutz sei, erklärte Stefan. Die Wirtschaft sei nicht umweltfeindlich und agiere
nicht umweltschädlich, sie generiere aber Wohlstand und Arbeit, machte Fürlinger geltend.
SPÖ-Abgeordneter Wittmann hielt dazu fest, dass Österreich trotz der geltenden Staatszielbestimmungen
"Umwelt" und "Nachhaltigkeit" ein hervorragender Wirtschaftsstandort sei, der für Wohlstand
sorge. Auch aus diesem Grund sei ein neues Staatsziel völlig entbehrlich. Auch ohne ein Staatsziel "Wirtschaft"
werde Österreich nicht den Bach hinuntergehen, ist seine Fraktionskollegin Selma Yildirim überzeugt.
Im Übrigen seien 19 EU-Vertragsverletzungsverfahren im Umweltbereich mehr als genug.
Die Regierungsvorlage wurde schließlich unter Berücksichtigung des Abänderungsantrags mit ÖVP-FPÖ-Mehrheit
angenommen. Damit hat der Ausschuss auch der ihm vom Plenum mit 14. Mai gesetzten Beratungsfrist Rechnung getragen.
Ein von den NEOS eingebrachter Vertagungsantrag wurde lediglich von der SPÖ mitunterstützt und blieb
damit in der Minderheit.
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