Was bestimmt die Zusammensetzung der Mikroorganismen im Verdauungstrakt von Tieren? Eine große
Studie der TU Wien und der Karl Landsteiner Universität Krems gemeinsam mit dem MPI Tübingen ging diesem
Rätsel nun nach.
Tübingen/Krems/Wien (tu) - Sie sind ein Teil von uns: Wir alle tragen etwa zehnmal so viele Bakterien
und Archaeen in uns herum wie eigene Zellen. Das Ökosystem in unserem Verdauungstrakt, das sogenannte Mikrobiom,
hat nicht nur für unseren Stoffwechsel eine große Bedeutung, sondern auch für das Immunsystem und
sogar das Verhalten. Bei Tieren ist es genauso, allerdings unterscheidet sich die Zusammensetzung des Mikrobioms
von Tierart zu Tierart stark.
Erstmals wurde nun eine großangelegte Studie durchgeführt, um anhand von Fäkalproben freilebender
Tiere die Entwicklung des Mikrobioms erklären zu können. Untersucht wurden 128 verschiedene Spezies aus
den Klassen Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel und Säugetiere. So konnte man zeigen, wie Evolution und
Ernährungsgewohnheiten zusammenspielen und die Zusammensetzung der Bakterien im Verdauungstrakt bestimmen.
Viele Kleinstlebewesen im Darm haben sich über viele Millionen Jahre gemeinsam mit ihren Wirtstieren mitentwickelt.
Mit diesem Wissen soll es in Zukunft auch möglich werden, fäkale Verunreinigungen in Gewässern viel
genauer bestimmten Tierarten zuzuordnen.
Proben aus allen Ästen des Stammbaums
„Bisher gibt es Untersuchungen am Mikrobiom von Menschen, oder auch spezielle Daten für einzelne Spezies wie
etwa Ratten. Wir wollten aber viele Tierarten auswählen, die möglichst repräsentativ den gesamten
Stammbaum der Wirbeltiere abdecken – von Vögeln über Säugetiere bis hin zu Fischen“, sagt Prof.
Andreas Farnleitner, der an der TU Wien das Interuniversitäre Forschungszentrum „Wasser und Gesundheit“ co-leitet
(ICC Water & Health) und gleichzeitig als Professor für Mikrobiologische Diagnostik in Erweiterung des
ICC Water & Health an der Karl Landsteiner Privatuniversität in Krems forscht.
Wichtig war, Proben von Wildtieren zu bekommen, denn Zootiere können ein ganz anderes Mikrobiom haben als
ihre frei lebenden Artgenossen. Bei der Probenbeschaffung war das Institut für Wildtierkunde und Ökologie
der Veterinärmedizinischen Universität Wien federführender Partner. Dann wurde die DNA der untersuchten
Mikroorganismen sequenziert – zum Teil an der TU Wien, zum Teil am Max Planck Institut für Entwicklungsbiologie
in Tübingen.
„Insgesamt wurden über 400 Proben von 180 unterschiedlichen Spezies analysiert, dabei wurden 20 Millionen
Gen-Sequenzen erhoben“, sagt Dr. Georg Reischer (TU Wien). Die Kooperationspartner des MPI in Tübingen brachten
ihr Know-how in bioinformatischer Datenanalyse und Evolutionsbiologie in die Studie ein. Dabei zeigten sich auffallende
Zusammenhänge, die sich evolutionsgeschichtlich erklären lassen: Das Mikrobiom hat sich über viele
Millionen Jahre in einer Koevolution mit den Wirtstieren mitentwickelt. Eng verwandte Spezies, die einander am
Stammbaum der Evolution nahe sind, weisen auch Ähnlichkeiten im Mikrobiom auf. „Auch die Ernährung spielt
eine Rolle, aber sie ist nie alleine ausschlaggebend“, erklärt Georg Reischer. „Wenn ein Säugetier dasselbe
isst wie ein Vogel, dann hat es deshalb nicht dieselben Bakterien im Darm.“
Der Verunreinigungs-Bio-Detektor
Mit dem Datenmaterial kann man nicht nur die Koevolution von Wirtstieren und den Mikroorganismen in ihrem Verdauungstrakt
besser verstehen, sondern auch Verfahren entwickeln, die uns helfen, für sauberes Wasser zu sorgen. An der
TU Wien wurde in den letzten Jahren bereits eine Technologie entwickelt, die anhand von DNA-Tests Hinweise auf
die Ursache fäkaler Verunreinigungen im Wasser liefert. So kann man zum Beispiel herausfinden, ob die Verunreinigung
durch menschliches Abwasser oder Weidetiere entstanden ist. „Nun haben wir einen sehr umfangreichen Datensatz zur
Verfügung, mit dem solche Tests auf viel umfassendere und genauere Weise möglich werden“, sagt Andreas
Farnleitner.
Originalpublikation
N. Youngblut et al., “Host diet and evolutionary history explain different
aspects of gut microbiome diversity among vertebrate clades”, Nature Communications (2019), DOI: 10.1038/s41467-019-10191-3
Energy & Environment
ist – neben Computational Science & Engineering, Quantum Physics & Quantum Technologies, Materials
& Matter sowie Information & Communication Technology – einer von fünf Forschungsschwerpunkten der
Technischen Universität Wien. Geforscht wird an der Erschließung neuer Energiequellen, der Versorgung
mit Energie sowie deren Speicherung und effiziente Nutzung. Das technische Know how wird durch Expertise in den
Bereichen Klima, Umwelt, Wirtschaft und Rohstoffe erweitert.
TU Wien - Mitglied der TU Austria
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Über die Karl Landsteiner Privatuniversität Krems
Die Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften (KL) ist Wegbereiterin und Katalysatorin
für zukunftsorientierte, gesellschaftlich relevante Lehr- und Forschungsbereiche in der Medizin und den Gesundheitswissenschaften.
In diesem Sinne fokussiert sie auf ein fächerübergreifendes, international ausgerichtetes Studienprogramm
in Medizin, Psychologie, Psychotherapie und Beratungswissenschaften, das eine sinnvolle Ergänzung zum klassischen
Ausbildungsangebot der öffentlichen Universitäten darstellt. Mit ihrem europaweit anerkannten Bachelor-Master-System
stellt die KL eine flexible Bildungseinrichtung dar, die auf die Bedürfnisse der Studierenden und Anforderungen
des Arbeitsmarkts abgestimmt ist. In der Forschung konzentriert sich die KL gezielt auf Nischenfelder in gesundheitspolitisch
relevanten Brückendisziplinen wie der Medizintechnik, der Psychodynamik und Psychologie sowie dem Thema Wasserqualität
und den damit verbundenen gesundheitlichen Aspekten. Die KL wurde 2013 gegründet und von der Österreichischen
Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung (AQ Austria) akkreditiert.
http://www.kl.ac.at
Über das Interuniversity Cooperation Centre for Water & Health
Das Interuniversitäre Kooperationszentrum Wasser und Gesundheit (ICC Water & Health) versteht sich als
wissenschaftliche Plattform und kompetenter Partner in Fragen der Wasserqualität und deren Auswirkung auf
die menschliche Gesundheit. Das ICC widmet sich der Entwicklung innovativer Konzepte zur Beurteilung der Wasserqualität,
neuer mikrobiologischer und molekularbiologischer Methoden, der Wirksamkeitsprüfung physikalischer und chemischer
Aufbereitungsmethoden sowie numerischer Modelle zur Abschätzung des Infektions- und Krankheitsrisikos bei
der Wassernutzung. Die gewonnenen Erkenntnisse werden zur Ableitung effektiver und nachhaltiger Managementmaßnahmen
zum Schutz der Gesundheit verwendet. Das ICC wurde von der Technischen Universität Wien und der Medizinischen
Universität Wien im Jahr 2010 gegründet und konnte dank der kompetitiven Forschungsförderung durch
das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW) nachhaltig etabliert werden. Im Jahr
2017 wurde das ICC Water & Health um die Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften
(KL) erweitert. Die KL ist nun offizieller Teil der Forschungsplattform.
http://www.waterandhealth.at
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