Von Epilepsiechirurgie bis Canabidiol

 

erstellt am
12. 06. 19
13:00 MEZ

Neueste medizinische Erkenntnisse in der Behandlung von Epilepsie
Linz (keplerklinikum) - Am 14. Juni findet in Linz zum sechsten Mal die Epilepsie Masterclass, eine österreichweite Fortbildungsveranstaltung für Neurologinnen bzw. Neurologen sowie Ausbildungsärztinnen bzw. -ärzte dieses Fachbereichs am Neuromed Campus des Kepler Universitätsklinikums statt. International renommierte Expertinnen und Experten referieren für Fachmediziner/-innen über die neuesten Erkenntnisse in der Behandlung von Epilepsie.

„Epilepsie ist eine der häufigsten neurologischen chronischen Erkrankungen und betrifft ca. 45.000 Menschen in Österreich, also ca. 8.000 Menschen in Oberösterreich. Alleine in Oberösterreich erkranken jeden Tag drei Menschen neu an Epilepsie. Während in der Vergangenheit mehr als die Hälfte der Epilepsieerkrankungen bereits im Kindesalter diagnostiziert wurden, ist aufgrund der zunehmenden Lebenserwartung jetzt die Mehrzahl der Neuerkrankungen bei den über 65-Jährigen festzustellen. Wir legen sehr großen Wert darauf, neueste Erkenntnisse in der Behandlung von Epilepsie einzusetzen“, erklärt Prim. Priv.-Doz. Tim J. von Oertzen, Vorstand der Klinik für Neurologie 1 am Kepler Universitätsklinikum.

Therapiemöglichkeiten
Themen der diesjährigen Fortbildung ranken sich um die Therapie. So gibt es Vorträge über die Transitionsambulanzen – das sind Ambulanzen, in denen Kinderärztinnen bzw. -ärzte und Neurologinnen bzw. Neurologen die jugendlichen Patienten zusammen betreuen und so eine ideale Überführung in die Erwachsenenbetreuung vorbereiten können. Dicht an dieses Thema gekoppelt ist auch die Versorgung von Epilepsie bei Menschen mit Behinderung.

Antieptileptika
Etwa zwei von drei Patientinnen oder Patienten mit Epilepsie werden mit der Einnahme des ersten oder zweiten Antiepileptikums anfallsfrei. Spätestens nach drei bis fünf Jahren sollte Klarheit bestehen, ob dies erreicht werden kann.

Komplexer wird die Therapieplanung, wenn die ersten beiden Medikamente nicht zum gewünschten Erfolg führen. Zunächst sollte die Diagnose und das Epilepsiesyndrom durch Untersuchungen bestätigt werden. Wenn eine fokale Epilepsie vorliegt, sollte eine Abklärung für einen epilepsiechirurgischen Eingriff erfolgen. Liegt eine andere Epilepsie vor oder ist dies nicht möglich, kann eine Kombinationstherapie von Antiepileptika erfolgversprechend sein, wobei es auf die richtige Wahl ankommt. Bei über 15 verschiedenen zugelassenen Antiepileptika ist hier großes Fachwissen gefragt.

Heilung durch chirurgischen Eingriff (Operation)
Liegt nach Einsatz von zwei Medikamenten keine Anfallsfreiheit vor, ist bei fokaler Epilepsie eine Operation (Epilepsiechirurgie) sinnvoll. Eine ausführliche Abklärung der Möglichkeiten und intensive Beratung erfolgen in der Klinik für Neurologie 1 des Kepler Universitätsklinikums am Standort Neuromed Campus. Dabei werden neben der genauen Erhebung der Krankengeschichte auf der Epilepsie-Monitoring-Unit Anfälle aufgezeichnet, spezielle MRT- und PET-Untersuchungen und eine neuropsychologische Testung als Basisuntersuchungen durchgeführt. Ist ein epilepsiechirurgischer Eingriff, der an der Universitätsklinik für Neurochirurgie des Kepler Universitätsklinikums durchgeführt wird, möglich, besteht die Chance, die Epilepsie zu heilen.

Canabidiol
Besondere Aufmerksamkeit haben in den letzten zwei Jahren die positiven Therapiestudien mit Canabidiol, einem spezifischen Inhaltsstoff der Hanfpflanze, bei kindlichen Epilepsiesyndromen (Dravet-Syndrom, Lennox-Gastaut-Syndrom) erregt. Studien für nachgewiesene Wirksamkeit bei Erwachsenenepilepsien fehlen jedoch bisher.

Epilepsien und Autoimmunerkrankungen
Epilepsien können aber auch von Veränderungen im Immunsystem und Autoimmunkrankheiten hervorgerufen werden. Im Rahmen dieser Ursache für Epilepsie sind in den letzten zehn Jahren große medizinische Fortschritte erzielt worden. Durch die Feststellung von bestimmten Antikörpern im Blut oder im Nervenwasser von den Patientinnen bzw. Patienten kann die autoimmunologische Ursache nachgewiesen werden und so neben der antiepileptischen Behandlung auch eine Unterdrückung des Immunsystems mit speziellen Medikamenten erfolgen. Wenn auch insgesamt diese Ursache der Epilepsie selten zugrunde liegt, führt es bei den betroffenen Patientinnen bzw. Patienten zu einer maßgeblichen Verbesserung der Behandlungsfähigkeit.

Altersepilepsie
Die Altersepilepsie stellt die Neurologinnen und Neurologen vor besondere Herausforderungen. Zum einen äußern sich Anfälle im Bereich der Altersmedizin symptomärmer, oftmals nur durch Verwirrtheitsepisoden, zum anderen muss bei den häufig zusätzlich vorliegenden Erkrankungen anderer Organsysteme (z.B. Herz, Niere) oder auch Interaktionen mit anderen schon bestehenden Dauermedikationen, besondere Kenntnis bei der Auswahl der entsprechenden Antiepileptikatherapie walten.

Was tun, wenn ein epileptischer Anfall auftritt? Wie verhalte ich mich richtig?
Epileptische Anfälle können sehr unterschiedlich ausfallen. Der im Volksmund am meisten mit Epilepsie in Zusammenhang gebrachte Anfall ist der „generalisiert tonisch klonische Anfall“. Bei diesem Anfall verliert die oder der Betroffene das Bewusstsein, fällt zu Boden, der ganze Körper versteift sich und anschließend entsteht ein rhythmisches Zucken. Die bzw. der Betroffene kann während dieser Zeit im Gesicht blau anlaufen, weil die kontinuierliche Sauerstoffzufuhr durch die Verkrampfung der Muskulatur vermindert ist.

In der Regel dauern diese Anfälle mit der Phase der Versteifung und der rhythmischen Zuckungen weniger als zwei Minuten an. Wird man Zeuge eines solchen Anfalls, sollte man am Anfang bereits auf die Uhr schauen, um zu überprüfen, wie lange dieser Anfall dauert. Während des Anfalls ist darauf zu achten, dass die oder der Betroffene sich nicht verletzt, gegebenenfalls kann etwas Weiches unter den Kopf gelagert werden und Möbelstücke oder Ähnliches sollten zur Seite zu geräumt werden. Auf keinen Fall sollte etwas in den Mund geschoben werden, um einen Zungenbiss zu vermeiden, da hierbei die Gefahr besteht, dass Zähne abgebrochen werden oder auch Dinge, die in den Mund geschoben werden, abgebissen werden und dann von der Patientin oder vom Patienten verschluckt werden oder im schlechteren Fall sogar in die Luftröhre gelangen können.

Wenn die Zuckungen vorbei sind, sollte die Patientin bzw. der Patient in eine stabile Seitenlage gedreht werden, damit sowohl die überschießende Speichelproduktion ablaufen kann, gegebenenfalls auch Blutbeimengungen nach Zungenbiss aus dem Mund ablaufen können und nicht fälschlicherweise eingeatmet werden.

Sollten die Phase der Verkrampfung und Zuckung länger als fünf Minuten dauern, ist die Rettung zu alarmieren. Ist die Phase bereits früher vorbei, kann zunächst abgewartet werden. In der Regel ist die Patientin oder der Patient zunächst nicht ansprechbar, klart dann aber mit zunehmender Zeit auf.

Wenn die oder der Betroffene bisher nicht an Epilepsie leidet, sollte eine Rettung verständigt werden. Wenn eine Epilepsie bekannt ist, kann zunächst zugewartet werden bis die bzw. der Betroffene aufklart und dann entschieden werden, ob eine Einlieferung ins Krankenhaus notwendig ist oder ob dieser Anfall im Bereich der bekannten Anfälle ist.

Anfälle können sich auch anders gestalten, z.B. durch kurze Abwesenheitsepisoden, in denen u.a. Starren, Lippenlecken, Schluckbewegungen und Nestelbewegungen der Hände erfolgen können. Während dieser Zeit antwortet die oder der Betroffene meist nicht und ist nicht reagibel. Die Anfallsdauer ist ebenfalls meistens geringer als zwei Minuten, auch hier zählt die Fünf-Minuten-Grenze zur Alarmierung der Rettung.

Wenn der Anfall vorbei ist und die Patientin oder der Patient wieder reagibler wird, kann es durchaus sein, dass er für einige Zeit noch verwirrt erscheint. Dies sollte sich innerhalb von wenigen Minuten ergeben. Wichtig ist, die Person während dieser Zeit nicht unbeaufsichtigt zu lassen. Manche Betroffene fangen an sich zu bewegen. Hier ist zu beachten, dass keine Treppenstürze oder Überquerungen von Straßen mit Verletzungsgefahr passieren.

Generell sollte man die Patientinnen oder Patienten nicht unnötig festhalten, da sie in dieser Phase aufgrund des Nichtverständnisses eher aggressiv reagieren können.

Epilepsie ist eine Erkrankung, die jeden treffen kann. Es gibt sogar sogenannte Gelegenheitsanfälle, d.h. epileptische Anfälle, die aber nicht wiederholt auftreten und daher keine Epilepsie darstellen. Solche Anfälle können nach starkem Alkoholkonsum (besonders am Tag darauf), nach Drogenkonsum, bei exzessivem Schlafentzug, aber auch bei fieberhaften Erkrankungen oder im Akutfall bei einer Gehirnerschütterung oder schwereren Gehirnverletzungen auftreten. Man kann sich also durch eine gesunde Lebensweise vor Epilepsie und epileptischen Anfällen so gut wie möglich schützen.

 

 

 

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