Dietrich: Die Börse lenkt den Geschäftsverkehr in geordnete Bahnen
Wien (boerse wien) - Die Börse für landwirtschaftliche Produkte in Wien feiert ihren 150-jährigen
Bestand. Sie wurde 1869 als unter der Leitung und Verwaltung ihrer Mitglieder stehende autonome Institution gegründet.
Sie entstand aus der Notwendigkeit heraus, den Handel mit Getreide als eines der wichtigsten Nahrungsmittel in
geregelte Bahnen zu lenken, als Warenbörse. Ihre Kernaufgaben sind seither, so Börsepräsident Josef
Dietrich beim Festakt im 1890 errichteten Börsegebäude in der Wiener Taborstraße, "den Geschäftsverkehr
mit unentbehrlichen Usancen zu regeln, deren Einhaltung mit einem gut funktionierendem Schiedsgericht zu gewährleisten
und mit den wöchentliche Notierungen der Preise tatsächlich physisch gehandelter Waren für Transparenz
zu sorgen". Sektionsleiter Johannes Fankhauser vom Bundesministerium für Nachhaltigkeit, das gemeinsam
mit dem Wirtschaftsressort die Börseaufsicht ausübt, stellte stellvertretend für Ministerin Maria
Patek die Frage, "welche Organisation kann schon auf 150 Jahre zurückblicken und hat dabei so enorm viel
weitergebracht, insbesondere in den letzten Jahrzehnten? Die Börse ist ein stabiler Faktor, dass sich der
Getreidebereich erfolgreich entwickeln konnte. Sie ist ein moderner Dienstleister und schafft Transparenz".
Aus Anlass ihres Jubiläums wird die Wiener Produktenbörse am 17. und 18. Oktober 2019 in Wien die 59.
Europäische Warenbörse ausrichten, zu der, so der Europäische Börsepräsident Matthé
Vermeulen in seinen Gratulationsworten, 3.000 Besucher erwartet werden.
Die Europäische Warenbörse ist der 1961 gegründete Zusammenschluss von 38 Warenbörsen aus Europa
und der Türkei. Sie veranstaltet jährlich von ihren Mitgliedern ausgerichtete Börsetage als Plattform
des persönlichen Kontakts für die Beteiligten entlang der Wertschöpfungskette, begonnen von der
Landwirtschaft über Getreide-sowie Futtermittelhandel, Verarbeitung und auch Logistik. "Die persönliche
Begegnung ist unverzichtbar. Das Gespräch und die vertrauensvolle Beziehung sind nach wie vor Basis für
dauerhafte Geschäftsbeziehungen", betonte auch Dietrich. Die Wiener Produktenbörse bietet dazu bei
den wöchentlichen Notierungssitzungen sowie bei der seit 14 Jahren jeweils am ersten Freitag im September
in Wien zusammenkommenden Internationalen Donaubörse Gelegenheit. Wien habe es bestens geschafft, sich als
Fixpunkt im europäischen Börsenkalender und Drehscheibe für Handel und Logistik zu etablieren, so
Vermeulen. Die Wiener Börse habe es in den 150 Jahren seit ihrer Gründung immer geschafft, die Wünsche
ihrer Mitglieder zu erfüllen und könne bis heute die Früchte ihrer Tätigkeit ernten. Er unterstrich
dabei die Bedeutung des Standortes Wien für das steigende Interesse aus Mittel- und Osteuropa an den Leistungen
der Warenbörsen.
Zentrales Interesse der Staaten an Versorgungssicherheit als Motiv für Gründung der Börse
Zu den Motiven der Gründung der Wiener Produktenbörse betonte Dietrich das "zentrale Interesse von
Staaten und Regierungen an Versorgungssicherheit". Mangel habe in der Geschichte wiederholt zu Unruhen und
Auseinandersetzungen geführt. Dem sei im Laufe der Jahrhunderte abwechselnd durch staatliche Lenkung oder
durch Liberalisierung der Märkte begegnet worden. In einer Ära schlechter Ernten und hoher Preise Mitte
des 19. Jahrhunderts wurde die nach der Freigabe des Handels von Getreide auf der Basis des Austausches von Mustern
an sogenannten "wilden Börsen" die Notwendigkeit geregelter Bahnen dafür erkannt und die Gründung
der Börse vorangetrieben. "Seit dem EU-Beitritt Österreichs sind die Märkte wieder liberalisiert
und alle Produkte frei handelbar. Dies stellt die Notwendigkeit und Wichtigkeit unserer Börse neuerlich unter
Beweis", so Dietrich.
Er hob dabei vor allem die Pflege der Usancen - "je klarer wir regeln, desto geringer ist der Verhandlungsbedarf"
- und die Schiedsgerichtsbarkeit hervor. Die objektiv und rasch zustande kommenden Urteile des Wiener Börseschiedsgerichts,
ihre Inappellierbar- und unmittelbare Vollstreckbarkeit bescherten dieser Einrichtung immer mehr Zuspruch in Mittel-
und Osteuropa - auch bei Nichtmitgliedern.
Tradition und Wandel hätten das Geschäft in den vergangenen eineinhalb Jahrhunderten geprägt, so
der Börsepräsident, und würden dies auch weiterhin tun. So plant die Börse unter anderem, ihre
Notierungstätigkeit hinkünftig auch auf Bioprodukte auszudehnen.
Nachhaltigkeitsministerium starker Partner der Börse mit Fokus nach vorne
Fankhauser bekräftigte, das Nachhaltigkeitsministerium sei ein starker Partner der Börse mit nach vorne
gerichtetem Fokus. Er nannte den Klimawandel, die gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) sowie Herkunft und Regionalität
als drei der Zukunftsthemen seines Hauses. Zur Anpassung der Getreidebranche an den Klimawandel habe das Ressort
mit starker finanzieller Unterstützung das Projekt der Züchtung klimafitter Sorten angestoßen,
denn: "Wir hatten im letzten Jahrzehnt in Mitteleuropa kein Durchschnittsjahr mehr." Zudem forciere das
Ministerium mit einer Erhöhung der Prämienzuschüsse auf 55% und einem Aufwand von 80 bis 90 Mio.
Euro die Eigenvorsorge mit Elementarversicherungen. "Da haben wir noch weiter Luft nach oben und werden die
Angebote nachschärfen", so der Ministeriumsvertreter.
Zur aktuell in Diskussion stehenden Neugestaltung der GAP für die Jahre 2021 bis 2027 erläuterte Fankhauser,
die Vorschläge der Europäischen Kommission enthielten dieselben Maßnahmen wie bisher, außer
dass den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung mehr Subsidiarität eingeräumt werden solle und Fragen im Zusammenhang
mit der Ökologisierung der 1. Säule sowie den bestehenden Instrumenten der Cross Compliance und des Greenings
geklärt werden müssten. Er verwies aber auf den Worst Case, dass das neu gewählte Europäische
Parlament aber den Vorschlag der Kommission noch als Ganzes zurückweisen könne. Realistisch sei, dass
man sich erst 2020 in der EU über den budgetären Rahmen einigen könne und die neue GAP-Periode erst
nach einem oder mehreren Übergangsjahren starte. Die GAP sei mit einem jährlichen Finanzvolumen von 1,6
bis 1,7 Mrd. Euro ein "zentrales Projekt für die heimische Branche", aber "bei Weitem noch
keine gemähte Wiese", betonte Fankhauser unter anderem mit Hinweis darauf, dass die Kommissionsvorschläge
eine 15%ige Kürzung der Mittel für Österreich aus der 2. Säule enthielten.
Schließlich nehme sich das Ministerium weiterhin intensiv den Zukunftsthemen Herkunft und Regionalität
an. Diese würden in Zukunft "eine Selbstverständlichkeit für Erfolg am Markt" werden,
hätten aber auch noch viel Luft nach oben. Fankhauser appellierte an die Branche, Herkunft und Regionalität
intensiver zu nutzen und gemeinsam zu entwickeln.
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