Räume aus Farbe – von 17. Mai bis 11. August 2019 in der Albertina
Wien (albertina) - Für Hermann Nitsch stellt die Malerei eine der Disziplinen seines Orgien Mysterien Theaters
dar. Sie ist zutiefst in Aktionismus, Performance, in der Multimedialität verankert. Sie ist der Ursprung
der Aktionen und zugleich deren Ergebnis. Mit der Ausstellung NITSCH. Räume aus Farbe sollen seine Gemälde
erstmals exklusiv und gesondert betrachtet werden - nicht als Teil eines größeren Ganzen, sondern als
Malerei für sich. Diese Malerei sprengt die Dimensionen des Tafelbilds, erobert flächendeckend die Wand
und greift als umfassende Installation in den Raum ein
Die Ausstellung ermöglicht einen Perspektivwechsel, einen anderen Blick auf Nitschs Œuvre. Als Besucherinnen
und Besucher erleben wir dieselben Werke ganz anders und in dieser Konzentration in all ihren Unterschieden. NITSCH.
Räume aus Farbe zeigt einen Künstler, der seine Malerei von den 1960er-Jahren bis heute konsequent weitergedacht
und für jede Malaktion, jede Werkgruppe eine eigene spezifische Herangehensweise entwickelt hat. Die Resultate
sind nun in der ALBERTINA als Farbräume und Schüttinstallationen begeh- und erfahrbar.
Hermann Nitsch versteht sein Schaffen als Gesamtkunstwerk, als umfassendes Schauspiel des Orgien Mysterien Theaters.
Von seinen Aktionen, deren fotografischer und filmischer Dokumentation, den Aktionsrelikten über die Malerei
und sein grafisches Werk bis zu der von ihm komponierten Musik, seinen Texten, Partituren und seinen Bühnenbildern
fügen sich die einzelnen Disziplinen zu einem großen Ganzen zusammen. Nitschs zentrales Anliegen ist
es, mit seinem Werk reales Geschehen zu inszenieren, dabei alle Sinne anzusprechen sowie Wahrnehmung und Erleben
zu intensivieren. Es gilt, durch diesen "Daseinsrausch" die Existenz des Menschen in der Welt zu festigen.
Sein Theater soll ekstatisch-exzessiv die Grenzen der Kunst überwinden, Kunst und Leben eins werden lassen.
Nitschs Malerei stand zu Beginn des Orgien Mysterien Theaters, er führte zunächst Grundelemente seines
Theaters auf der zweidimensionalen Bildfläche aus, bevor seine Aktionen und Malaktionen vor Publikum den dreidimensionalen
Raum einnahmen. Der physische Umgang mit Farbe, die expressive Geste, der aktionistische Farbauftrag, das körperliche
Ausagieren standen bei der Malerei Nitschs im Zentrum des Interesses.
Dem Künstler ging und geht es nicht darum, etwas abzubilden, nicht um das Resultat an sich, sondern vielmehr
um den Prozess des Malens. An diesem lässt Nitsch in seinen Malaktionen auch ein Publikum teilhaben. "ich
wollte zeigen, wie das verschütten, verspritzen und verschmieren und verplantschen von roter farbflüssigkeit
beim beschauer sinnlich-intensive erregung hervorrufen kann, zu sinnlich-intensivem empfinden auffordert."
Das Erfahren der Farbe mit allen Sinnen, die "Substanzsinnlichkeit" wie Nitsch es nennt, geht vom Künstler
und seinen Mitakteurinnen und -akteuren auf das Publikum über. Doch auch im Anschluss bleibt der Entstehungsprozess
in den Bildern sichtbar und nachvollziehbar, körperlich nachspürbar.
Nitschs Arbeiten zeichnen sich durch die Notwendigkeit der körperlichen Erfahrung aus. Seine Werke, vor allem
seine Malerei, lassen sich nicht unbedingt nach rein ästhetischen Kriterien erfassen. Sie erfordern, sich
in der Aktion selbst oder im Betrachten im Anschluss auf den Entstehungsprozess einzulassen und ihn in seiner Intensität
mit- oder nachzuvollziehen. Besucherinnen und Besucher der aktuellen Ausstellung in der ALBERTINA werden für
die Unterschiede in Herangehensweise und Malprozess sensibilisiert, die in der Schau räumlich erfahrbar werden.
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