Präsidenten loben positive Entwicklungen in Minderheitenfragen. Wien und Ljubljana wollen
nächstes Jahr gemeinsam des 100. Jahrestags der Kärntner Volksabstimmung gedenken.
Ljubljana/Wien (hofburg) - Wien und Ljubljana wollen nächstes Jahr gemeinsam des 100. Jahrestags der
Kärntner Volksabstimmung gedenken. "Ich denke, dass es gut wäre, über den Vorschlag nachzudenken,
eine gemeinsame Manifestation zu haben", sagte Sloweniens Präsident Borut Pahor am 13. Juni nach
einem Treffen mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen in Wien. "Ich sehe das genauso wie Präsident
Pahor", ergänzte dieser.
Er würde "mich freuen, wenn wir gemeinsam auch die eine oder andere Veranstaltung zu diesem Thema machen",
sagte Van der Bellen. "Ich sehe jeden Grund, jetzt gemeinsam zu feiern, weil diese Grenze innerhalb der Europäischen
Union de facto nicht mehr existiert", betonte er.
Pahor betonte ebenfalls, dass Österreich und Slowenien nun "die gleiche Heimat" hätten, nämlich
die Europäische Union. Deshalb sehe er eine gemeinsame Feier als "guten Weg" an. Die beiden Präsidenten
hatten bereits vor zwei Jahren ein symbolisches Zeichen gesetzt, indem sie in Klagenfurt gemeinsam an der Feier
zum 60. Jahrestag der Gründung des Bundesgymnasium für Slowenen teilnahmen.
Bei der Volksabstimmung am 10. Oktober 1920 stimmten die Bewohner des damals mehrheitlich slowenischen Südkärnten
über eine Angliederung an Jugoslawien ab. Knapp 60 Prozent votierten damals für einen Verbleib bei Österreich.
Nachdem die Kärntner Volksabstimmungsfeiern jahrzehntelang deutsch-national geprägt waren, nehmen Vertreter
der Kärntner Slowenen erst seit wenigen Jahren offiziell an diesen teil. In Slowenien ist das "Plebiszit"
des Jahres 1920 immer noch umstritten. So sagte etwa Ministerpräsident Marjan Sarec im Vorjahr der "Kleinen
Zeitung", die Slowenen hätten bei der Volksabstimmung "etwas verloren". Schließlich sei
Klagenfurt damals "eine slowenischere Stadt als etwa Marburg" gewesen, sagte er mit Blick auf die zweitgrößte
slowenische Stadt Maribor.
Beim gemeinsamen Presseauftritt mit Alexander Van der Bellen rief Borut Pahor die österreichische Regierung
mit Blick auf die Volksabstimmungsfeier zu einer "Geste" zugunsten der Kärntner Slowenen auf und
nannte konkret die Finanzierung von Kindergärten oder der slowenischen Wochenzeitung Novice. Zugleich versprach
er, sich weiter für die "deutschsprachigen Slowenen in Slowenien" einsetzen zu wollen. Man müsse
alles tun, damit sie ihre Identität erhalten können. "Das bereichert uns."
"Es freut mich hier festzustellen, dass es positive Signale gibt, diese Gruppe bei der Erhaltung ihres Kulturerbes
zu unterstützen", sagte Alexander Van der Bellen mit Blick auf die deutschsprachige Volksgruppe in Slowenien,
deren offizielle Anerkennung der Nationalrat gefordert hat. "In Kärnten hat sich die Situation deutlich
geändert in den letzten Jahren", erinnerte Van der Bellen an die langjährigen Probleme rund um die
slowenische Volksgruppe. Es werde in der Praxis ein "gleichberechtigtes Miteinander" gelebt, betonte
der Bundespräsident. In diesem Zusammenhang hob er die Verleihung des österreichischen Staatspreises
für Literatur an den Kärntner Slowenen Florjan Lipus hervor, der in seiner Muttersprache schreibt.
Van der Bellen und Pahor unterstrichen die engen bilateralen Beziehungen, insbesondere im wirtschaftlichen Bereich,
und bekannten sich zu deren weiteren Vertiefung. In der Europapolitik traten sie beide für die EU-Erweiterung
auf den Westbalkan ein, konkret den jüngst von der EU-Kommission empfohlenen Beginn von Beitrittsverhandlungen
mit Nordmazedonien und Albanien. "Für die Glaubwürdigkeit der EU wäre es sicher gut, wenn hier
Schritte gesetzt werden, die die Menschen in diesen Ländern nicht enttäuschen", sagte Alexander
Van der Bellen an die Adresse der EU-Regierungen. Pahor drängte zudem auf eine gemeinsame EU-Migrationspolitik.
"Die neue EU-Kommission wird neben dem Brexit eine sofortige Hausaufgabe haben, nämlich eine Vereinbarung
über eine gemeinsame Migrationspolitik vorzubereiten", sagte Borut Pahor, der angesichts des bisherigen
Fehlens einer solchen ein gewisses Verständnis für die österreichischen Grenzkontrollen zu Slowenien
äußerte.
Alexander Van der Bellen würdigte seinen slowenischen Amtskollegen auch als einen der ersten Unterstützer
seiner Klimainitiative. "Ich freue mich sehr über unser gegenseitiges Einvernehmen", sagte er. Pahor
sprach in diesem Zusammenhang auch die Atomenergie an. Wenn man aus fossilen Energieträgern aussteigen müsse,
"dann stellt sich die Frage, was die Alternative dazu ist". "In Slowenien ist eine alternative Möglichkeit
auch ein zweiter Reaktorblock des Atomkraftwerks Krsko", sagte der slowenische Präsident. Neue Technologien
hätten die Kernenergie in den vergangenen Jahren sicherer gemacht, und dies sei "gerade das, was Österreich
die größten Sorgen macht", argumentierte Pahor, der aber auch in Slowenien "Spannungen"
in dieser Frage erwartet und mit einer Volksabstimmung rechnet. Van der Bellen sagte zu diesem Thema: "Natürlich
gibt es unter Freunden auch Punkte, wo man unterschiedlicher Meinung ist." Österreich verzichte seit
40 Jahren auf die Kernenergie, "und Slowenien nicht", sagte er knapp.
Van der Bellen hatte Pahor mit militärischen Ehren am Inneren Burghof empfangen. Es ist der erste offizielle
Besuch des slowenischen Präsidenten bei seinem Amtskollegen. Auf dem Programm standen noch Treffen mit Bundeskanzlerin
Brigitte Bierlein und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka sowie der Besuch eines Plus-Energie-Bürohauses
der Technischen Universität Wien, das als Vorzeigeprojekt für klimafreundliches Bauen gilt.
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