LH Mikl-Leitner: Brauchen glaubhafte und konkrete Perspektiven für EU-Mitgliedschaft
Göttweig/St. Pölten (nlk) - Stift Göttweig stand auch am 15. Juni ganz im Zeichen des
Europa-Forum Wachau. Nach der Begrüßung durch Landesrat Martin Eichtinger, Präsident des Europa
Forums Wachau, und Ansprachen von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein standen
Gesprächsrunden mit Arno Kompatscher, Landeshauptmann der Autonomen Provinz Bozen, und Olaf Heinrich, Bezirkstagspräsident
von Niederbayern, sowie mit Zoran Zaev, Ministerpräsident der Republik Nordmazedonien, und EU-Kommissar Johannes
Hahn auf dem Programm.
Das Europa-Forum Wachau beschäftige sich mit Herausforderungen und Fragen der Zeit, so Landeshauptfrau Mikl-Leitner
und erinnerte in diesem Zusammenhang an die von ihr bereits gestern formulierten vier zentralen Botschaften. Das
sind eine klare Aufgaben- und Kompetenz-Verteilung in Europa, Europas Zurückeroberung der Innovations- und
Technologie-Führerschaft, ein geordnetes Sicherheits-System an den EU-Außengrenzen, um so das Vertrauen
der Bürger in eine funktionierende Sicherheit-Politik Europas wieder zu stärken und die Vermittlung von
glaubhaften Beitritts-Perspektiven für neue, potenzielle Mitgliedsländer. Man müsse den Westbalkan-Staaten
beim Aufbau helfen und mit Ländern wie Nordmazedonien und Albanien, die schon weiter wären, das Kapitel
Beitrittsverhandlungen aufschlagen. Mikl-Leitner: „Es geht um glaubhafte und konkrete Perspektiven, dass die Westbalkan-Staaten
Mitglieder der Europäischen Union werden können.“ Glaubhafte Perspektiven und neue Chancen, wie sie Österreich
und Niederösterreich bereits vor Jahrzehnten bekommen hätten.
„Wir in Niederösterreich wissen ganz genau was es heißt, neue Chancen und Perspektiven zu bekommen und
auch zu nutzen“, so Mikl-Leitner weiter. Und diese Chancen und Perspektiven wolle man auch den Westbalkan-Staaten
einräumen. „Denn es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder wir überlassen sie der Zukunft von China,
Russland oder anderswo, oder sie werden Teil unserer europäischen Werte-Familie.“ Sobald potenzielle Beitritts-Länder
Rechtsstaatlichkeit, marktwirtschaftliche Kriterien und Menschenrechte erfüllten, dürfe es „kein Zaudern
und keine falschen Kompromisse geben“.
Ein besonderes Anliegen ist der Landeshauptfrau auch die Zukunft der Regionen in einem gemeinsamen Europa. Damit
die Regionen für die Zukunft „Planbarkeit und Kalkulierbarkeit haben“ sei es notwendig, das kommende EU-Budget
so schnell wie möglich zu beschließen. Das betreffe neben der Regionalförderung auch die Innovationsförderung
und Förderungen im Agrarbereich, die für die “Entwicklung vieler Regionen und die Qualitätssicherung
in der Landwirtschaft entscheidend und unverzichtbar sind“, sagte die Landeshauptfrau. „Ein wettbewerbsfähiges
Europa braucht es ein Europa der Regionen. Und für ein starkes Europa braucht es ein Europa auf Augenhöhe.“
Die Landeshauptfrau ist auch überzeugt, dass die Teilnahme von 80 jungen Menschen aus den EU-Mitgliedsstaaten
dem Europa-Forum Wachau einen „neuen Spirit“ verliehen habe.
Landesrat Martin Eichtinger, Präsident des Europa-Forum Wachau, informierte über die Ergebnisse aus den
Arbeitskreisen und dankte den 80 Studierenden und Jugendlichen, dass sie sich beteiligt, aktiv eingebracht und
mitdiskutiert haben. „Die Ergebnisse aus den Arbeitskreisen werden auch auf europäischer Ebene eingebracht“,
so Eichtinger. Im Mittelpunkt wären Zukunftsthemen wie Digitalisierung, Technologie, künstliche Intelligenz
und Gesundheit gestanden. Eichtinger ist auch überzeugt, dass Regionalisierung und Globalisierung „kein Gegensatz
sind“, die Regionen blieben der zentrale Motor der Wirtschaftsentwicklung. Man sollte auch dafür sorgen, dass
jede und jeder ein Erasmus-Programm erleben könne und die Begeisterung für Europa weitergeben könne.
Wichtig sei auch der „sorgsame und kritische Umgang“ mit den neuen Medien.
Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein erinnerte an die Öffnung der Grenzen vor 30 Jahren und den EU-Beitritts
Österreichs vor 25 Jahren und bezeichnete sie als „wichtige historische Weichenstellungen“. Österreich
habe Stabilität und Kontinuität in der Europapolitik bewiesen. Europa stehe vor großen Herausforderungen,
die gemeinsam bewältigt werden müssten. Österreich sei bereit, hier seinen Beitrag zu leisten und
werde auch in Zukunft ein starker Partner in der Europäischen Union sein, so die Bundeskanzlerin. Das bedeute
auch, dass man offen sein müsse für Veränderungen, für neue Prozesse und mehr Kommunikation.
Das Europa-Forum Wachau als Dialogplattform mit internationaler Bedeutung leiste hier einen wichtigen Beitrag dazu.
Für Arno Kompatscher, Landeshauptmann der Autonomen Provinz Bozen, brauche es ein „Mehr an Subsidiarität,
starke Regionen und starke Identitäten in Europa“. Einen Mehrwert für ein starkes und gemeinsames Europa
könne man vor allem aus der Vielfalt ziehen. Dafür brauche es auch klare Regeln und Wertehaltungen, ist
Kompatscher überzeugt. „Große Lösungen sind nur in einem gemeinsamen Europa möglich.“
Olaf Heinrich, Bezirkstagspräsident von Niederbayern, ist froh, in einem Freistaat zu leben. Dieser stehe
natürlich auch in Konkurrenz mit den anderen deutschen Bundesländern. Man müsse auch aufhören,
„für Probleme Brüssel die Schuld zu geben“ und was gut sei, als eigenen Erfolg zu verkaufen. Für
Europa begeistern müsse vor Ort geschehen.
Johannes Hahn, Kommissar für Europäische Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen, sagte,
dass Europa vor allem auch von der „internationalen Großwetterlage“ abhängig sei. Abhängigkeit
bestehe vor allem im Energiebereich und der „Verfügbarkeit seltener Erden“, die für die industrielle
Fertigung benötigt werden. Ziel müsse eine Risikostreuung und eine Diversifikation bei Energiequellen
sein. Und Ziel müsse es auch sein, dass „wir wirtschaftlich so stark sind, dass wir ein Faktor sind“. Für
Hahn ist ein gemeinsames Europa erst vollzogen, wenn auch die Staaten des Westbalkans Mitglieder der Europäischen
Union sind. Der innereuropäische Erneuerungsprozess und der Erweiterungsprozess, die beide Jahre dauern, sollten
parallel vorangetrieben werden. Dafür brauche es aber auch den politischen Willen.
Zoran Zaev, Ministerpräsident der Republik Nordmazedonien, sieht zur EU-Vollmitgliedschaft Nordmazedoniens
keine Alternative. Die Europäische Union sei attraktiv und das „hat uns motiviert“. Man habe bereits vieles
„gemacht und erreicht und wir glauben an Europa“, so Zaev. Man habe auch den Namen geändert und die Identität
bewahrt. Zaev: „Wir wollen nicht gleich EU-Mitglied sein, wir wollen aber, dass die Verhandlung dafür beginnen.“
Für Antonio Tajani, Präsident des Europäischen Parlaments, brauche es eine gemeinsame Willenserklärung
für ein „starkes und gemeinsames Europa“. Wichtige Grundlagen dafür wären die Stärkung des
Subsidiaritätsprinzips, eine gemeinsame Außenpolitik, eine gemeinsame Migrationspolitik und ein gemeinsames
Budge sowie mehr Geld für Forschung und Innovation. Bei der Suche nach Lösungen müsste auch Afrika
miteinbezogen werden. Tajani ist auch überzeugt, dass Stabilität am Westbalkan auch mehr Stabilität
für Europa bedeutet. Auch das europäische Parlament sollte gestärkt werden, so der Parlamentspräsident
abschließend.
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