Die Schattenseiten des künstlichen Lichts

 

erstellt am
15. 05. 19
13:00 MEZ

Lebensraum Nacht geht zunehmend verloren
Wien (nhm-wien) - Gemeinsam durchgeführt vom Naturhistorischen Museum Wien (Koordination), dem Verein Kuffner-Sternwarte, dem E.C.O. Institut für Ökologie und dem Umweltdachverband, widmet sich das Projekt den negativen Auswirkungen des nächtlichen Kunstlichts auf die gemeinsamen Lebensräume von Menschen, Tieren und Pflanzen.

Naturnacht zunehmend durch Lichtverschmutzung bedroht
Der Einsatz künstlichen Lichts ist in Österreich nach wie vor stark steigend. Allein das von Wien ungenutzt abgestrahlte Ablicht nimmt pro Jahr um 6 % zu – das führt zu einer Verdoppelung des Ablichts in weniger als 12 Jahren. Für Astronomen wie Günther Wuchterl vom Verein Kuffner-Sternwarte ein altbekanntes Problem: „Wir Astronominnen und Astronomen sind bei unserer Arbeit auf einen dunklen Nachthimmel angewiesen und für uns Menschen geht damit leider auch zunehmend das Kulturgut Nachthimmel verloren.“ Seiner Meinung nach sollen auch zukünftige Generationen die Möglichkeit erhalten, einen Nachthimmel mit Milchstraße und Sternschnuppen zu erleben. Wuchterl wird im Rahmen des Projektes die Aufhellung des Nachthimmels vermessen und die Lichtquellen mit den größten Beiträgen zur Lichtverschmutzung identifizieren. Beide Parameter sind wichtige Grundlagen für das zweijährige, vom Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus und der Europäischen Union finanzierte Projekt, in dem bis zum Frühjahr 2021 Wege gefunden werden sollen, die Lichtflut einzudämmen.

Zuviel an künstlichem Licht verursacht Artensterben
Die Lichtverschmutzung rückt auch immer mehr in den Fokus von Biologinnen und Biologen, Naturschützerinnen und Naturschützern sowie der breiten Bevölkerung. Denn das Zuviel an künstlichem Licht in der Nacht bedroht zunehmend nachtaktive Tiere, die etwa bei ihrer Futtersuche oder der Fortpflanzung gestört werden. „Die Folge ist ein weiterer Verlust der Artenvielfalt und somit ein ökologisches Problem“, weiß Andreas Hantschk, Biologe und Museumspädagoge am NHM Wien. Er wird im Rahmen des Projektes dafür Sorge tragen, dass auch das Naturhistorische Museum Wien seine Expertise als Wissenschaftsinstitution einbringt und seiner langen Tradition als Vermittlungseinrichtung gerecht wird. Mit speziellen Führungsangeboten rund um das Thema „Nacht“ und Veranstaltungen im Digitalen Planetarium wird es im Haus am Ring sogar mitten in der lichtverschmutzten Großstadt Wien möglich sein, einen Eindruck der unbelasteten Nacht zu gewinnen.

Verschmutzung der Dunkelheit beeinträchtigt auch den Menschen
Ähnlich besorgt äußert sich Lisa Schmied vom Projektpartner E.C.O. Institut für Ökologie, dort zuständig für Vermittlung von Natur- und Umweltthemen: „Im Anthropozän, dem Zeitalter des Menschen, greift dieser auch wesentlich in die Lichtverhältnisse der Erdatmosphäre ein. Die Verschmutzung der Dunkelheit hat nicht nur große Auswirkungen auf die nächtliche Flora und Fauna, sondern beeinflusst auch den Menschen in bisher noch ungenügend erforschtem Ausmaß. Zu viel nächtliches Kunstlicht stört die „innere Uhr“ der Menschen. Schlafstörungen, Depressionen und weitere Beschwerden bis hin zur Begünstigung von Krebserkrankungen sind mögliche Folgen. Lichtverschmutzung ist somit ein zentrales Naturschutzthema des 21. Jahrhundert und E.C.O ist hier an vorderster Front tätig.“ Das in Klagenfurt ansässige Institut wird im Projektrahmen einen wesentlichen Beitrag für die Erarbeitung spezifischer Empfehlungen für Schutzgebiete leisten. Zudem werden naturpädagogische Angebote erarbeitet, die die Öffentlichkeit für das Thema sensibilisieren sollen. Immerhin ist private Beleuchtung für rund ein Drittel der Lichtverschmutzung verantwortlich.

Naturbelassene Gebiete als Nachtoasen erhalten
Unterstützt wird das Projekt auch vom Umweltdachverband, der seine Rolle als Netzwerk und Interessenvertretung von 36 Umwelt- und Naturschutzorganisationen sowie Alpinen Vereinen aus ganz Österreich nutzen wird, um das Thema Lichtverschmutzung vermehrt in die öffentliche Wahrnehmung zu rücken. Auch hier sieht man „die möglichst unbelastete Nacht mit all ihren unterstützenden Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen und die Lebenswelt zahlreicher Insekten, Vögeln, Säugetieren und Pflanzen als bedeutenden Teil einer intakten Natur und wichtigen Baustein für den Erhalt der Biodiversität", so Christian Raffetseder, zuständig für Naturschutz, Biodiversität und ländliche Entwicklung im Umweltdachverband. Im Umweltdachverband arbeitet man daher zielstrebig für den Schutz der Natur, den Erhalt gefährdeter Arten und Lebensräume und setzt sich für eine Stärkung des Schutzgebietsnetzwerkes in Österreich ein, um möglichst naturbelassene Gebiete auch künftig als Nachtoasen in einer lichtüberfluteten Umwelt zu erhalten.

Naturpädagogische Angebote und Maßnahmen gegen Lichtverschmutzung
Christian Köberl, Generaldirektor des Naturhistorischen Museums Wien und renommierter Astronom und Erdwissenschafter, kennt die Auswirkungen des Verlustes der unbelasteten Nacht besonders gut. „Es erfüllt mich deshalb mit großem Stolz, dass es gelungen ist ein derart umfassendes Projekt mit einem Fördervolumen von über € 220.000 in das Naturhistorische Museum Wien zu holen. Damit sind wir als eine der größten außeruniversitären Forschungseinrichtungen Österreichs in der Sensibilisierung der Öffentlichkeit für den bedrohten Lebensraum Naturnacht ganz vorne mit dabei“, und verweist auch auf eine digitale e-Light-Diaschau zum Thema „Faszination Nachthimmel“, die aktuell im Saal 16 (Planetariumssaal) zu sehen ist. Christian Köberl weiter: „Es geht nicht nur um das Erlebnis der Naturnacht, sondern auch um Umweltbelastungen und die Verschwendung gigantischer Mengen an Energie und Ressourcen!“

Das Projekt „Lebensraum Naturnacht“
Mit Start im Frühjahr 2019 wird in den darauffolgenden zwei Jahren ein interdisziplinäres Team auf der Grundlage aktueller wissenschaftlicher Studien neue naturpädagogische Angebote zur Wahrnehmung der Nachtnatur entwickeln und Maßnahmen gegen die Lichtverschmutzung konzipieren. Mit einer Reihe von Veranstaltungen für die breite Öffentlichkeit, einem Beratungsangebot für Gemeinden im Rahmen des Projekts sowie einem Managementkonzept für Schutzgebiete, soll ein großer Beitrag zur Bewusstseinsbildung und Erhaltung ursprünglicher Nachtlebensräume sowie deren bedrohter Biodiversität geleistet werden. Neben dem Naturhistorischen Museum Wien sind an dem Projekt der Umweltdachverband, E.C.O. Institut für Ökologie und der Verein Kuffner-Sternwarte beteiligt. Gefördert wird das Projekt mit über € 220.000 von Bund und Europäischer Union im Rahmen des Österreichischen Programms für ländliche Entwicklung 2014 bis 2020 (Programm LE 14-20).

 

 

 

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