Die Industrie verliert 2019 an Schwung; das Produktionswachstum sinkt auf rund 2,5 Prozent
– Die Bautätigkeit bleibt lebhaft
Wien (bank austria) - „Die aktuellen Unternehmensbefragungen auf Branchenebene vom Frühjahr 2019 vermitteln
ein uneinheitliches, aber nicht unerfreuliches Konjunkturbild. Während die Industrie in den Produktionserwartungen
für das zweite Quartal erkennbar vorsichtiger geworden ist, sind die Bauunternehmen, die Dienstleister und
der Einzelhandel in ihren Erwartungen per Saldo optimistisch geblieben. In Summe hat Österreichs Wirtschaft
2019 bereits an Wachstumstempo eingebüßt, die Unternehmen haben aber keinesfalls das Vertrauen in die
weitere Geschäftsentwicklung verloren“, fasst Günter Wolf, Ökonom der UniCredit Bank Austria, den
aktuellen Branchenüberblick zusammen. „Selbst in der Industrie ist das Branchenklima, das zu den Erwartungen
auch die realisierte Produktionsleistung im ersten Quartal 2019 berücksichtigt, in einzelnen Branchen sonnig
geblieben. Dazu zählen die Kfz-, die Stahl- und die Chemieindustrie“, sagt Wolf.
Industrie verliert 2019 an Wachstumstempo
Im ersten Quartal 2019 hat sich die Industrieproduktion noch beschleunigt, wobei das Wachstum von rund 5 Prozent
bis März noch über dem Jahresdurchschnitt 2018 von 3,8 Prozent lag. Allerdings signalisieren die zunehmend
vorsichtigeren Konjunkturbefragungsergebnisse der letzten Monate bereits für das zweite Quartal eine deutliche
Verlangsamung der Industriekonjunktur. Infolgedessen ist auch das Branchenklima im April abgekühlt. Besonders
pessimistisch waren die Industrieunternehmen zuletzt in der Beurteilung des Exportauftragsbestands. Die heimische
Industrie belasten 2019 vor allem Absatzeinbußen in den großen europäischen Exportmärkten,
allen voran in Deutschland, Italien und der Schweiz. In den Märkten kündigt sich eine Verlangsamung der
Investitionskonjunktur an, die die Hersteller von Ausrüstungsgütern stärker als die konsumnahen
Industriebranchen trifft. Voraussichtlich wächst die Industrieproduktion 2019 nur mehr um rund 2,5 Prozent.
„Österreichs Industrie droht derzeit kein deutliches Produktionsminus. Auch die heimischen Investitionsgüterhersteller
müssen unter der Annahme, dass sich die handelspolitischen Turbulenzen nicht verschärfen, keinen Einbruch
ihrer Exportnachfrage befürchten. Noch im April hat die EU-Industrie ihre Ende des Vorjahres geplante Investitionsausweitung
für 2019 fast vollumfänglich bestätigt“, sagt Wolf. Der weiterhin erkennbare Optimismus der Unternehmen
dürfte auf der unverändert hohen Kapazitätsauslastung basieren, die im zweiten Quartal im EU-Durchschnitt
bei 82,5 Prozent und 87 Prozent in Österreich erreichte und damit jeweils nur um einen Prozentpunkt unter
der Rekordauslastung vom Vorjahr lag.
Der Maschinenbau und die Kunststoffwarenerzeugung verbuchten im ersten Quartal noch ein Produktionsplus gegenüber
dem Vorquartal; allerdings sind die Unternehmen beider Branchen in der Beurteilung der aktuellen Geschäftslage
und der Produktionsmöglichkeiten in den nächsten Monaten vorsichtiger geworden. In der Metallwarenerzeugung
und der Herstellung elektrotechnischer Produkte ist zudem die Produktion im ersten Quartal im Vergleich zum Vorquartal
gesunken. Die Verschlechterung des Branchenklimas spiegelt hier die Verlangsamung der Investitionsausgaben im In-
und Ausland ebenso wie die Abkühlung der Baunachfrage im Inland.
Hingegen ist das Branchenklima im April in der Chemie, der Stahlindustrie und Fahrzeugerzeugung sonnig geblieben.
Die Unternehmen haben sowohl ihre aktuelle Lage als auch ihre kurzfristigen Geschäftsaussichten positiver
beurteilt als in den Monaten davor. Bemerkenswert sind die Befragungsergebnisse in der Kfz-Industrie, die zeigen,
dass die Produktionseinbußen der deutschen Autoindustrie und der schwelende Handelskonflikt mit den USA die
heimischen Zulieferbetriebe noch wenig verunsicherten. Spätestens in der zweiten Jahreshälfte wird die
Branchenkonjunktur aber weiter abkühlen, da sich Österreichs Kfz-Industrie der Schwäche der europäischen
Autokonjunktur nicht entziehen kann. In geringem Ausmaß ist davon auch die Stahlindustrie betroffen, die
zudem mit einer Verlangsamung der Stahlnachfrage von Seiten der Bauwirtschaft und anderen Abnehmerbranchen im In-
und Ausland rechnen muss, beispielsweise der Elektrotechnik.
Weiterhin lebhafte Bautätigkeit
Österreichs Bauwirtschaft verbuchte 2018 ein Umsatzplus von 8 Prozent preisbereinigt und damit ihr bestes
Ergebnis seit fünfzehn Jahren. Die Zuwächse waren im Hoch- und Tiefbau ähnlich hoch. Vor diesem
Hintergrund wird sich die Baukonjunktur 2019 deutlich abkühlen, voraussichtlich aber nicht ins Minus rutschen.
Für weitere Zuwächse sprechen sowohl die jüngsten Konjunktureinschätzungen der Bauunternehmen,
die ihre Auftragslage ähnlich optimistisch wie im Vorjahr beurteilten, als auch die anhaltend guten Rahmenbedingungen,
nicht zuletzt die günstigen Finanzierungskonditionen für Bauprojekte. Ein Umsatzplus im Bereich von 3
Prozent real 2019 ist auf jeden Fall noch möglich.
2018 wurde das Hochbauwachstum wesentlich von den Baunebengewerben und zunehmend von Neuaufträgen im Wirtschaftsbau
getragen, während der Wohnungsneubau etwas an Dynamik verloren hat. Wie die Geschäftsvertrauenswerte
auf Spartenebene in den letzten Monaten zeigten, verschiebt sich der Auftragsschwerpunkt im Hochbau 2019 weiter
vom Neubau in Richtung Adaptierungsarbeiten. Das sehr hohe Auftragsminus im Tiefbau von rund 20 Prozent vom ersten
Quartal kündigt die Abkühlung der Spartenkonjunktur an, ist aber auch die Folge der grundsätzlich
volatilen Auftragsentwicklung der Sparte. Im April beurteilten die Unternehmen ihre Auftragslage weiterhin besser
als im langfristigen Vergleich. Zudem berichten die Tiefbauunternehmen im zweiten Quartal 2019, dass ihre Kapazitäten
für die nächsten elf Monate ausgelastet sind, der höchste Wert seit Erhebungsbeginn 1996.
„Von Jänner bis April 2019 ist die Zahl der Arbeitsplätze in der österreichischen Bauwirtschaft
um mehr als 6 Prozent gestiegen, wobei die Zuwächse sowohl im beschäftigungsintensiven Hochbau als auch
im Tiefbau verzeichnet wurden. Die hervorragende Beschäftigungsentwicklung ist ein Spiegel der anhaltend erfreulichen
Baukonjunktur“, sagt Branchenanalyst Wolf.
Dienstleistungen bleiben Wachstumsspitzenreiter
Der Umsatz der wirtschaftsnahen Dienstleistungen ist 2018 um 5,7 Prozent nominell gestiegen und damit stärker
als in den fünfzehn Jahren davor. Der Sektor zählt seit Jahren zu den wachstumsstärksten Wirtschaftsbereichen
Österreichs und kann diese Position voraussichtlich 2019 beibehalten. Zumindest ist das Dienstleistungsklima
in den ersten vier Monaten sonnig geblieben. Im April haben sich die Nachfrageerwartungen fast aller großen
Sparten nochmals verbessert, der Lagerhaltung, der IT- und sonstigen technischen Dienste, der Werbung und auch
wieder die Erwartungen der Unternehmen im Beherbergungs- und Gaststättenwesen. Die Befragungsergebnisse lassen
den Schluss zu, dass sich die Tourismuskonjunktur nach dem Rückschlag im ersten Quartal wieder stabilisiert
haben dürfte. Auf jeden Fall wird das Beherbergungs- und Gaststättenwesen das überdurchschnittlich
hohe Umsatzplus von 7,5 Prozent vom Vorjahr im laufenden Jahr deutlich verfehlen.
Im April 2019 sind per Saldo nur die Einschätzungen der Unternehmer im Landverkehr, bei den Beratungsdienstleistungen
und der Arbeitskräftevermittlung vorsichtiger geworden; in Summe ein Hinweis auf die Abkühlung der Industriekonjunktur.
„Bemerkenswert ist das schwache Umsatzplus der Paketdienste von 0,2 Prozent nominell 2018. Die Unternehmen profitieren
zwar vom florierenden Onlinehandel, sind aber einem starken Konkurrenz- und Preisdruck ausgesetzt. Im Rahmen der
Konjunkturbefragung vom April 2019 waren die Paketdienste hinsichtlich der Nachfrageentwicklung in den nächsten
Monaten wieder optimistischer, sind jedoch in ihren Preiserwartungen unverändert pessimistisch geblieben“,
sagt Wolf.
Einzelhändler sind optimistischer geworden
Österreichs Autohändler können 2019 ihr schwaches Umsatzplus von 0,7 Prozent preisbereinigt aus
2018 nicht wesentlich verbessern. Der Fahrzeugabsatz, der bis April 2019 noch um 5 Prozent gesunken ist, wird sich
im weiteren Jahresverlauf zwar stabilisieren aber kaum zulegen. Im April sind die Händler in den Umsatzerwartungen
für die nächsten Monate zumindest etwas zuversichtlicher geworden.
Der Großhandelsumsatz ist 2018 mit 2,1 Prozent real überdurchschnittlich stark gestiegen. Das Ergebnis
wird die Branche 2019 wahrscheinlich verfehlen, da die wesentlichen Wachstumstreiber, die Industrie- und Exportkonjunktur,
im Vergleich zum Vorjahr viel Schwung verlieren, der wiederum vom Bau und vom Einzelhandel nicht ausgeglichen werden
kann.
Der Einzelhandelsumsatz ist 2018 trotz sehr guter Rahmenbedingungen nur um 0,2 Prozent real gewachsen. Voraussichtlich
bleibt die Einkommensentwicklung auch 2019 eine Stütze der privaten Konsumnachfrage, wird aber wieder nur
zu einem geringen Teil dem Einzelhandel zugutekommen und vorwiegend für Dienstleistungen oder auch für
Online-Käufe verwendet werden. Die optimistischen Umsatzerwartungen der Einzelhändler für das zweite
Quartal 2019, vor allem im Bereich des Nicht-Nahrungsmittelhandels, lassen zumindest eine kurzfristige Beschleunigung
der Spartenkonjunktur erwarten und verbesserten nicht zuletzt das Branchenklima.
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