Der Nationalratspräsident beim Forum Mitteleuropa im Sächsischen Landtag in Dresden
Dresden/Wien (pk) "Aufgrund seiner gemeinsamen kulturellen Wurzeln und geografischen Gegebenheiten
hat Mitteleuropa die Chance, nicht nur Vorreiterrolle für die Entwicklung von Grenzräumen und ein Europa
der Regionen und Nachbarn zu sein. Mitteleuropa kann damit auch Impulsgeber für Subsidiarität und Reformen
in der EU und den Nachbarstaaten von der Ukraine bis zum Westbalkan sein". Das betonte Nationalratspräsident
Wolfgang Sobotka am 16. Mai anlässlich der hochkarätig besetzten Konferenz "Quo vadis, Mitteleuropa?"
im Rahmen des Forum Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag, zu der Landtagspräsident Matthias Rößler
nach Dresden eingeladen hat.
Sobotka hielt dabei neben dem ungarischen Parlamentspräsidenten László Kövér ein
Impulsreferat zum Thema "Mitteleuropas Staaten in Europa". Die beiden diskutierten im Anschluss daran
mit dem Vizepräsidenten des tschechischen Senats Milan tech und dem Vertreter der EU-Kommission in Deutschland,
Richard Nikolaus Kühnel. Der Nachmittag stand unter dem Thema "Mitteleuropa und seine Nachbarn Herausforderungen
und Perspektiven". Unter den Diskutanten befand sich auch der ehemalige Präsident des EU-Parlaments Hans-Gert
Pöttering. Das Forum Mitteleuropa findet seit 2011 bereits zum neunten Mal statt und geht auf eine Initiative
von Matthias Rößler zurück. "Die Stärkung der mitteleuropäischen Verbundenheit ist
nicht nur ein sächsisches Anliegen, sondern auch ein zutiefst österreichisches", unterstrich Sobotka.
Mitteleuropa steht für kulturelle und geografische Offenheit und Bereitschaft für künftige Herausforderungen
Mitteleuropa sei primär ein geistiger und kultureller Raum, sagte Sobotka, geografisch sei es ein offener
Raum nicht zuletzt in Richtung Südosteuropa, spielte der Nationalratspräsident auf den Schwerpunkt
Österreichs an, den Staaten des Westbalkans eine ernsthafte europäische Perspektive zu bieten und sie
dabei tatkräftig zu unterstützen. Diese Offenheit erstrecke sich aber auch in Richtung Süden, nach
Oberitalien, Slowenien und Kroatien, in Richtung Westen nach Liechtenstein und in Richtung Osten bis hin zu Lemberg,
das unbestritten zu diesem Kosmos gehöre.
Der Nationalratspräsident erinnerte in diesem Zusammenhang aber auch an das humanistische Erbe dieser Region
und den Beitrag der jüdischen Bevölkerung, die in entscheidendem Ausmaß Impulsgeber und Träger
des kulturellen Aufbruchs in die Moderne gewesen sei eine Entwicklung, die der Nationalsozialismus und die Shoah
zerstört haben. Das bringe auch Verantwortung mit sich, die jüdische Kultur zu erhalten und den Antisemitismus,
der noch immer latent vorhanden sei, zu bekämpfen. Unter Hinweis auf die jüngste Antisemitismusstudie
in Österreich, die von Sobotka in Auftrag gegeben worden ist, warnte der Nationalratspräsident vor allem
auch vor dem neuen "zugewanderten Antisemitismus", der auch für die Parlamente in ihrem demokratiepolitischen
Bildungsauftrag eine besondere Herausforderung darstellt.
Diese historischen Wurzeln des mitteleuropäischen Raums sind laut Sobotka eine wesentliche Basis, für
die Bewältigung zukünftiger Aufgaben gerüstet zu sein. Denn "wer wissen will, wohin er geht,
muss wissen, woher er kommt", mahnte er ein, das kulturelle humanistische Erbe im Bewusstsein der Menschen
zu erhalten. Die Stärke der Region liege vor allem in seiner geografischen und kulturellen Offenheit, wie
dies beispielsweise die grenzüberschreitenden Kooperationen etwa in Form von zweisprachigen Kindergärten
und Schulen, im Gesundheitswesen, aber auch im Tourismus zeigen. Das sei ein Erfolgsweg für Europa, sagte
Sobotka.
Mitteleuropa sei aber auch durch zwei totalitäre Regime Nationalsozialismus und Kommunismus und deren
Überwindung geprägt. Die Überwindung der Teilung durch den Fall des Eisernen Vorhangs vor 30 Jahren
sei tief im kollektiven Gedächtnis verankert, Mitteleuropa habe nach dem Ende des Kommunismus damit auch als
eine Brücke für den EU-Beitritt dieser Länder fungiert. In diesem Sinne könne Mitteleuropa
nun auch eine Brückenfunktion in Richtung Südosteuropa wahrnehmen.
Mitteleuropa als Impulsgeber für Reformen in der EU
Nationalratspräsident Sobotka warf in seinem Impulsreferat auch einen Blick auf die Zukunft der EU, wobei
er das Prinzip der Subsidiarität unterstrich. Der Fokus sollte auf den großen Fragen wie der Außen-
und Sicherheitspolitik, der Wettbewerbsfähigkeit sowie der Forschung und Innovation liegen, betonte er. Die
nationalen Parlamente sollten mehr Spielraum, die Regionen mehr Gewicht haben. In diesem Zusammenhang kann sich
Sobotka vorstellen, den Ausschuss der Regionen als Zweite Kammer des Europäischen Parlaments einzurichten.
Der Nationalratspräsident sprach sich auch für Mehrheitsentscheidungen in der EU-Außenpolitik aus.
Nicht zuletzt müsse Mitteleuropa als Anwalt von Rechtsstaatlichkeit und der Einhaltung von Regeln auftreten,
so Sobotka. "Hätten doch die Dissidenten für den Rechtsstaat, die Freiheit und Eigenverantwortung
gekämpft. Aus diesem Grund hält es Sobotka für notwendig, dass Regelverletzungen in der EU auch
Konsequenzen nach sich ziehen. "Denn die Einhaltung von Regeln schafft Vertrauen", stellte er fest.
|