Vorstellung der Übergangsregierung im Nationalrat mit Debatte über Finanzthemen
Wien (pk) – Im Rahmen der Vorstellung der Übergangsregierung unter Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein
debattierten am 12. Juni im Nationalrat die Abgeordneten auch mit Finanzminister Eduard Müller, der zugleich
für das Ressort öffentlicher Dienst und Sport zuständig ist. Müller stand zuletzt im Finanzministerium
der Sektion I vor, die für die Bereiche Finanzverwaltung, Management und Services zuständig ist.
Zwei in der Debatte eingebrachte Entschließungen – seitens NEOS zur Alterssicherungskommission und seitens
JETZT in Bezug auf das Plastiksackerlverbot - blieben in der Minderheit und wurden abgelehnt.
Müller: Besondere Situation erfordert besondere Verantwortung
Ein Budget stelle immer das Gleichgewicht zwischen Entscheidungen der Vergangenheit und Erwartungen der Zukunft
dar, stellte der Finanzminister seiner Rede voran. Dieses Gleichgewicht zu wahren, sehe er als Herausforderung
der nächsten Wochen und Monate. Die besondere Situation dieser Bundesregierung erfordere auch eine besondere
Verantwortung von ihren Mitgliedern und auch ein besonderes Amtsverständnis. In der Exekutive, im Sinne der
Balance und des Gemeinwohls sieht sich Müller gerade in dieser Zeit auch als eine Art "Budgetwächter".
Darüber hinaus sei ein Budget nicht nur, aber auch, die Kunst, Enttäuschungen gleichmäßig
zu verteilen, so der Finanzminister, der auch festhielt: "Die Wahlgeschenke von heute sind die Steuererhöhungen
von morgen."
Er stehe hier auch stellvertretend für die Qualifikation und Motivation der österreichischen Verwaltung
insgesamt, so der Finanzminister. Sein Ziel sei, eine geordnete, stabile Vollziehung an eine neue, demokratisch
legitimierte Bundesregierung zu übergeben. Für bestmögliche Entscheidungsgrundlagen bietet Müller
etwa an, möglichst rasch Wirkungsanalysen zur Verfügung zu stellen. Aber: "Die politische Entscheidung
liegt in Ihrer Verantwortung", die Exekutive können nur mit den entsprechenden Grundlagen bestmöglich
unterstützen. Als Verwaltungsmanager werde er etwa versuchen, begonnene Reformen wie in der Digitalisierung
weiter voranzutreiben. Müller bezeichnete sich als überzeugten Europäer, der bei den kommenden Herausforderungen
die Interessen Österreichs und Europas bestmöglich vertreten will. Auch im Hinblick auf Stabilität
verwies er – wie auch die Bundeskanzlerin zuvor - auf Cicero. "Die beste Einnahmequelle eines Staates ist
seine Sparsamkeit", sagte er in diesem Zusammenhang.
Angelika Winzig (ÖVP) sprach seitens ihrer Fraktion die Unterstützung für die Regierung aus, auch
wenn sie inhaltlich gern den positiven Reformkurs der Regierung Kurz fortgesetzt hätte. Das Fass sei aber
durch das "Ibiza-Video" zum Überlaufen gebracht worden. Sie verabschiedete sich von den Abgeordneten,
ihr Weg führe sie nun in das EU-Parlament. Winzig appellierte aber noch an die Stimme der Vernunft, das Budget
nicht zu sprengen, wie das im Jahr 2008 passiert sei.
Gerade als Frauensprecherin zeigte sich Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) erfreut über 50% Frauenanteil in
der Regierung, mit der ersten Frau als Bundeskanzlerin. Winzig entgegnete sie, im Jahr 2008 seien auch von der
ÖVP viele sozialpolitische Errungenschaften mitgetragen worden, die noch heute positiv nachwirken. Vom freien
Spiel der Kräfte in den nächsten Monaten erhofft sich Heinisch-Hosek, dass etwa im Bereich des Nichtraucherschutzes,
für alleinerziehende Frauen und in Vereinbarkeitsfragen – Stichwort Papamonat – einiges gelingen könne.
Hubert Fuchs (FPÖ), vormaliger Finanzstaatssekretär, hielt ein Plädoyer für die Steuerreformen
bzw. entsprechenden weiteren Pläne der schwarz-blauen Regierung. Er wünsche sich, zumindest den ersten
Teil der schon geplanten Schritte jetzt noch gemeinsam mit der ÖVP - etwa als Initiativantrag - umzusetzen.
Fuchs nannte dazu eine Reihe von Maßnahmen, beispielsweise könne der Sozialversicherungsbonus Einkommen
deutlich entlasten oder die Neukodifikation des Einkommensteuergesetzes massive Vereinfachungen bringen.
Gerald Loacker (NEOS) sieht die Ausführungen von Fuchs eher als ein "Hätt' i' – war' i'", wie
er es bezeichnete. Von der neuen Regierung erhofft er sich etwa, in den Gehaltsverhandlungen mit den Beamten im
Herbst auch die legitimen Interessen der Republik als Arbeitgeber zu unterstützen. Insgesamt sieht Loacker
eine große Belastung durch Pensionierungen, etwa im Bereich öffentlicher Dienst. Ein Entschließungsantrag,
das "gesetzlich vorgeschriebene Gremium der Alterssicherungskommission" schnellstmöglich zu besetzen
bzw. das "Langfristgutachten" zur Pensionssituation umgehend erstellen zu lassen, blieb allerdings in
der Minderheit.
Für eine "gescheite und nicht halbherzige Lösung" zum Thema Plastiksackerlverbot bzw. "Kunststofftragetaschen"
brachte Bruno Rossmann (JETZT) eine Entschließung ein, die ebenfalls in der Minderheit blieb. Das freie Spiel
der Kräfte möchte er für Maßnahmen nutzen, die das freie Budget nicht oder nur äußerst
gering belasten. Zur Klimakrise reiche jedoch nicht ein bloßes Verwalten, hier müsse dringend gestaltet
werden, so Rossmann, der sich etwa auch für eine ökosoziale Steuerreform und gegen klimaschädliche
Subventionen aussprach.
Seit Maria Theresia habe es keine Frau mehr an Österreichs Spitze gegeben, strich Martha Bißmann (o.F.)
hervor, die in der jetzigen Bundeskanzlerin bzw. Regierung mit 50%-igem Frauenanteil auch eine Vorbildwirkung sieht.
Außerdem rief sie die Abgeordneten dazu auf, das freie Mandat zu stärken – "befreit euch vom Klubzwang",
so Bißmann. Das freie Spiel der Kräfte sei der perfekte Zeitpunkt dafür.
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