Brüssel mahnt Strukturreformen zur nachhaltigen
 Sicherung des österreichischen Gesundheits- und
 Pensionssystems ein

 

erstellt am
19. 06. 19
13:00 MEZ

EU-Ausschuss des Bundesrats diskutiert über Stabilitätsprogramm und länderspezifische Empfehlungen der EU
Brüssel/Wien (pk) – Die Europäische Union zeigt sich zwar grundsätzlich zufrieden bezüglich der Einhaltung des Wachstumspakts durch Österreich, sieht aber Handlungsbedarf bei der nachhaltigen Sicherung des Gesundheits- und Pflegesystems sowie beim Pensionssystem und empfiehlt Strukturreformen. Diese Kernaussagen der Stellungnahme Brüssels zum österreichischen Stabilitätsprogramm und zum nationalen Reformprogramm waren am 18. Juni Gegenstand einer Debatte im EU-Ausschuss des Bundesrats. Auf der Tagesordnung standen überdies auch die länderspezifischen Empfehlungen des Rates zu den jeweiligen Reform- und Stabilitätsprogrammen der Mitgliedstaaten.

Im Einzelnen attestiert die Kommission zunächst, dass Österreich die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts vollständig einhält und das mittelfristige Haushaltsziel eines strukturellen Defizits von 0,5% des BIP im gesamten Programmzeitraum übertrifft. Die der mittelfristigen Haushaltsplanung zugrunde liegenden Risiken erscheinen aus EU-Sicht moderat und betreffen in erster Linie die angekündigte Umsetzung von Sparmaßnahmen in der öffentlichen Verwaltung. Langfristig bestehen Risiken in Bezug auf die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen.

Ausgehend von dieser Analyse richtet die Kommission an Österreich die Empfehlung, die Tragfähigkeit des Gesundheits- und Langzeitpflegesystems sowie des Pensionssystems auch durch eine Anpassung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters zu gewährleisten und darüber hinaus die Steuerlast vom Faktor Arbeit auf Quellen zu verlagern, die einem inklusiven und nachhaltigen Wachstum stärker förderlich sind. Handlungsbedarf ortet die Kommission auch bei der Unterstützung der Vollbeschäftigung von Frauen – dies etwa durch ein verbessertes Kinderbetreuungsangebot – und bei der Verbesserung der Grundkompetenzen benachteiligter Gruppen wie etwa Menschen mit Migrationshintergrund.

EU attestiert Fortschritte bei länderspezifischen Empfehlungen, pocht aber auf Umsetzung weiterer Reformen
Weiters merkt die Europäische Kommission an, dass seit der Einführung des Europäischen Semesters 2011 in mehr als zwei Drittel aller länderspezifischen Empfehlungen zumindest einige Fortschritte erzielt werden konnten. Auch in Hinblick auf die Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte gibt es aus Sicht der Kommission eindeutig Fortschritte. Trotz des positiven Trends wird aber die konsequente Umsetzung weiterer Reformen innerhalb der Europäischen Union empfohlen. Diese Strukturreformen sollen insbesondere das Potenzialwachstum erhöhen, Investitionsengpässe verringern, inklusives Wachstum und die Kreislaufwirtschaft fördern, bürokratische und fiskalische Belastungen abbauen und Forschung und Entwicklung forcieren. Was die öffentliche Verschuldung betrifft, gilt es aus Sicht der Kommission vor allem auch, die aktuelle gute konjunkturelle Situation zu nützen, um einen fiskalischen Puffer aufzubauen.

Seitens des Bundeskanzleramts werden die Empfehlungen der Europäischen Kommission positiv wahrgenommen. Trotz ungünstiger Rahmenbedingungen werde das Wachstum wohl auch noch 2020 für alle EU-Mitgliedstaaten anhalten. Das Rekordhoch bei der Beschäftigung, respektive das Rekordtief bei der Arbeitslosigkeit stimmten ebenso positiv. Auf diesen Fortschritten sollte man aufbauen und ein nachhaltiges und inklusives Wachstum vorantreiben, meinte die Vertreterin des Bundeskanzleramts, die als Auskunftsperson den BundesrätInnen im Ausschuss Frage und Antwort stand. Dabei sollte die Verantwortung für die Haushaltspolitik nicht aus den Augen verloren und, wie von der Europäischen Kommission neuerdings vorgeschlagen, mit Investitionsstrategien in Zukunftsbereichen begleitet werden. Auch der Experte vom Finanzministerium zeigte sich über das Übertreffen der Haushaltsziele und die moderaten Risiken im kurz- und mittelfristigen fiskalischen Bereich erfreut. Österreich werde die Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts auch weiterhin erfüllen, sagte er zuversichtlich.

Während von der Arbeiterkammer die vorgeschlagenen Maßnahmen der Europäischen Kommission zur Steuerpolitik sowie die Empfehlung der Einbindung der Sozialpartner begrüßt werden, sieht sie die Empfehlungen bezüglich des Pensionssystems kritisch, erklärte deren Vertreter. Das Pensionsantrittsalter an die steigende Lebenserwartung anzupassen, hält die AK vor dem Hintergrund eines Pensionsautomatismus für ungerecht und unangebracht. Österreich sollte über die Art der Sicherstellung der Tragfähigkeit des Pensionssystems selbst entscheiden können, sagte er. Die Wirtschaftskammer vertrat dazu eine andere Ansicht. An der Anhebung des Pensionsantrittsalters führe kein Weg vorbei, um die Finanzierbarkeit des Gesundheitssektors zu sichern. Auch gelte es, die Steuerquote in Österreich zu senken und den Faktor Arbeit zu entlasten ohne neue Steuern einzuführen, so der im Ausschuss anwesende Vertreter der WKÖ.

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ/W) sagte zu den Empfehlungen aus Brüssel, dass allgemeines Bewusstsein dafür herrsche, in welchen Bereichen man in Österreich nachjustieren müsse. Er hob die Aufforderung hervor, die Sozialpartner verstärkt an der Budgetplanung partizipieren zu lassen, sowie das sehr gute Gesundheitssystem in Österreich. Zu der von der Europäischen Kommission empfohlenen Strukturreform des Gesundheitssystems hielt Bundesrätin Marlene Zeidler-Beck (ÖVP/N) fest, dass der österreichische Gesundheitssektor äußerst hohe Stabilität und Versorgungssicherheit garantiere. Man dürfe in dieser Hinsicht nicht alleinig die Ausgaben, sondern müsste auch die Leistungen vergleichen, meinte sie. Im Bereich Digitalisierung gehöre Österreich zwar nicht zu den Vorreitern, jedoch wurden in den vergangenen Jahren viele Initiativen in diese Richtung gesetzt. Diesen Weg werde man fortsetzen, so Zeidler-Beck.

 

 

 

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