Innenminister Ratz steht hinter Beschluss, Bundesrat genehmigt außerdem mehr Fördergelder
für Privatsender
Wien (pk) - Künftig werden die Erstaufnahmezentren für Flüchtlinge von einer staatlichen
Agentur betrieben. Auch die Rechts- und Rückkehrberatung wird in Zukunft ausschließlich von der Bundesagentur
für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) durchgeführt. Diesen Beschluss des Nationalrats
hat der Bundesrat am 29. Mai mit den Stimmen der ÖVP und FPÖ gebilligt. Die Länderkammer trug
ferner den Nationalratsbeschluss zur Novellierung des KommAustria-Gesetzes mit, das dem kommerziellen Rundfunk
künftig pro Jahr 5 Mio. € mehr Fördergelder als bisher ermöglicht. Zur Kenntnis genommen wurde ein
Bericht des Innenressorts über das Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für
2019 und das Achtzehnmonatsprogramm der derzeitigen Trio-Präsidentschaft.
Errichtung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) beschlossen
Durch die Zustimmung des Bundesrats zum BBU-Errichtungsgesetz werden ab Mitte 2020 die Erstaufnahmezentren für
Flüchtlinge von der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) betrieben,
ab Anfang 2021 übernimmt die staatliche Agentur sodann auch die Rechts- und Rückkehrberatung für
AsylwerberInnen. Bisher erfolgt die Erstbetreuung von Flüchtlingen, die in Österreich einen Asylantrag
stellten, in von privaten Unternehmen geführten Einrichtungen des Bundes. Auch die Rechts- und Rückkehrberatung
für AsylwerberInnen ist an externe Leistungserbringer, vorrangig gemeinnützige Organisationen, ausgelagert.
Die Betrauung anderer juristischer Personen mit der Durchführung der Rechtsberatung ist jedoch künftig
ausdrücklich nicht mehr zulässig. Ziel der Novelle sind insbesondere mehr Kosteneffizienz, eine Reduzierung
der Abhängigkeit von externen Leistungserbringern sowie Qualitätssicherung. Zudem soll eine "faire,
realistische und objektive" Rechtsberatung dazu beitragen, den Anteil der freiwilligen Ausreisen von Fremden
an den Außerlandesbringungen zu erhöhen.
Innenminister Ratz: BBU erscheint sachgerecht und effizient
Der nunmehrige Innenminister Eckart Ratz nahm im Zuge der Debatte zunächst zur ungewöhnlichen Regierungssituation
Stellung. Er sei mit der Aufgabe betraut worden, sicherzustellen, dass der Sicherheitsapparat in Ruhe und Besonnenheit
dem demokratisch legitimierten Nachfolger übertragen werden kann, betonte er. Er sehe es daher nicht als seine
Aufgabe an, den Willen der WählerInnen zu korrigieren und Präjudiz für die Nachfolgeregierung zu
schaffen, wenngleich er niemals eine Entscheidung treffen würde, hinter der er nicht stehe, argumentierte
Ratz seine Unterstützung des Gesetzesbeschlusses.
Zur Einrichtung der BBU hielt der Innenminister fest, dass er anhand grundrechtlicher, ökonomischer und politischer
Gesichtspunkte zur Überzeugung gelangt sei, dass der rechtsstaatliche Gegenstand nicht nur rechtlich unbedenklich,
sondern auch sachgerecht erscheint. Sowohl die Grundrechte, als auch die europäische Vorgaben der Verfahrensrichtlinie
werden seiner Ansicht nach im BBU-Errichtungsgesetz erfüllt und die RechtsberaterInnen werden hohen fachlichen
Anforderungen genügen müssen. Deren Unabhängigkeit sei auch trotz der Zugehörigkeit zu einer
staatlichen Institution gegeben, meinte Ratz. Ziel sei es auch, externe Abhängigkeiten zu beseitigen, um zu
einer rascheren und effizienteren Durchführung von Asylverfahren beizutragen. Die Errichtung der Bundesagentur
für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen sei ein wichtiger und richtiger Schritt in rechtsstaatlicher
und ökonomischer Hinsicht, der die bestmögliche Betreuung und Beratung für Schutzsuchende bieten
werde, zeigte sich Innenminister Eckart Ratz überzeugt.
Unterstützende Worte für das Gesetzesvorhaben fand auch Bundesrat Robert Seeber (ÖVP/O). Es sei
für ihn ein logischer Schritt, die Betreuungs- und Unterstützungsleistungen von AsylwerberInnen zurück
in staatliche Hände zu legen. Dass derzeit privatwirtschaftlich orientierte Gesellschaften mit der Flüchtlingsbetreuung
Geld verdienen, sei für ihn moralisch nicht nachvollziehbar. Auch Bruno Aschenbrenner (ÖVP/St) geht davon
aus, dass das Gesetz mehr Qualität und Objektivität schafft, eine faire Beratung garantiert sowie realistische
Prognosen für die Asylverfahren ermöglicht.
Andreas Arthur Spanring (FPÖ/N) sprach von einer "Asylindustrie", weil NGOs mit dem Leid von Flüchtlingen
viel Geld verdienen würden. Auch Gerd Krusche (FPÖ/St) äußerte seine Zweifel an der Tätigkeit
der "Verfahrensverschleppung" der bisher betrauten Organisationen, die hohe Kosten verursache. Erfreulicherweise
werde die Beratung und Betreuung von Flüchtlingen wieder als hoheitliche Aufgabe übernommen und nicht
mehr von externen Dienstleistern durchgeführt, sagte Spanring. Beide FPÖ-Bundesräte zeigten sich
zuversichtlich, dass die Leistungen durch die BBU künftig objektiv durchgeführt und auf lange Sicht günstiger
werden.
SPÖ und Grüne kritisieren Beschluss inhaltlich und aufgrund derzeitiger Regierungssituation
Umfassende Kritik an dem Gesetz äußerten die SPÖ-BundesrätInnen Martin Weber (SPÖ/St)
und Doris Hahn (SPÖ/N). Aufgrund der Verstaatlichung sorgte sich Bundesrat Weber um Transparenz, Interessensverflechtungen
und hohe Kosten. Durch die "gekaufte Politik" seien Errichtungskosten und Mehraufwendungen in den nächsten
Jahren von mehreren Millionen Euro zu erwarten, kritisierte der SPÖ-Bundesrat. Außerdem befürchtet
er Postenschacherei, massive Einschränkungen beim Rechtsanspruch auf Rechtsberatung und Einflussnahme seitens
des Innenministeriums. Es sei davon auszugehen, dass die AsylwerberInnen aufgrund der fehlenden Unabhängigkeit
kein Vertrauen in die BBU und ihre Leistungen haben werden, meinte er. Auch Doris Hahn (SPÖ/N) äußerte
ähnliche Bedenken. Weil gerade Flüchtlinge besonders vulnerabel und oft nicht rechtskundig seien, müsse
man das Gesetz vor diesem Hintergrund sehen, meinte sie. Stellungnahmen innerhalb der Begutachtungsphase seien
nicht berücksichtigt worden, kritisierte sie ferner. Die SPÖ-BundesrätInnen waren außerdem
der Ansicht, dass in der derzeitigen Phase keine Entscheidungen getroffen werden sollten, und wollten Einspruch
gegen den Nationalratsbeschluss erheben. Der entsprechende Antrag fand allerdings keine Mehrheit.
Große Skepsis gegenüber dem Beschluss gab es auch vonseiten der grünen BundesrätInnen. Für
David Stögmüller (Grüne/O) genügt die BBU den Anforderungen einer raschen Verfahrensführung
und widerspreche dem Recht auf ein faires Verfahren nicht. Er kritisierte, dass aufgrund der Abhängigkeit
vom Innenressort keine Unabhängigkeit gewährleistet sei. Weil in der derzeitigen "Staatsmanagementkrise"
nicht klar sei, wer für die Umsetzung des Beschlusses zuständig ist, sollte man nun keine weitrechenden
Entscheidungen treffen, meinte Stögmüller. Sein Antrag auf Vertagung zum Aufschub der Entscheidung wurde
allerdings abgelehnt. Auch Ewa Dziedzic (Grüne/W) appellierte, die weitreichenden Auswirkungen und die Frage
der Umsetzung des Gesetzes im Auge zu behalten. In Anbetracht der derzeitigen Regierungssituation bestünde
ein rechtstaatliches Risiko und Ungewissheit, meinte sie. Wichtig wäre nun Objektivität anstatt parteipolitischer
Einflussnahme. Das Gesetz selbst bezeichnete die Bundesrätin als "fehleranfällige, intransparente
Blackbox" und als System, das sich nur durch sich selbst kontrollieren könnte.
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