Das Haas-Haus SammlungsLab #4 im Architekturzentrum Wien
Wien (azw) - Das Haas-Haus, gleich vis-à-vis dem Stephansdom, erregte bereits vor seiner Eröffnung
die Gemüter. Anlässlich des 85. Geburtstages von Hans Hollein (1934–2014) öffnet das Architekturzentrum
Wien das Archiv des Architekten und ermöglicht einen Blick hinter die Kulissen der Entstehung dieses „Eckhauses
der Nation“.
Vor 35 Jahren wurde Hans Hollein beauftragt, eine Umbaustudie für das Haas-Haus zu erstellen. Aus dem Umbau
wurde ein Neubau, der 1990 eröffnet wurde. Das einst kontrovers diskutierte Gebäude ist inzwischen fester
Bestandteil der Wiener Innenstadt. Geblieben ist die Frage, was kann und darf zeitgenössische Architektur
im historischen Zentrum?
Die Ausstellung „Hans Hollein ausgepackt: Das Haas-Haus“ vergegenwärtigt einerseits die Diskussionen von damals
und zeigt andererseits die Entstehung des Projektes anhand beeindruckender Objekte, darunter viele Originalzeichnungen
und Modelle. Erstmals können Az W-Besucher*innen, einzelne Arbeitsschritte Holleins – das Verwerfen und Wiederaufgreifen
von Varianten, seine Akribie und das Suchen nach einer Lösung für diesen neuralgischen Ort – nachvollziehen.
Obwohl Hollein den Begriff der Postmoderne als mediales Konstrukt ablehnte und sich der Vereinnahmung seiner Architektur
durch diesen verwehrte, gilt er als einer ihrer Vorreiter. In seiner Rückbesinnung auf das historische Bewusstsein
und dem Spiel mit historischen Zitaten wendet er sich gegen den Dogmatismus der Klassischen Moderne.
Hollein hatte bereits mit seinen frühen Wiener Projekten, wie dem Kerzengeschäft Retti oder den Geschäften
für den Juwelier Schullin in den 1960er und 1970er Jahren für Aufmerksamkeit gesorgt. Der prominente
Standort und der Maßstab des Haas-Hauses ermöglichten Hollein aber nun erstmals, das Stadtbild nachhaltig
zu prägen. Zu diesem Zeitpunkt war Hollein bereits ein international anerkannter Architekt mit weltweiter
Bautätigkeit. Bis heute ist Hollein der einzige österreichische Pritzker-Preis-Träger.
In Österreich standen viele Zeitgenoss*innen dem Projekt Haas-Haus skeptisch gegenüber. Der öffentliche
Druck war enorm. Initiativen und ein „Proponentenkomitee“ unter der Leitung des Architekten Walter Jaksch forderten
die Erhaltung des vorhandenen Nachkriegsbaus. Heftige Diskussionen wurden dabei nicht nur in Fachkreisen geführt,
alle schienen eine Meinung zu diesem innerstädtischen Bauvorhaben zu haben. Politische Rückendeckung
bekam Hollein vom damaligen Wiener Bürgermeister Helmut Zilk. Seit 2012 steht das Gebäude unter Denkmalschutz.
Die Ausstellung „Hans Hollein ausgepackt: Das Haas-Haus“ ist die vierte Ausgabe der Reihe SammlungsLab im Architekturzentrum
Wien. Sie macht erstmals einen Teil der riesigen Bestände des „Archiv Hans Hollein, Az W und MAK, Wien“ für
die Öffentlichkeit zugänglich.
Zur Ausstellung
Die Ausstellung beginnt mit einem einführenden Exkurs in die Geschichte des Ortes, vom römischen
Legionslager über das imposante Geschäftshaus der Firma Philipp Haas & Söhne, errichtet 1865–1867
von August Siccard von Siccardsburg und Eduard van der Nüll, und dem 1953 fertiggestellten zweiten Haas-Haus
von Carl Appel, Max Fellerer und Eugen Wörle. Unter dem Titel „Geteilte Meinungen“ vergegenwärtigt der
zweite Abschnitt die Diskussionen rund um das Projekt von Hans Hollein, bevor sich die Ausstellung mit einer großen
Materialfülle auf die formale Genese des Haas-Hauses konzentriert. Nebeneinander, übereinander, kontrapunktisch
und aufeinanderfolgend entstanden im Atelier Hans Hollein Varianten und Studien zum Haas-Haus. Das fortwährende
Deklinieren jeder Fassung und ihre Überprüfung auf dem Papier, im Modell, mittels Fotografien und Collagen
gehörten zum zeitaufwendigen Arbeitsablauf. Durch die Zusammenschau unterschiedlicher Sammlungsobjekte aus
der gesamten Entwurfs- und Bauphase stellt die Ausstellung ganz neue Verknüpfungen her. Das Feld der Untersuchungen
reicht von städtebaulichen Fragestellungen bis zur Gestaltung des Bauzauns.
Im letzten Abschnitt wird das Gebäude nach der Fertigstellung gezeigt. Außen- und Innenaufnahmen sowie
ein „visuelles Bauprotokoll“, welches im Zeitraffer-Modus die Abtragung des Vorgängerbaus und die Errichtung
des Holleinschen Haas-Hauses abbildet, machen die teils nicht mehr vorhandenen Spuren sichtbar. Veränderungen
und Umnutzungen des Gebäudes seit seiner Errichtung werden thematisiert, vom Rückbau des komplexen Atriums
im Jahr 2002 bis heute.
Das Architekturzentrum Wien verfügt über die umfassendste Architektursammlung des 20. und 21. Jahrhunderts
in Österreich. Eine für Österreich einzigartige Sammlungskooperation entstand im Jahr 2016, als
der durch die Republik Österreich erworbene und durch das MAK übernommene umfangreiche Teilnachlass „Archiv
Hans Hollein, Az W und MAK, Wien“ in Form einer Dauerleihgabe an das Az W zur Überarbeitung übergeben
wurde.
Die umfangreichen Materialien, die in der Ausstellung „Hans Hollein ausgepackt: Das Haas-Haus“ gezeigt werden,
machen dabei nur einen Bruchteil des Projektmaterials zum Haas-Haus sichtbar. Dieses wiederum stellt nur etwa 1,5
% des gesamten Materials des Archivs Hans Hollein dar.
Kuratorin: Mechthild Ebert, Az W
Ausstellungsgestaltung: Alexander Barina
Ausstellung: 13.06. - 19.08.2019, Az W Galerie
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