Von 06.09.2019 - 22.09.2019
Schwaz (klangspuren) - Die sozialen Erosionsprozesse in unseren westlichen Gesellschaften waren seit dem
Zweiten Weltkrieg selten so groß wie heute. Vor dieser dramatischen Entwicklung will auch ein Festival der
neuen Musik die Augen nicht verschließen. Deshalb stehen die über zwanzig Konzerte von Klangspuren Schwaz
in der Zeit vom 06. bis 22. September 2019 unter dem Motto Risse. Natürlich nicht, um die entstandenen Klüfte
zu vertiefen, sondern um deren Wurzeln zu beleuchten, Ursachenforschung zu betreiben und auf sinnlich-reflexive
Weise neue Denk- und Erfahrungsräume zu öffnen.
Die dramaturgischen Leitlinien dieses Programms seien hier kurz umrissen:
Musik und Politik
Die allerorts zu beobachtende Politisierung von Kunst und Musik schlägt sich in einem Strang von Werken
nieder, die direkt Bezug nehmen auf historische Ereignisse. Exemplarisch seien Luigi Nono, Olga Neuwirth und Claus-Steffen
Mahnkopf genannt (Eröffnungskonzert, 06.09.), deren Werke natürlich nicht direkt in politische Prozesse
eingreifen können, jedoch Denkanstöße liefern. Ein performatives Projekt dazu steuert Jorge Sánchez-Chiong
mit seiner Kurzoper Bill bei (06.09.), in der musikalisch die bittere Rechnung für unkontrolliertes Wachstum
präsentiert wird. Kreative Strategien, gegenwärtige Risse zu kitten, erarbeitet Sánchez-Chiong
mit Jugendlichen in dem Workshop "Alltagshelden", dessen Ergebnisse am 19. September auch öffentlich
gezeigt werden.
Musik und Utopie
Am Gegenpol zu politisierter Musik stehen Kompositionen, durch die gleichsam utopische Horizonte aufgetan werden
wie etwa bei Mark Andre (* 1964), dem diesjährigen Composer in Residence mit elsässischen Wurzeln, oder
dem Wahlwiener Roman Haubenstock-Ramati, der im vergangenen Februar hundert Jahre alt geworden wäre. Das von
spirituell-theologischer Zuversicht beseelte Schaffen Andres hält mit eindringlich-zarten Klängen unserer
zerrütteten Gegenwart die Unerschütterlich-keit des Glaubens und der Hoffnung entgegen. Exemplarisch
zu hören ist dies bereits bei der Klangspuren-Eröffnung in seinem Orchesterstück woher ... wohin
(06.09.) sowie im Zyklus riss 1-3, der vom Ensemble Modern zum ersten Mal in Österreich gespielt werden wird
(07.09.).
Musik und bildende Kunst
Haubenstock-Ramati baut mit seinen graphischen Partituren wiederum eine Brücke zur bildenden Kunst, die
auch im diesjähri-gen Sujet von Klangspuren sichtbar wird: Mit Rens Veltman konnte ein international renommierter,
in Tirol lebender Künstler für den optischen Auftritt des Festivals gewonnen werden. In seinem aufgewühlten
Sturmhimmel spiegelt sich das Gefühl latenter Bedrohung in unserer Gegenwart.
Solokonzerte
Auffallend an Klangspuren 2019 ist auch eine Reihe von Solokonzerten in musikalisch sehr unterschiedlichen
Kontexten. Von Uraufführungen elektronischer Soli Judith Unterpertingers und Elisabeth Schimanas (11.09.)
reicht die Palette über eher instrumentale Solorecitals bis zum zarten, finalen Solokonzert des Klarinettisten
Jörg Widmann, der mit Mark Andres selig sind ... die Innsbrucker Hofkirche elektronisch in einen filigranen
Klangraum verwandeln wird (22.09.).
Klangwanderung mit dem Festival Rümlingen
Innland - Ausland: A l'ur da l'En (rätoromanisch für: am Ufer des Inns) lautet der Titel der diesjährigen
Klangwanderung (14.09. + 15.09.), die erstmals in Kooperation mit dem Schweizer Festival Rümlingen konzipiert
wurde. Die ZuhörerInnen von Klang-spuren und Rümlingen gehen im Inntal, entlang von vielen Klangstationen,
aufeinander zu, um sich abends in der Mitte beider Wegstrecken, in Scuol im Unterengadin, beim gemeinsamen Konzert
mit Franz Hautzingers Regenorchester XII zu treffen. Tags darauf werden die Routen getauscht, die Schweizer starten
in Nauders, die Tiroler in Lavin, und nachmittags treffen sich die beiden Gruppen erneut zu einem Konzert, diesmal
mit der Musicbanda Franui auf einer Festwiese in Sur En.
International Ensemble Modern Academy (IEMA)
Ein Fest der Begegnung ist auch die International Ensemble Modern Academy (29.08.-08.09.) bei Klangspuren Schwaz.
116 junge MusikerInnen aus aller Welt haben sich für diesen renommierten Kurs angemeldet, aus denen schließlich
33 Teilnehme-rInnen ausgewählt wurden. Erstmals findet die IEMA im neuen Haus der Musik in Innsbruck statt,
mit dem Ziel, auch lokale Studierende für den Kurs zu interessieren. Eine weitere Novität ist ein erstmals
angebotener Improvisationskurs, den die international bekannte US-amerikanische Harfenistin Zeena Parkins (*1956)
leiten wird. Ein wunderbarer Kontrast zur Klangwelt Mark Andres, der während der gesamten Zeit der IEMA als
Composer in Residence anwesend sein wird.
Improviser in Residence und Improv #1-#3
Als erste Improviser in Residence bei Klangspuren steht Parkins auch im Mittelpunkt eines dreitägigen
Schwerpunkts mit improvisierter Musik, der unter dem Titel Improv #1-#3 von 19. bis 21. September zu einem Stelldichein
der internationalen Improvisationsszene lädt. Die breite Klangpalette reicht dabei vom zarten Reduktionismus
eines multinationalen Quartetts um den Japaner Otomo Yoshihide bis zum turbulenten Noise des fulminanten Trios
Full Blast um Peter Brötzmann.
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