Brinek, Kräuter und Fichtenbauer mahnen im Volksanwaltschaftsausschuss menschenrechtskonforme
Standards ein
Wien (pk) - Zum wahrscheinlich letzten Mal als amtierende Volksanwälte waren am 5. Juni Günther
Kräuter und Peter Fichtenbauer im Volksanwaltschaftsausschuss des Nationalrats. Ihre Kollegin Gertrude Brinek
muss jedenfalls nach zwölfjähriger Volksanwaltschaftstätigkeit ihre Funktion mit Ende der Amtsperiode
am 30. Juni 2019 niederlegen. Das neue Kollegium für die kommenden sechs Jahre bestimmt demnächst der
Hauptausschuss des Nationalrats. Brinek nutzte die Gelegenheit, einmal mehr die Abgeordneten auf den großen
Verbesserungsbedarf im Straf- und Maßnahmenvollzug aufmerksam zu machen. Eine menschenwürdige Unterbringung
der Häftlinge als Vorbereitung auf ihr Leben nach der Haft sei kaum gegeben, so die Volksanwältin. Größtes
Problem sei der Mangel an qualifiziertem Personal, sowohl bei der Justizwache als auch im medizinischen Bereich
und in den Werkstätten für Inhaftierte. Angesichts der steigenden Zuweisungen in den Maßnahmenvollzug
müsse unbedingt weiter an den geplanten Reformen gearbeitet werden.
Die Anmerkung von Alfred Noll (JETZT), die Sicherstellung menschenrechtskonformer Standards in Österreich
scheitere generell häufig an personeller Unterbesetzung, bestätigten Fichtenbauer und Kräuter. Menschenrechtsschutz
auf hohem Niveau erfordere Geld, fasste Letzterer Fichtenbauers Ausführungen zur staatlichen Mittelverteilung
zusammen. Fichtenbauer hatte sich dabei auf mehrfach von der Volksanwaltschaft aufgezeigte Mängel in Polizeianhaltezentren
bezogen, deren Behebung bislang vielfach an budgetäre Grenzen stieß. Kräuter schilderte unter anderem
anhand von Pflegeheimen, welche gesellschaftlichen Probleme Ressourcendefizite in Einrichtungen, in denen Menschen
in ihrer Freiheit beschränkt sind, nach sich ziehen. Debattengrundlage bildete der zweite Teil des Volksanwaltschaftsberichts
2018 (III-240 d.B.), der die präventive Menschenrechtskontrolle thematisiert und der einstimmig angenommen
wurde.
Menschenrechtskontrolle zeigt Wirkung
Mit sechs Kontrollkommissionen erfüllt die Volksanwaltschaft Österreichs internationale Verpflichtungen
zur präventiven Menschenrechtskontrolle. Kontrolliert werden von den Kommissionsmitgliedern Einrichtungen,
in denen Menschen in ihrer Freiheit beschränkt sind, etwa Gefängnisse, Alten- und Pflegeheime, Unterbringungen
für Menschen mit Behinderung oder Psychiatrien. 2018 erfolgten 520 derartige Kontrollen, meist ohne Ankündigung,
im ersten Quartal 2019 waren es nach Angaben von Volksanwalt Fichtenbauer 132 Besuche in 123 Einrichtungen. Den
Rückgang der durchschnittlichen Besuchsdauer von sieben Stunden 2018 auf heuer vier Stunden interpretierte
er als Zeichen, dass weniger Beanstandungen vorlagen. Noch deutlicher wird für ihn die "Wirkungseffektivität"
der Volksanwaltschaft bei den beobachteten Polizeieinsätzen im Rahmen von Demonstrationen oder Abschiebungen;
hier habe sich die Beanstandungsquote im Vergleich zum Vorjahr bislang von 34% auf 0% reduziert. "Wir sind
angekommen", befand Volksanwältin Brinek zur Arbeit des Nationalen Präventionsmechanismus, mit der
seit 2012 betraut ist. Dennoch lehne man sich bei Schutz und Förderung der Menschenrechte nicht zurück,
sondern sei stets um weitere Professionalisierung der Kontrollen bemüht.
Kontrollbesuche legen Systemfehler offen
Kritik an den Menschenrechtskontrollen der Volksanwaltschaft ist vor diesem Hintergrund für Nikolaus Scherak
(NEOS) völlig ungerechtfertigt. Gemäß der UNO-Menschenrechtsakte, die als Grundlage der Kontrollarbeit
dienen, stehe den Kommissionen des Nationalen Präventionsmechanismus jede Unterstützung zu. Dementsprechend
hielt Volksanwalt Kräuter Protesten gegen die Besuchshäufigkeit der Kommissionen entgegen, im Sinne der
Präventionswirkung seien die jährlich rund 100 Besuche in den österreichweit etwa 1.000 Einrichtungen
fraglos legitim. Strukturmängel wie das Fehlen von diplomiertem Pflegeheimpersonal im Nachtdienst würden
häufig erst dank der detaillierten unangekündigten Kontrolltätigkeit der Kommissionen den zuständigen
Stellen zugetragen. Zur Sicherstellung menschenrechtlicher Standards im stationären Pflegewesen hätten
die dortigen MitarbeiterInnen unbedingt bessere Arbeitsbedingungen vorzufinden, inklusive externer Supervision
im Rahmen der Dienstzeit, so Kräuter. Maßgeblich zur Attraktivierung des Pflegeberufs seien zudem finanzielle
Anreize. Auf eine "faire Bezahlung" und ein "ordentliches Pensionssystem" pocht der für
den Sozialbereich zuständige Volksanwalt außerdem in Hinblick auf Menschen mit Behinderung, die in Tageswerkstätten
arbeiten. Derzeit würden diese Personen dort nicht die ihnen zustehende Inklusion erleben, vielmehr speise
man sie mit Taschengeld ab, rügte Kräuter die "zutiefst unanständige Verkindlichung" von
Erwachsenen mit Beeinträchtigungen.
Von Peter Weidinger (ÖVP) nach den Besuchsabläufen in Justizanstalten gefragt, schilderte in ihrer Zuständigkeit
Volksanwältin Brinek die zur Durchführung notwendige systematische Planung durch die Menschenrechtskommissionen.
Vor Veröffentlichung der Erkenntnisse würden immer die Rückmeldungen der jeweiligen Einrichtung
abgewartet. Auf die Erhebungen der Kommissionen genauer eingehend warnte sie, der Personalmangel in den Gefängnissen
werde sich bald aufgrund von zahlreichen Pensionierungen noch weiter verschärfen. Die Folge seien überlange
Einschlusszeiten von InsassInnen in oft zu kleinen Zellen, ungenügende Beschäftigungsmöglichkeiten
und ein damit einhergehender Anstieg des Aggressionspotentials. Zur "Problemzone Maßnahmenvollzug"
sagte Brinek, unbedingt zu verbessern sei die Qualität der Gutachten für die Beendigung der Anhaltung
psychisch kranker StraftäterInnen nach Ablauf ihrer Haftstrafe. Neben der psychiatrischen Risikoeinschätzung
brauche es auch die Mitwirkung klinischer PsychologInnen und SozialarbeiterInnen sowie Nachsorgeeinrichtungen für
Entlassene. Derzeit befänden sich Menschen wegen mangelhafter Gutachten oft überlange im Maßnahmenvollzug,
ohne Aussicht auf ein Ende der Anhaltung. Ausdrücklich bedauerte Brinek daher, dass die 2017 vom Justizministerium
veröffentlichten Empfehlungen der Arbeitsgruppe Maßnahmenvollzug bisher nicht umgesetzt worden sind.
Für Frauen im Vollzug, deren Situation Petra Wimmer (SPÖ) besonders beschäftigt, meinte Brinek,
eine Ausweitung des Wohngruppenvollzugs in Frauenabteilungen sei sinnvoll. Genauso wäre eine Erhöhung
des weiblichen Anteils in der Justizwache zu begrüßen, geht Brinek von einer aggressionsmindernden Wirkung
der Beamtinnen aus. Namens der FPÖ räumte Christian Lausch zwar ein, natürlich bestehe noch Verbesserungsbedarf
bei den Justizanstalten, doch betonte er, "in Österreich gibt es keinen menschenunwürdigen Vollzug".
Die Bediensteten in den Gefängnissen leisteten hervorragende Arbeit. Über Entlassungen von psychisch
beeinträchtigten TäterInnen müsse immer mit Bedacht auf die Opfer entschieden werden.
Arrestzellen in Kellern sollen bald endgültig der Vergangenheit angehören
In der zweiten Fragerunde antwortete Volksanwalt Fichtenbauer auf die Fragen von Abgeordneten Andreas Kollross
(SPÖ) und Günther Kumpitsch (FPÖ), die wissen wollten, was in Bezug auf die von der Volksanwaltschaft
kritisierte Unterbringung von Häftlingen in Kellerräumen von Polizeiinspektionen geschehen sei. Fichtinger
sagte, es gebe nur mehr wenige solcher Arrestzellen, es handle sich um Altlasten aus einer gar nicht so lange zurückliegenden
Zeit, in denen solche unzureichenden Räumlichkeiten für Häftlinge noch hingenommen wurden. Unterdessen
bestehe aber auch im Innenministerium ein klares Bewusstsein dafür, dass eine Unterbringung, die den Menschenrechten
nicht entspricht, nicht zulässig ist. Unterdessen gebe es nur mehr wenige Fälle, in denen bisher noch
keine bauliche Alternative gefunden werden konnte. Wenn Arrestzellen sich noch in Kellern befinden, müssen
sie gewisse Mindeststandards erfüllen. Viele Probleme der Polizeiinspektionen ergeben sich aus Personalmangel,
sagte Fichtenbauer. Der Volksanwalt übte dabei scharfe Kritik an der Personalpolitik des Bundes. Schon vor
Jahren hätte man abschätzen können, wie viele Pensionierungen anstehen, habe darauf aber zu spät
reagiert, Die Behebung des Problems werde sich daher noch einige Jahre hinziehen, sei aber im öffentlichen
Interesse notwendig.
Kinder- und Jugendhilfe: Einheitliche Qualitätsstandards durch Verländerung erschwert
Die Fragen der Abgeordneten richteten sich des Weiteren auf die Sicherung der Qualität der Pflege und der
Kinder- und Jugendhilfe. Andreas Kollross (SPÖ) sprach die Qualitätssicherung der Fremdunterbringung
von Kindern an, insbesondere die Situation von Pflegeeltern und Krisenpflegeeltern. Rebecca Kirchbaumer (ÖVP)
beklagte überbordende Bürokratie im Bereich Pflege- und Kinderheimen, die für die eigentlichen Aufgaben
zu wenig Zeit lasse. Eva Maria Holzleitner (SPÖ) wies darauf hin, dass Pflegekinder, die ohnehin schwierige
Voraussetzungen haben, durch die Fremdunterbringung oft in ihren Bildungskarrieren beeinträchtigt werden.
Volksanwalt Günther Kräuter sagte, es gebe faktisch keine Klagen über Pflegeeltern und Krisenpflegeeltern,
was für die Qualität des Systems spreche und zeige, dass eine sehr genaue Auswahl erfolge. Aus seiner
Sicht wäre es gut, Krisenpflegeeltern finanziell besser zu unterstützen, da ihre Arbeit auch eine hohe
emotionale Belastung bedeute. Der Volksanwalt äußerte jedoch grundsätzliche Kritik an der Verländerung
der Kinder- und Jugendhilfe. Diese sei von Seiten der ExpertInnen in keiner Weise unterstützt worden, da sich
daraus eine unterschiedliche Umsetzung des bestehenden Kriterienkatalogs für Qualitätsstandards durch
die Bundesländer ergibt. Diese Unübersichtlichkeit sei unterdessen klar feststellbar. Der Personalmangel
sei ein grundlegendes Problem, meinte Kräuter, das auch den Klagen über überbordende Bürokratie
zugrunde liege, da offensichtlich zu wenige Personen für administrative Tätigkeiten zur Verfügung
stehen.
Volksanwältin Gertrude Brinek fügte hinzu, ihrer Wahrnehmung nach habe man auf Probleme im Pflegebereich
oder bei der Unterbringung von Kindern und Jugendlichen sehr oft mit einer Ausweitung der Dokumentationspflichten,
letztlich also mit Bürokratisierung, reagiert. Man sollte aus ihrer Sicht grundsätzlich hinterfragen,
ob mehr Bürokratie stets die Antwort auf alle Probleme sein könne.
Ausschussobfrau Carmen Schimanek bedankte sich schließlich für die stets gute Arbeit und die angenehmen
Diskussionen, die im Ausschuss von allen Fraktionen geführt wurden. Ihr besonderer Dank galt auch den scheidenden
VolksanwältInnen sowie den MitarbeiterInnen der Volksanwaltschaft, für die ausgezeichnete Zusammenarbeit
mit dem Parlament.
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