Lebensraum Nacht geht zunehmend verloren
Wien (nhm-wien) - Gemeinsam durchgeführt vom Naturhistorischen Museum Wien (Koordination), dem Verein
Kuffner-Sternwarte, dem E.C.O. Institut für Ökologie und dem Umweltdachverband, widmet sich das Projekt
den negativen Auswirkungen des nächtlichen Kunstlichts auf die gemeinsamen Lebensräume von Menschen,
Tieren und Pflanzen.
Naturnacht zunehmend durch Lichtverschmutzung bedroht
Der Einsatz künstlichen Lichts ist in Österreich nach wie vor stark steigend. Allein das von Wien ungenutzt
abgestrahlte Ablicht nimmt pro Jahr um 6 % zu – das führt zu einer Verdoppelung des Ablichts in weniger als
12 Jahren. Für Astronomen wie Günther Wuchterl vom Verein Kuffner-Sternwarte ein altbekanntes Problem:
„Wir Astronominnen und Astronomen sind bei unserer Arbeit auf einen dunklen Nachthimmel angewiesen und für
uns Menschen geht damit leider auch zunehmend das Kulturgut Nachthimmel verloren.“ Seiner Meinung nach sollen auch
zukünftige Generationen die Möglichkeit erhalten, einen Nachthimmel mit Milchstraße und Sternschnuppen
zu erleben. Wuchterl wird im Rahmen des Projektes die Aufhellung des Nachthimmels vermessen und die Lichtquellen
mit den größten Beiträgen zur Lichtverschmutzung identifizieren. Beide Parameter sind wichtige
Grundlagen für das zweijährige, vom Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus und der Europäischen
Union finanzierte Projekt, in dem bis zum Frühjahr 2021 Wege gefunden werden sollen, die Lichtflut einzudämmen.
Zuviel an künstlichem Licht verursacht Artensterben
Die Lichtverschmutzung rückt auch immer mehr in den Fokus von Biologinnen und Biologen, Naturschützerinnen
und Naturschützern sowie der breiten Bevölkerung. Denn das Zuviel an künstlichem Licht in der Nacht
bedroht zunehmend nachtaktive Tiere, die etwa bei ihrer Futtersuche oder der Fortpflanzung gestört werden.
„Die Folge ist ein weiterer Verlust der Artenvielfalt und somit ein ökologisches Problem“, weiß Andreas
Hantschk, Biologe und Museumspädagoge am NHM Wien. Er wird im Rahmen des Projektes dafür Sorge tragen,
dass auch das Naturhistorische Museum Wien seine Expertise als Wissenschaftsinstitution einbringt und seiner langen
Tradition als Vermittlungseinrichtung gerecht wird. Mit speziellen Führungsangeboten rund um das Thema „Nacht“
und Veranstaltungen im Digitalen Planetarium wird es im Haus am Ring sogar mitten in der lichtverschmutzten Großstadt
Wien möglich sein, einen Eindruck der unbelasteten Nacht zu gewinnen.
Verschmutzung der Dunkelheit beeinträchtigt auch den Menschen
Ähnlich besorgt äußert sich Lisa Schmied vom Projektpartner E.C.O. Institut für Ökologie,
dort zuständig für Vermittlung von Natur- und Umweltthemen: „Im Anthropozän, dem Zeitalter des Menschen,
greift dieser auch wesentlich in die Lichtverhältnisse der Erdatmosphäre ein. Die Verschmutzung der Dunkelheit
hat nicht nur große Auswirkungen auf die nächtliche Flora und Fauna, sondern beeinflusst auch den Menschen
in bisher noch ungenügend erforschtem Ausmaß. Zu viel nächtliches Kunstlicht stört die „innere
Uhr“ der Menschen. Schlafstörungen, Depressionen und weitere Beschwerden bis hin zur Begünstigung von
Krebserkrankungen sind mögliche Folgen. Lichtverschmutzung ist somit ein zentrales Naturschutzthema des 21.
Jahrhundert und E.C.O ist hier an vorderster Front tätig.“ Das in Klagenfurt ansässige Institut wird
im Projektrahmen einen wesentlichen Beitrag für die Erarbeitung spezifischer Empfehlungen für Schutzgebiete
leisten. Zudem werden naturpädagogische Angebote erarbeitet, die die Öffentlichkeit für das Thema
sensibilisieren sollen. Immerhin ist private Beleuchtung für rund ein Drittel der Lichtverschmutzung verantwortlich.
Naturbelassene Gebiete als Nachtoasen erhalten
Unterstützt wird das Projekt auch vom Umweltdachverband, der seine Rolle als Netzwerk und Interessenvertretung
von 36 Umwelt- und Naturschutzorganisationen sowie Alpinen Vereinen aus ganz Österreich nutzen wird, um das
Thema Lichtverschmutzung vermehrt in die öffentliche Wahrnehmung zu rücken. Auch hier sieht man „die
möglichst unbelastete Nacht mit all ihren unterstützenden Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen
und die Lebenswelt zahlreicher Insekten, Vögeln, Säugetieren und Pflanzen als bedeutenden Teil einer
intakten Natur und wichtigen Baustein für den Erhalt der Biodiversität", so Christian Raffetseder,
zuständig für Naturschutz, Biodiversität und ländliche Entwicklung im Umweltdachverband. Im
Umweltdachverband arbeitet man daher zielstrebig für den Schutz der Natur, den Erhalt gefährdeter Arten
und Lebensräume und setzt sich für eine Stärkung des Schutzgebietsnetzwerkes in Österreich
ein, um möglichst naturbelassene Gebiete auch künftig als Nachtoasen in einer lichtüberfluteten
Umwelt zu erhalten.
Naturpädagogische Angebote und Maßnahmen gegen Lichtverschmutzung
Christian Köberl, Generaldirektor des Naturhistorischen Museums Wien und renommierter Astronom und Erdwissenschafter,
kennt die Auswirkungen des Verlustes der unbelasteten Nacht besonders gut. „Es erfüllt mich deshalb mit großem
Stolz, dass es gelungen ist ein derart umfassendes Projekt mit einem Fördervolumen von über € 220.000
in das Naturhistorische Museum Wien zu holen. Damit sind wir als eine der größten außeruniversitären
Forschungseinrichtungen Österreichs in der Sensibilisierung der Öffentlichkeit für den bedrohten
Lebensraum Naturnacht ganz vorne mit dabei“, und verweist auch auf eine digitale e-Light-Diaschau zum Thema „Faszination
Nachthimmel“, die aktuell im Saal 16 (Planetariumssaal) zu sehen ist. Christian Köberl weiter: „Es geht nicht
nur um das Erlebnis der Naturnacht, sondern auch um Umweltbelastungen und die Verschwendung gigantischer Mengen
an Energie und Ressourcen!“
Das Projekt „Lebensraum Naturnacht“
Mit Start im Frühjahr 2019 wird in den darauffolgenden zwei Jahren ein interdisziplinäres Team auf der
Grundlage aktueller wissenschaftlicher Studien neue naturpädagogische Angebote zur Wahrnehmung der Nachtnatur
entwickeln und Maßnahmen gegen die Lichtverschmutzung konzipieren. Mit einer Reihe von Veranstaltungen für
die breite Öffentlichkeit, einem Beratungsangebot für Gemeinden im Rahmen des Projekts sowie einem Managementkonzept
für Schutzgebiete, soll ein großer Beitrag zur Bewusstseinsbildung und Erhaltung ursprünglicher
Nachtlebensräume sowie deren bedrohter Biodiversität geleistet werden. Neben dem Naturhistorischen Museum
Wien sind an dem Projekt der Umweltdachverband, E.C.O. Institut für Ökologie und der Verein Kuffner-Sternwarte
beteiligt. Gefördert wird das Projekt mit über € 220.000 von Bund und Europäischer Union im Rahmen
des Österreichischen Programms für ländliche Entwicklung 2014 bis 2020 (Programm LE 14-20).
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