hdgö zeigt Ausstellung zum Vernichtungsort
Malyj Trostenez/Wien (hdgö) - Das Haus der Geschichte Österreich (hdgö) bringt eine Ausstellung
über den lange vergessenen Vernichtungsort Malyj Trostenez nahe Minsk nach Österreich. Zwischen 1942
und 1944 wurden hier mehr als 55.000 Menschen ermordet, darunter knapp 10.000 österreichische Jüdinnen
und Juden. Die Ausstellung Vernichtungsort Malyj Trostenez. Geschichte und Erinnerung, bislang in Deutschland,
der Schweiz, in Tschechien und Belarus gezeigt, ist zwischen 14. Juni und 27. Oktober 2019 bei freiem Eintritt
im hdgö zu sehen.
„Es ist uns wichtig, an diesen innerhalb Österreichs kaum bekannten Vernichtungsort zu erinnern, denn er ist
Teil unserer Geschichte. Nirgends, außer in Auschwitz-Birkenau, forderte die Shoah so viele österreichische
Opfer“, sagt hdgö-Direktorin Monika Sommer. Lange war Malyj Trostenez vergessen. Die Erinnerung an die Opfer
wurde in Österreich erst vom Verein „IM-MER Maly Trostinec erinnern“ um Waltraud Barton angestoßen,
der seit 2010 Gedenkreisen mit Angehörigen der Ermordeten durchführt. Seit kurzem befindet sich vor Ort
ein Denkmal, das an die österreichischen Opfer erinnert: Bundespräsident Alexander Van der Bellen legte
im Juni 2018 den Grundstein für das Denkmal, das Bundeskanzler Sebastian Kurz im März 2019 der Öffentlichkeit
übergab. Das hdgö zeigt die Ausstellung am Alma-Rosé-Plateau und stellt die Gräueltaten in
Malyj Trostenez damit in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Altan der Neuen Burg, vom dem Adolf Hitler 1938 den
„Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich verkündete.
Malyj Trostenez ist ein europäischer und auch ein österreichischer Gedenkort. Für die Ausstellung
wurde daher ein eigener Österreich-Teil erarbeitet. Das hdgö war dabei Motor einer Kooperation zwischen
dem Vienna Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien (VWI), _erinnern.at_, dem Dokumentationsarchiv des österreichischen
Widerstandes (DÖW) und weiteren wichtigen Institutionen, die zudem von der Kunst- und Kultursektion des Bundeskanzleramtes
unterstützt wurde.
Anhand von bislang großteils unbekannten Quellen werden Einblicke in Biografien österreichischer Opfer
gegeben, aber auch Täter, verfehlte Aufarbeitungen der österreichischen Nachkriegsjustiz und aktuelle
Formen des Gedenkens thematisiert. Erinnert wird zudem an das Engagement Simon Wiesenthals, die Täter rechtlich
zur Verantwortung zu ziehen.
Das Modell des im März 2019 enthüllten österreichischen Denkmals in Malyj Trostenez, das auf einen
Entwurf von Daniel Sanwald zurückgeht, verweist auf jüngste Initiativen des Gedenkens an einer zentralen
NS-Mordstätte, die lange Zeit vergessen war.
Malyj Trostenez - ein österreichischer Gedenkort an die Shoah
Der Vernichtungsort Malyj Trostenez steht in unmittelbarer Verbindung mit dem Beginn des deutschen Angriffskriegs
gegen die Sowjetunion im Juni 1941. Waren bisher Vertreibung und Beraubung das Ziel der NS-Verfolgungspolitik,
fiel nun die Entscheidung zur Vernichtung. Am 15. Oktober 1941 begannen im ganzen Reich die Deportationstransporte.
Aus Wien wurden von Oktober 1941 bis Oktober 1942 fast wöchentlich 1000 Personen deportiert. Sie wurden in
den Sammellagern im 2. Wiener Gemeindebezirk interniert und in offenen Lastwagen zum Aspangbahnhof gebracht. Von
dort gingen in den Jahren 1941/42 insgesamt 45 Transporte mit mehr als 45.000 Menschen in die Gettos, Konzentrationslager
und Vernichtungsorte.
Zwischen Mai und Oktober 1942 wurden neun Transporte aus Wien nach Malyj Trostenez geführt. Abgelegen und
doch per Bahn erreichbar, erschien Malyj Trostenez für die NS-Behörden der Vernichtung als geeigneter
Exekutionsort für Massenerschießungen. Ab Juni 1942 wurden auch Gaswagen eingesetzt.
Malyj Trostenez ist – nach Auschwitz-Birkenau – jener Ort, an dem die meisten österreichischen Opfer der Shoah
ermordet wurden. Nahezu 10.000 österreichische Jüdinnen und Juden wurden in Minsk/Malyj Trostenez getötet.
Insgesamt sind nur 22 österreichische Überlebende bekannt, die von der SS als ZwangsarbeiterInnen eingesetzt
wurden.
Die Gesamtzahl der von 1942 bis zum Rückzug der Deutschen im Sommer 1944 in Malyj Trostenez Ermordeten liegt
zwischen 55.000 und 60.000 Menschen. Überwiegend waren es Jüdinnen und Juden aus Weißrussland und
dem Deutschen Reich, aber auch sowjetische Kriegsgefangene und nichtjüdische Zivilbevölkerung, die als
Partisanenverdächtige in weißrussischen Dörfern gefangen genommen und als „arbeitsunfähig“
eingestuft wurde.
Die Namen der meisten Opfer sind bis heute unbekannt.
Die internationale Wanderausstellung wird erstmals in Österreich gezeigt, zugleich bildet Wien den Abschlussort
des Ausstellungsprojekts. Die Ausstellung im hdgö wurde am 13. Juni 2019 von Bundespräsident Alexander
Van der Bellen eröffnet.
|