Digitalisierung nur mit zusätzlichen Fachkräften
 und flexiblem Bildungssystem zu schaffen

 

erstellt am
12. 06. 19
13:00 MEZ

Linz (biz-up) - Den steigenden Fachkräftebedarf schaffen wir nur mit Menschen aus EU-Drittstaaten. Und die Herausforderungen der Digitalisierung meistern wir nur mit lebenslangem Lernen und einem flexibleren Bildungssystem. Das ist das Ergebnis einer Studie im Auftrag der oö. Standortagentur Business Upper Austria.

Digitale Kompetenzen erlernen und vermitteln ist ein zentraler Standortfaktor in Oberösterreich. Nur so bleiben Unternehmen wettbewerbsfähig und Menschen beruflich auf dem Laufenden. Der vom Land OÖ, dem AMS OÖ und der oö. Standortagentur Business Upper Austria gegründete Qualifizierungsverbund „Digitale Kompetenz“ bietet Unternehmen und deren Mitarbeiter eine Möglichkeit, sich durch Schulungen auf den digitalen Wandel vorzubereiten. Um den Qualifizierungsverbund zu evaluieren und zu verbessern, wurde die 3s Unternehmensberatung mit der Studie „Digitalisierung weiterdenken“ beauftragt.

Studie über Weiterbildung
Einerseits erhob die Studie, welche Weiterbildungsmaßnahmen im Bereich digitaler Kompetenzen in Oberösterreich und angrenzenden Bundesländern angeboten werden. Andererseits wurde in qualitativen Interviews der Weiterbildungsbedarf in Unternehmen erhoben. Aus den Ergebnissen leiteten die Studienautoren auch Empfehlungen ab.

Überangebot an Programmier-Kursen
Bei der Analyse des bestehenden Schulungsangebots stellte sich heraus, dass die meisten Kurse spezielle Software- und Programmierkenntnisse vermitteln, vor allem im Bereich CAD, CNC und Steuerungstechnik. Das Angebot an Schulungen zu Querkompetenzen wie Innovation oder soziale Kompetenzen sind eher unterrepräsentiert. Auch Angebote zu Management, Unternehmensprozessen und neuen Produktionstechnologien im Zusammenhang mit der Digitalisierung sind eher selten.

Diskrepanz Angebot-Bedarf
Aus den Interviews mit den Unternehmen ergaben sich Diskrepanzen zwischen Angebot und Bedarf. Es fehlt an Basiskursen, Seminaren zur Datensicherheit, Angeboten zum Führen von internationalen und virtuellen Teams, Programmieren von Web-Anwendungen und Apps sowie niederschwelligen Angeboten, in denen neue Technologien einfach ausprobiert werden können. Auch das Finden geeigneter Trainer ist mitunter eine kaum bewältigbare Herausforderung.

Fehlende niederschwellige Angebote
Aus diesen Ergebnissen leitete die 3s Unternehmensberatung zahlreiche Empfehlungen ab. Kurzfristig sollten Unternehmen – vor allem KMU – bei der Entwicklung einer Digitalisierungsstrategie unterstützt werden. Noch immer gibt es Mitarbeiter, die keinen Bezug zum Internet haben und nicht mit einem Smartphone umgehen können. Für sie braucht es Kurse, die digitale Grundkompetenzen vermitteln. Von zentraler Bedeutung sind auch Schulungen zur Datensicherheit, um Unternehmen vor Cyberangriffen zu schützen. Häufig nehmen nur jüngere Mitarbeiter digitale Weiterbildungen in Anspruch. Daher sollte es für alle Mitarbeiter niederschwellige Angebote zum Ausprobieren von Technologien geben.

Arbeitsrechtliche Empfehlungen
Kurzfristig wird der Fachkräftebedarf in der IT laut den Experten nur mit ausländischen Fachkräften zu decken sein. Sie empfehlen daher der Politik arbeitsrechtliche Änderungen, etwa im Bereich der Rot-Weiß-Rot-Karte für ausländische Schlüsselkräfte sowie die Verfügbarkeit der dazugehörigen Informationen in vielen Sprachen. Ebenso ist es wichtig, dass Arbeitsgenehmigungen für Menschen aus Drittländern sowie Änderungen bei der Bewertung und Anerkennung der Vorkenntnisse von Migranten aus Nicht-EU-Ländern rascher erfolgen.

Umschulungen zur Bedarfsdeckung
Mittel- und langfristig empfiehlt die Studie, den Fachkräftebedarf durch Umschulungen in den Unternehmen zu decken. Hier brauche es eine engere Zusammenarbeit zwischen Betrieben und dem AMS. Auch die Weiterbildungsanbieter sollten sich stärker mit Unternehmen austauschen, um geeignete Trainer zu finden und zu wissen, welchen Schulungsbedarf in IT und Mechatronik die Wirtschaft konkret hat.

Qualifizierungsverbund ausbauen
Die Unternehmen wünschen sich außerdem Hilfe beim Erkennen ihres Schulungsbedarfs und beim Entwickeln einer geeigneten Strategie. Hier loben sie die Vernetzungsveranstaltungen des Qualifizierungsverbundes „Digitale Kompetenz“, weil der Austausch mit anderen neue Ideen liefert. Der Qualifizierungsverbund sollte dahingehend auch ausgebaut werden. Ganz oben auf der Wunschliste der Betriebe steht auch eine unabhängige Plattform für digitales Lernen, auf der Schulungsinhalte gesammelt abrufbar sind.

Bildungssystem mangelhaft
Der Großteil der Experten kritisierte, dass das Bildungssystem nicht ausreichend auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereite. In der Schule sollte ein Basisverständnis der Digitalisierung vermittelt werden – etwa in Fächern wie Mathematik, Elektrotechnik-Grundlagen, IT-Grundlagen oder Mechatronik. Individualisierte Ausbildungswege fehlen, eine stärkere Kooperation der schulischen Ausbildung von der Volksschule weg mit der Praxis, also Unternehmen, wäre ebenso wünschenswert wie Initiativen analog zu „Lehrer in die Wirtschaft“. Hier arbeiten Lehrer in Unternehmen und erhalten so Einblick in die tägliche wirtschaftliche Praxis.

Strategische Begleitmaßnahmen
Außerdem müssten Lehr- und Ausbildungspläne im Zeitalter des digitalen Wandels schneller auf Änderungen reagieren können. Derzeit dauert es sieben bis zehn Jahre, um einen Lehrplan zu ändern. Vor dem Hintergrund der Digitalisierung ist das natürlich viel zu lang. Es braucht in diesem Zusammenhang außerdem Bewusstseinsbildung für Lebenslanges Lernen. Unterstützende strategische Begleitmaßnahmen sollten den Qualifizierungsverbund „Digitale Kompetenz“ stärken, beispielsweise durch eine Beratungs- oder Förderstelle für Unternehmen. Förderungen der öffentlichen Hand spielen ebenfalls eine wichtige Rolle.

Qualifizierungsverbund „Digitale Kompetenz“
Der Qualifizierungsverbund „Digitale Kompetenz“ unterstützt Unternehmen bei der betrieblichen Weiterbildung zur Förderung digitaler Kompetenzen. Die Schulungen werden vom AMS OÖ und vom Wirtschaftsressort des Landes OÖ gefördert. Der Verbund ist Teil der „Leitinitiative Digitalisierung“ des Landes, die Oberösterreich fit für die digitale Zukunft macht. Die oö. Standortagentur Business Upper Austria koordiniert die Umsetzung.
http://www.digitalregion.at/digitalskills

„InnoPeer AVM“
Das Interreh Central Europe Projekt „InnoPeer AVM“ ist ein Qualifizierungsprogramm für Industrie 4.0. Es wird speziell für Mitarbeiter von KMU in Zentral- und Osteuropa angeboten. Der Mechatronik-Cluster ist für die Koordination verantwortlich. Ein internationales Projektteam aus Deutschland, Ungarn, Polen und Italien unterstützt dabei. Die Teilnahme am Lehrgang ist für Unternehmen aus Zentral- und Osteuropa kostenlos.
http://www.digitalregion.at/schwerpunkte/ausbildung-qualifizierung

 

 

 

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