Enthebung, Betrauung und Angelobung
 der scheidenden Bundesregierung

 

erstellt am
28. 05. 19
16:00 MEZ

Bundespräsident: "Parlamentarische Demokratie heißt, miteinander reden aus Respekt gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern."
Wien (hofburg) - Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am 28. Mai die Regierung Kurz des Amtes enthoben und die Minister mit der interimistischen Fortführung der Amtsgeschäfte betraut. Statt des bisherigen Regierungschefs Sebastian Kurz hat das Staatsoberhaupt Finanzminister Hartwig Löger die interimistische Führung der Kanzler-Agenden übertragen.

Die Fortführung der Amtsgeschäfte ist nur für eine kurze Übergangsfrist geplant, bis eine neue Regierung angelobt ist. Alexander Van der Bellen hofft, diese Aufgabe bis Ende dieser Woche oder Anfang nächster Woche erledigen zu können. Er ist dazu in Kontakt mit den Parlamentsparteien, weil die Übergangsregierung vom Nationalrat zumindest geduldet werden muss. Die Enthebung der bisherigen Regierung war laut Verfassung notwendig, weil ihr der Nationalrat am Montag das Misstrauen ausgesprochen hatte.

Für die Fortführung der Amtsgeschäfte wurden die bisherigen Regierungsmitglieder nach der formalen Enthebung neuerlich angelobt. Angeführt wurde die Regierungsmannschaft von Hartwig Löger, Sebastian Kurz war bei der Zeremonie in der Hofburg nicht zugegen.


Worte von Bundespräsident Alexander Van der Bellen


Meine sehr geehrten Damen und Herren!


Ich darf Sie recht herzlich begrüßen. Danke für Ihr Kommen.
Und danke auch Ihnen, sehr geehrte Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die mit Interesse zuhause oder in der Arbeit zuschauen.


Heute werde ich die Bundesregierung von Ihrem Amt entheben und gleichzeitig mit der interimistischen Fortführung der Geschäfte betrauen.
Irgendwie haben wir jetzt alle schon ganz gut Übung in diesen Vorgängen.
Sie sind nicht ganz alltäglich, aber doch im Grunde genommen ein ganz normaler, demokratischer Vorgang.

Bevor ich meine verfassungsmäßigen Pflichten als Bundespräsident nun ausübe, möchte ich kurz inne halten.

Besonders in sehr dynamischen Prozessen soll man ja immer wieder einmal einen Schritt zurück gehen und auf das große Ganze blicken.
Reflektieren, nachdenken, was man sieht und, hier kommt vielleicht ein wenig meine universitäre Vergangenheit durch, was man aus solchen Situationen auch lernen kann?

Ja, was können wir lernen?


Ich denke zwei,drei Dinge, kristallisieren sich schon heraus…

Meine Damen und Herren!
Die jetzige Situation zeigt, wie wichtig es ist, dass es Gespräche zwischen den Parteien gibt. Es muss in einer Demokratie immer um den tragfähigen Dialog gehen.

Es reicht in der Demokratie nicht, wenn man nur dann mit anderen redet, wenn man sie braucht.


Es geht um den grundsätzlichen Respekt, wie man einander begegnet. Den Respekt vor anderen Ideen und Meinungen. Respekt davor, dass auch die anderen Parteien, die anderen Abgeordneten die Stimmen von Bürgerinnen und Bürgern
vertreten, die sie gewählt haben.
Dieser Respekt ist notwendig, damit überhaupt Dialog möglich ist. Auch und vor allem, wenn man politisch anderer Meinung ist. Aus diesem Respekt heraus kann man miteinander politische Auseinandersetzungen führen, kann man streiten.
Man kann und muss aber auch aus diesem Respekt heraus das Gemeinsame, das Verbindende suchen.

Parlamentarische Demokratie heißt, kurz gefasst, miteinander reden aus Respekt gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern.

Und natürlich im Sinne der Sache und für unsere Heimat Österreich Kompromisse suchen, die tragfähig sind.

Das ist harte Arbeit, das ist ein Handwerk und es ist oft einfacher ein schnelles Interview zu geben oder eine Socialmedia Kampagne zu starten. Aber das alleine trägt nicht. Es verpufft. Es braucht mehr.
Das Salz in der Suppe der Politik ist das Ringen um das Gemeinsame im Sinne des Gemeinwohls.


Das ist natürlicher schwieriger in einer Phase, wo der Wahlkampf bereits begonnen hat. Da muss man wohl noch deutlicher auf die besondere Verantwortung hinweisen. Es geht jetzt vor allem um Verantwortung. Nicht um Parteitaktik. Es gibt noch genug Raum für Wahlkampf.


Und ich möchte betonen: Wahlkampf ist wichtig, damit wir uns alle eine Meinung bilden können.

Die Tatsache, dass wir Österreicherinnen und Österreicher sind, verbindet uns. Was uns eint ist: Wir alle wollen das Beste für unser Land. Es kann nur unser gemeinsames Bestreben für Österreich sein, dass das Wohl des Landes über allem steht. Wenn wir das aus den Augen verlieren, denken wir nur mehr darüber nach, was uns trennt.

Das ist falsch. Das ist gefährlich.

Was uns eint, ist das Streben nach dem Wohle Österreichs. Bestätigen wir in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten nicht diejenigen, die sagen: Politiker haben nur das eigene Streben nach Vorteilen im Kopf.

Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass sich das verstörende Sittenbild aus Ibiza tief in unsere Köpfe eingegraben hat. Im In- und im Ausland. Es überlagert das Bild unserer Heimat, wie sie wirklich ist. Diesem beschämenden Sittenbild ein stärkeres, positives Bild unseres Landes gegenüber zu stellen, ist unsere Aufgabe, die wir nur gemeinsam erfüllen können.

Das sind wir unserer Bevölkerung, unserer Verfassung und unserem Selbstverständnis einfach schuldig.


Meine Damen und Herren!


Wir sind es den Österreicherinnen und Österreichern jetzt einfach schuldig. Ich zähle hier auf den konstruktiven Willen aller Beteiligten. Und ganz Österreich schaut Ihnen zu.
Und ich meine nicht nur die hier angetretenen Ministerinnen und Minister. Und auch ich schaue Ihnen sehr genau zu.

Meine Damen und Herren!
Ich komme nun zu meinen verfassungsrechtlichen Aufgaben als Bundespräsident der Republik Österreich. Der Einfachheit halber werde ich die Titel weglassen.


Gemäß Artikel 74 Absatz 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes enthebe ich die Bundesregierung sowie gemäß Artikel 74 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 78 Absatz 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes die Staatssekretärin des Amtes.
Gleichzeitig betraue ich bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung Herrn Hartwig Löger gemäß Artikel 71 des Bundes-Verfassungsgesetzes mit der Fortführung der Verwaltung des Bundeskanzleramtes und mit dem Vorsitz in der einstweiligen Bundesregierung.


Hartwig Löger wird von Bundespräsident Alexander Van der Bellen (r.) zum interimistischen Bundeskanzler ernannt. © Carina Karlovits/HBF und Peter Lechner/HBF

 

Hartwig Löger wird von Bundespräsident Alexander Van der Bellen (r.) zum interimistischen Bundeskanzler ernannt.
© Carina Karlovits/HBF und Peter Lechner/HBF




Weiters betraue ich bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung gemäß Artikel 71 des Bundes-Verfassungsgesetzes die Mitglieder der scheidenden Bundesregierung
- Herrn Heinz Faßmann,
- Herrn Josef Moser,
- Frau Karin Kneissl,
- Herrn Hartwig Löger,
- Frau Margarete Schramböck,
- Frau Juliane Bogner-Strauß,
- Frau Elisabeth Köstinger,
- Herrn Eckart Ratz,
- Herrn Walter Pöltner,
- Herrn Johann Luif
- Frau Valerie Hackl


sowie gemäß Artikel 71 in Verbindung mit Artikel 77 Absatz 3 des Bundes-Verfassungsgesetzes
- Frau Juliane Bogner-Strauß
- Herrrn Gernot Blümel
in dem sich aus den Entschließungen vom 8. Jänner 2018 ergebenden Umfang mit der Fortführung der Verwaltung.


Bei der Erfüllung aller damit verbundenen Aufgaben im Dienste der Republik und der Bevölkerung wünsche ich Ihnen alles Gute.


Ich möchte hier einen besonderen Dank an die vier Ministerinnen und Minister aussprechen, die erst letzte Woche angelobt wurden. Sie zeigen besondere staatspolitische Verantwortung.

Die Mitglieder der Bundesregierung sind vor Antritt ihres Amtes vom Bundespräsidenten anzugeloben.

Ich ersuche Sie daher, folgendes Gelöbnis zu leisten und mit Ihrem Handschlag sowie durch Ihre Unterschrift zu bekräftigen:

„Ich gelobe, dass ich die Verfassung und alle Gesetze der Republik getreulich beobachten und meine Pflicht nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen werde.“

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.hofburg.at

 

 

 

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