EU will bis 2050 klimaneutral sein

 

erstellt am
19. 06. 19
13:00 MEZ

Pläne der EU-Kommission zur drastischen Senkung der Treibhausgasemissionen Thema im EU-Ausschuss
Brüssel/Wien (pk) - Der Klimawandel stellt die Politik vor große Herausforderungen. Im EU-Ausschuss des Bundesrats verdeutlichten am 18. Juni alle Fraktionen, Maßnahmen gegen die globale Erwärmung und ihre destabilisierenden Folgen setzen zu wollen. Unterschiede gibt es allerdings im angestrebten Ausmaß der Klimaschutzmaßnahmen auf europäischer und nationaler Ebene. Während die SPÖ auf die unverzügliche Umsetzung der EU-Klimaschutzziele pocht, raten ÖVP und FPÖ Europa, gemeinsam mit den größten CO2-Emittenten USA und China auf eine klimaneutrale Wirtschaft hinzuarbeiten. In ihrem Strategiepapier zur Klima- und Energiepolitik skizziert die Europäische Kommission in acht Szenarien ihre Vision einer Wirtschaft, die ohne die nachweislich klimaschädigenden Treibhausgasemissionen auskommt. Aufgegriffen wird unter anderem die Neugestaltung der Energieversorgung, die unionsrechtlich derzeit nationale Kompetenz ist.

Gemäß EU-Vorgaben muss Österreich bis zum 1. Jänner 2020 eine nationale Langfriststrategie zur drastischen Senkung von Treibhausgasemissionen bis 2050 an die Europäische Kommission übermitteln. Laut Nachhaltigkeitsministerium haben die Arbeiten dazu bereits begonnen, eine öffentliche Konsultation sei geplant. Zur Erreichung der Treibhausgasneutralität in Europa bis zur Mitte des Jahrhunderts bedürfe es nicht nur einer Transformation des gesamten Energie-, Mobilitäts- und Wirtschaftssystems, sondern auch eines gesellschaftlichen Wandels, ist das Ministerium mit dem Bundeskanzleramt einer Meinung. Wirtschaftskammer (WKÖ) und Landwirtschaftskammer (LWK) bekannten sich in der Ausschussdebatte zwar ebenfalls zum Klimaschutz, gaben aber zu bedenken, die EU dürfe sich mit ihrer Klimastrategie nicht selbst schaden. So warnte der WKÖ-Vertreter, Firmen könnten aufgrund zu restriktiver Auflagen in Europa abwandern. Gegen überschießende Produktionseinschränkungen sprach sich der LWK-Experte angesichts des wachsenden Lebensmittelbedarfs weltweit aus.

EU-Kommission strebt sozial gerechte Dekarbonisierung an
"Ein sauberer Planet für alle", so betitelt die Europäische Kommission ihr Strategiepapier zur Klima- und Energiepolitik der Union. In der Mitteilung dazu heißt es, bis zum Jahr 2050 sei kostenwirksam ein sozial gerechter Übergang zu null Netto-Treibhausgasemissionen zu erreichen. Beispielsweise seien regionale Verlierer der Energiewende durch Ausgleichsmechanismen zu unterstützen, erklärte der Experte des Nachhaltigkeitsministeriums auf Nachfrage von Monika Mühlwerth (FPÖ/W). Gemäß dem 2015 in Paris verabschiedeten UN-Klimaschutzabkommen ist der weltweite Temperaturanstieg deutlich unter 2°C zu halten und möglichst auf 1, 5 °C zu begrenzen. Die EU müsse bis Mitte des Jahrhunderts Klimaneutralität erreichen, wenn sie für die Welt wegweisend sein will, hält die Kommission fest.

Das Senken der Emissionen soll mit wachsendem Wohlstand und höherer Lebensqualität einhergehen, was die Wirtschaftskammer durchaus begrüßt. Die Wirtschaf werde in die Klimastrategie miteinbezogen. Für den Weg zu einer treibhausgasneutralen Wirtschaft skizziert die Kommission die Bereiche, in denen unionsweite Maßnahmen erforderlich sind: Energieeffizienz, Nutzung erneuerbarer Energien, saubere, sichere und vernetzte Mobilität, wettbewerbsfähige Industrie und Kreislaufwirtschaft, Infrastruktur und Netzverbindungen, Biowirtschaft und natürliche CO2-Senken sowie CO2-Abscheidung und -Speicherung für die verbleibenden Emissionen. Entsprechende Rahmenbedingungen sollten aus Sicht der WKÖ aber nicht nur in Europa gelten. Immerhin sei die EU lediglich für 10% der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich, bestätigten Sonja Zwazl (ÖVP/N) und Mühlwerth, wobei Letztere auch Zweifel an der alleinig menschengemachten Klimaveränderung anführte. Europa dürfe jedenfalls im globalen Wettbewerb nicht aufgrund eigener Klimaauflagen zurückbleiben, sind beide Bundesrätinnen einig.

Teilweise Kritik an EU-Klimaplan von Ländern und Bund
Die Bundesländer stehen dem Kommissionsvorhaben grundsätzlich positiv gegenüber, Kritik gibt es aber an Details zur Umsetzung der Strategie. Christian Buchmann (ÖVP/St) wies dabei auf gemeinsame Länderstellungnahmen hin, in denen der Subsidiaritätsgrundsatz bei EU-Klimavorgaben hochgehalten wird. So sei der Plan, durch Energieeffizienzmaßnahmen bis zum Jahr 2050 den Energieverbrauch um bis zu 50% gegenüber dem Jahr 2005 zu reduzieren, nicht als verbindliche nationale Einsparquote zu verstehen, da jedes EU-Land diese selbst festlegen könne, heißt es in einer Stellungnahme. Im Zusammenhang mit der Energieversorgung weisen die Länder auf das Recht jedes Mitgliedstaats hin, zwischen verschiedenen Energiequellen selbständig zu wählen. Ein verbindlicher Umstieg auf erneuerbare Energieträger sei daher ebenso abzulehnen wie eine Vorschrift, die auf eine erhebliche Ausweitung der Stromerzeugungskapazitäten bis auf das 2,5-fache der heutigen Werte abzielt. Problematisch seien auch unionsweite Regelungen zur Energiebesteuerung, da über das Steuerrecht den Mitgliedstaaten ein bestimmter Energiemix aufgezwungen werden könne.

Dem Nachhaltigkeitsministerium missfällt an der EU-Strategie, dass die Europäische Kommission die Möglichkeiten von Nuklearenergie sowie CO2-Abscheidung und -Speicherung ("Carbon Capture and Storage") in allen vorgeschlagenen Szenarien zur Emissionsreduktion aufgreift. Ein Szenario, das auf 100% erneuerbaren Energieträgern beruht, fehle dagegen. Atomkraft dürfe im Rahmen der Dekarbonisierung keinen Aufschwung erhalten, unterstrich Zwazl, die sich stattdessen für mehr Investitionen in Technologien für erneuerbare Energien stark machte. Besonders Speicherungsmöglichkeiten, etwa von Windkraft, seien zu entwickeln, meinte dazu Stefan Schennach (SPÖ/W). Österreich müsse hier mehr in entsprechende Forschungen investieren. Ungeachtet dessen dürfe Europa nicht auf andere Wirtschaftsräume warten, um entschlossen gegen den Klimawandel vorzugehen, sondern habe seinen Teil jetzt beizutragen, so der Sozialdemokrat.

Klimawandel gefährdet Sicherheit und Wohlstand
Wird die seit der Industrialisierung rapide voranschreitende Erderwärmung nicht gebremst, scheitert aus Sicht der Kommission die auf Sicherheit und Wohlstand ausgerichtete Entwicklung Europas. Wirtschaft, Nahrungsmittel-, Wasser- und Energieversorgung würden durch vermehrte Hitzeperioden und Wetterkapriolen massiv beeinträchtigt, was weitere Konflikte auslöse und den Migrationsdruck verstärke. Im ersten Quartal 2020 will die EU den Vereinten Nationen eine ehrgeizige Strategie zur Erreichung der Klimaschutzziele von Paris übermitteln. Ausgearbeitet werden soll der Maßnahmenplan im Zusammenwirken aller EU-Organe, der nationalen Parlamente, Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen, Städte und Gemeinden sowie Bürger und Bürgerinnen, wobei die Kommission besonders die Jugend zur Mitarbeit auffordert. Konkrete Auswirkungen von EU-Klimaschutzvorgaben auf die Bevölkerung brachte Peter Samt (FPÖ/St) in Verbindung mit der Bauordnung zur Sprache. Null-Emissionen beim Hausbau wären wohl mit modernen Bautechniken möglich, würden aber die Kosten für ein Gebäude bis auf das Doppelte steigern. Die EU müsse deswegen leistbare Technologien entwickeln, sodass die CO2-Reduktion tatsächlich realisiert werden kann. Seitens der Landwirtschaftskammer wurde bemerkt, die Agrarwirtschaft sei der vom Klimawandel am meisten betroffene Sektor. Von der Tierhaltung bis zum Einsatz von Düngemitteln liefen Prozesse zur Emissionsminderung, wiewohl die LandwirtInnen nur begrenzt zum CO2-Ausstieg beitragen könnten.

Politischen Meinungen, die den menschlichen Einfluss auf den Klimawandel anzweifeln, hält Brüssel neben wissenschaftlichen Daten auch die verbreitete Sicht der Bevölkerung entgegen. Laut dem letzten Eurobarometer-Sonderbericht (November 2018) sind 93% der europäischen Bürgerinnen und Bürger davon überzeugt, dass der Klimawandel menschengemacht ist. 85% stimmen zu, dass Klimaschutz und effizientere Energienutzung in Europa Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze schaffen können.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
https://www.parlament.gv.at

 

 

 

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