Von 5. Juli bis 1. September gestalten Streetart-KünstlerInnen das leer geräumte
Wien Museum Karlsplatz, Skater sind im Erdgeschoss willkommen.
Wien (rk) - Schweißperlen treten auf die Stirn jeder Museums-Direktion, wenn nur die Rede von besprayten
Wänden oder Skateboards in den Ausstellungs-Hallen ist. In Wien ist das diesen Sommer anders: Skater und Streetart-KünstlerInnen
übernehmen das Wien Museum am Karlsplatz bei einem kreativen „Takeover“ ab 5. Juli. „Der Umgang mit dem Transformationsprozess
des Wien Museums ist ein ganz besonderer. Im Sommer wird die sehr aktive junge Kulturszene in das Gebäude
eingeladen, sich zu verwirklichen“, freut sich die Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler, am Vormittag
des 6. Juni beim Pressefrühstück in ihrem Büro.
Das Wien Museum Karlsplatz ist fast ausgeräumt und bald für den großen Umbau, der voraussichtlich
im Frühsommer 2020 beginnt bereit. Bis es soweit ist, übernehmen rund 40, darunter viele weibliche und
akademisch gebildete KünstlerInnen das Gebäude von Oswald Haerdtl. „Takeover – Streetart & Skateboarding“,
von 5. Juli bis 1. September. Die Eröffnung findet am 4. Juli, um 18.30 Uhr statt.
Bunte Schriftzüge und Keramikdino
Chinagirl Tile arbeitet bereits an dem Keramikdinosaurier, der an einer Innenwand angebracht wird. Der Star
der Streetart-Szene in Wien ist Nychos, er bringt seit vielen Jahren Farbe auf graue Hauswände und darf einen
Teil der Außenfassade gestalten. Auf der anderen Seite, Richtung Schwarzenbergplatz wird Reskate mit fluoreszierenden
Farben arbeiten. Die in Venezuela geborene Druckgrafikerin Lym Morene ist bekannt für ihre bunten Fantasietiere
oder Golif für seine überdimensionalen Gesichter, die aus dem Stadtbild nicht wegzudenken sind. Auch
zwei „Klassiker“ der Wiener Sprayer-Szene werden jetzt zu Museumsstücken: Paul Busk – bekannt für sein
ikonisches „Trust Busk“ am Donaukanal und seine freundlichen Äffchen – ist ebenso dabei wie Speaker-23, der
mit seinen gesprayten Lautsprechern mit ironischen bis kritischen Botschaften aufhorchen lässt.
Workshops für Jugendliche und Erwachsene sowie Diskussionen zum Beispiel über die umstrittene Legalität
von Graffitis und Streetart runden das Angebot von etwa 60 Veranstaltungen ab. „Draußen vor dem Museum wird
das Rendering des Neubaus zur ,Wiener Wand‘ umfunktioniert, wo sich die Künstlerinnen und Künstler austoben
können“, sagt die Kuratorin Christine Koblitz, die die Idee zum Projekt „Takeover“ hatte. Das Vergnügen
währt allerdings nur bis September. Dann werden alle Kunstwerke zerstört und die Skaterbahn wieder abgebaut.
Es bleiben nur die Dokumentationen, die bereits beim Aufbau beginnen.
Kulturerbe der Stadt
Seit einem Jahr wird der Umbau des Hauses vorbereitet, die Dauerausstellung ist konserviert beziehungsweise
in einer renommierten Galerie in Tokio und im Ausweichquartier Wien Museum MUSA neben dem Rathaus zu sehen. Objekte
wie die Grillparzer-Wohnung bedürfen heikleren Maßnahmen, um es erhalten zu können. Ebenso wie
die Grafiksammlung der Stadt, die zigtausende Fotos, Drucke und andere Exponate umfasst. „Wir haben die Aufgabe
das Kulturerbe der Stadt zu verwalten. Zahlreiche Objekte werden in unserem Depot in Niederösterreich untergebracht.
Aber auch der Leihverkehr mit anderen großen Museen, wie dem Centre Pompidou in Paris oder Galerien in London,
geht selbstverständlich weiter“, betont Museumsdirektor Matti Bunzl.
Das erkläre auch die Fortsetzung der Subventionen für das Wien Museum, das schließlich weitere
20 Standorte in der Stadt betreibt. „Wir haben vor kurzem das Beethovenhaus neu eröffnet. An der Neugestaltung
des Schuberthauses wird noch gearbeitet, ebenso an der Neueröffnung der Neidhardt-Fresken. Wir machen Kulturvermittlung
in Schulen und im Oktober starten wir mit der Stadtarchäologie, die auch zu uns gehört, die erforderliche
archäologische Untersuchung vor dem Museum“, sagt Bunzl. Im Gegensatz zu anderen Bauherren, die mit Verzögerungen
der Arbeiten zu rechnen hätten, wäre der Direktor begeistert, würden die ArchäologInnen historisch
Bedeutsames finden: „Da könnten wir gleich eine Dauerausstellung damit machen“. Dem noch auszuwählenden
Generalunternehmer soll ein entkerntes Gebäude übergeben werden, um einen transparenten Blick auf den
Zustand zu ermöglichen.
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