ForscherInnen von JKU und Kunstuniversität Linz präsentierten bei Crossing Art &
Science No. 2 ihre Projekte
Salzburg (acadmie superior) - Erosion kann Verfall bedeuten und zugleich völlig Neues entstehen lassen.
Bei der Veranstaltungsreihe „Crossing Art & Science“ ging es diesmal um die Frage, wie Erosion in Kunst, Wissenschaft,
Gesellschaft und Technologie verortet ist und welches Potenzial sich daraus für disziplinenübergreifende
Fragestellungen eröffnet. Crossing Art & Science entstand aus einer Kooperation der Johannes Kepler Universität
Linz, Kunstuniversität Linz, Tabakfabrik und Academia Superior – Gesellschaft für Zukunftsforschung.
Fünf ForscherInnen präsentierten dieses Mal ihre wissenschaftlichen Projekte unter der Perspektive der
Erosion.
Mode und Technologie transportieren unsichtbare Werte
Ass.-Prof. Nina Wenhart, MA von der Abteilung für Fashion & Technology an der Kunstuniversität Linz
sprach eingangs über die materiellen und immateriellen Werte, die durch scheinbar neutrale Technologien und
Mode transportiert werden und die durch Erosion manchmal wieder sichtbar werden. Als ein Beispiel nannte sie die
Gesichtserkennungssoftware, die eine blonde Frau als Aufdruck auf einem T-Shirt als Menschen identifiziert, den
dunkelhäutigen Mann, der das Shirt trägt, aber nicht. Die Werte der Modeindustrie hingegen werden an
deren Abfällen deutlich. „Man sagt, welche Farbe in der nächsten Saison ‚in‘ sein wird, sieht man an
der Farbe der Flüsse in Indien“, bemerkte Wenhart und fügte kritisch hinzu: „Die Modeindustrie hat nach
der Öl-Industrie, den zweithöchsten CO2-Ausstoß weltweit. Was die Welt daher sicher nicht braucht,
sind noch mehr Modedesigner, die nach den alten Mustern vorgehen und plump neue Technologie auf Mode aufsetzen“.
Erodiert die Männlichkeit?
Historisch betrachtet war „Männlichkeit“ immer irgendwo in der Krise, machte Univ.-Ass. Andreas Enderlin-Mahr,
MA vom Institut für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte der Johannes Kepler Universität Linz, klar.
„Was einen Mann ausmacht, war immer in Veränderung und Diskussion, war ein komplexes, umkämpftes und
vielschichtiges Bild“, so der Historiker. Daher sei es auch besser, im Plural von Männlichkeiten zu sprechen.
„Derzeit erleben wir die Erosion der dominanten Vorstellung einer einzigen naturgegebenen Männlichkeit, die
aus dem 19. Jahrhundert stammt. Dadurch wird eine moderne Diversität männlicher Genderpraxis ermöglicht.
Gleichzeitig kann die Erosion alter Männlichkeitskonzepte ein Vakuum erzeugen, das toxischen Männlichkeiten
Aufschwung gewährt. Gerade deshalb ist die Erosion der Männlichkeit Chance und Krise zugleich“, meinte
Enderlin-Mahr.
Die Verschwundenen wieder sichtbar machen
Wie kann man an Menschen, die verstorben sind, wieder erinnern und sichtbar machen? Univ.-Ass. Mag. (FH) Katharina
Mayrhofer und Julia Singer, BA von der Abteilung für Visuelle Kommunikation der Kunstuniversität Linz
stellten zu dieser Frage ihr Projekt www.migrationeuropedeaths.com vor. Die erschreckend hohe Zahl von über
42.000 Menschen aus über 4.000 Vorfällen, die auf den Migrationsrouten nach Europa in den letzten 18
Jahren starben oder als vermisst gelten, wird auf dieser interaktiven Website, mit Quellen und Hintergründen
belegt, erfassbar und erforschbar. „Ein derartiges Datenvisualisierungs-Projekt ist nur durch viel cross-disciplinary
working und die Entwicklung einer gemeinsamen Sprache aller TeilnehmerInnen möglich“, betonten Mayrhofer und
Singer.
Erodierende Energiesysteme
DI Dr. Horst Steinmüller, Geschäftsführer des Energieinstituts an der JKU, sprach über zukünftige
Veränderungen in der Energiewirtschaft. Er betonte, dass veraltete Energiepolitik und -technologien, wie die
Stromerzeugung durch Kohle, verschwinden müssten, um ein nachhaltiges Energiesystem zu ermöglichen. Was
in diesem Prozess aber nicht erodieren müsse, sind existierende Energieinfrastrukturen, wie Gasleitungen,
die auch anders genützt werden können, oder unser Wohlstand und Mobilität. „Wir werden zum Beispiel
weiterhin von A nach B kommen wollen. Die Frage ist nur, ob dafür ein SUV nötig ist, oder ob man dieses
Ziel nicht auch anders erreichen kann“, erklärte der Energieforscher Steinmüller.
Was braucht Interdisziplinarität?
Neben finanziellen Mitteln benötigt Forschung, die über die Grenzen der einzelnen Disziplinen hinausgeht,
auch Räume zum Austausch. Ein solcher Platz wird voraussichtlich ab Herbst mit dem „Kraftwerk – Centre for
Interdisciplinary Research, Art & Science“ in der Tabakfabrik Linz zur Verfügung stehen. Wesentlich sei
auch das Finden einer gemeinsamen wissenschaftlichen Sprache und ein Verständnis für die unterschiedlichen
Zugänge anderer Forschungsrichtungen, waren sich die ForscherInnen in der abschließenden Diskussion
einig.
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