Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche
Wien (wiiw) - Der Rückgang des Zuflusses ausländischer Direktinvestitionen (FDI) nach Mittel-,
Ost- und Südosteuropa im Jahr 2018 war hauptsächlich auf Russland zurückzuführen. Für
2019 werden in der gesamten Region niedrigere Zuflüsse erwartet, da die globale Investitionsbereitschaft weiter
nachlässt und die Geschäftserwartungen sinken. Österreichs FDI in der Region sind zurückgegangen,
erzielen aber weiterhin relativ hohe Gewinne.
Die globalen FDI-Ströme verlangsamten sich 2018, teils aufgrund des nachlassenden Wirtschaftswachstums und
auch infolge der Politik der USA und Chinas, die heimische Direktinvestitionen im Ausland sinken lässt. In
den USA veranlassten eine deutliche Senkung der Körperschaftsteuer und vorübergehende Anreize zur Rückführung
ausländischer Gewinnbestände die amerikanischen Muttergesellschaften, Gelder von ausländischen Tochterunternehmen
abzuziehen. In Europa verzeichneten insbesondere Irland und die Schweiz starke Kapitalabzüge (negative FDI-
Zuflüsse) als Folge dieser Rückführungen. Ähnlich wie in den USA kehrten sich Österreichs
Direktinvestitionen im Ausland ins Negative, da die Vermögenswerte multinationaler Investoren umstrukturiert
wurden.
Die FDI-Zuflüsse nach Mittel-, Ost- und Südosteuropa (MOSOE) gingen 2018 um 13% zurück. Die Zuflüsse
in die neuen EU-Mitgliedstaaten (EU-MOE11) blieben gegenüber dem Vorjahr weitgehend unverändert, obwohl
das starke Wirtschaftswachstum einen Anstieg ermöglicht hätte. Dagegen nahmen die Zuflüsse in den
Westbalkan um 28% zu, insbesondere aufgrund des steigenden Investoreninteresses in Serbien und Nordmazedonien.
Die Türkei erhielt etwas mehr FDI als 2017, jedoch ist der Gesamtbetrag im Verhältnis zur Größe
dieser Volkswirtschaft immer noch sehr niedrig.
Der Rückgang in MOSOE war fast ausschließlich auf geringere Zuflüsse in die GUS, vor allem nach
Russland, zurückzuführen, die sich gegenüber 2017 halbierten. Russland richtet sich aufgrund der
gegenseitigen Sanktionen mit dem Westen und der (damit verbundenen) Strategie der Importsubstitution immer mehr
nach innen aus. Die Bemühungen, die Rückkehr von Kapital aus dem Ausland zu fördern, scheinen nicht
zu fruchten: 2018 waren die FDI-Abflüsse dreimal so hoch wie die Zuflüsse.
Dienstleistungen machen in den meisten Ländern den größten Teil der ausländischen Direktinvestitionen
aus. Insbesondere produktionsbezogene Geschäftsaktivitäten wie Informations- und Kommunikationstechnik
(IKT), die Auslagerung von Geschäftsprozessen und gemeinsam genutzte Servicezentren nehmen in der gesamten
Region zu. Solche Dienstleistungen sind nicht kapitalintensiv und spiegeln sich daher kaum in den FDI-Daten wider.
Der steigende Anteil von Dienstleistungen an angekündigten Greenfield-FDI-Projekten und von kommerziellen
Dienstleistungen an den Gesamtexporten deutet jedoch auf die wachsende Bedeutung dieser Sektoren für ausländische
Investoren hin.
Deutschland und die USA sind die wichtigsten FDI-Endinvestoren in MOSOE nach dem Stammhausprinzip. Steueroasen,
insbesondere die Niederlande, Zypern und Luxemburg, gehören zu den größten unmittelbaren Investoren,
sind aber keine bedeutenden Endinvestoren. Somit handelt es sich bei diesen Ländern hauptsächlich um
Vermittler und den Sitz von Holdinggesellschaften.
Der Anteil der FDI in MOSOE an den gesamten österreichischen FDI geht zugunsten von Asien und den USA zurück.
Die Rentabilität österreichischer Auslandsinvestitionen ist in der MOSOE- Region allerdings überdurchschnittlich
hoch: 36% der österreichischen FDI-Erträge werden dort mit 28% der in der Region investierten Bestände
erwirtschaftet.
Mehrere Trends, die die Zukunft ausländischer Direktinvestitionen beeinflussen, werden in dieser Studie gesondert
analysiert. Erstens ist zu beobachten, dass der Zusammenhang zwischen FDI-Zuflüssen und dem BIP-Wachstum seit
der Krise weniger stark geworden ist. Zweitens sind die FDI-Zuflüsse und die Beteiligung an globalen Wertschöpfungsketten
stark und positiv korreliert. Drittens werden mehrere MOSOE-Länder hervorgehoben, die ausländische Direktinvestitionen
auf einem Niveau anziehen, das über ihrem Potenzial liegt, insbesondere Montenegro und Bulgarien. Im Gegensatz
dazu könnten Weißrussland und Moldau mehr FDI anziehen, wenn sich die Geschäftsbedingungen verbessern.
Das Geschäftsklima hat einen erheblichen Einfluss auf Investitionsentscheidungen zur Neuansiedlung von Projekten.
Da das Vertrauen in die Wirtschaft in den EU-MOE11-Ländern offensichtlich nachlässt, erwarten wir für
2019 niedrigere FDI-Zuflüsse, was zu einem geringeren BIP- Wachstum führen könnte. Dies ist auf
die nachlassende globale und europäische Konjunktur zurückzuführen. Die Steuerreformen und Handelsbarrieren
in den USA dürften weiterhin einen besonders starken negativen Einfluss auf die globalen FDI-Aktivitäten
ausüben.
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