EU-Ausschuss des Bundesrats diskutiert über Stabilitätsprogramm und länderspezifische
Empfehlungen der EU
Brüssel/Wien (pk) – Die Europäische Union zeigt sich zwar grundsätzlich zufrieden bezüglich
der Einhaltung des Wachstumspakts durch Österreich, sieht aber Handlungsbedarf bei der nachhaltigen Sicherung
des Gesundheits- und Pflegesystems sowie beim Pensionssystem und empfiehlt Strukturreformen. Diese Kernaussagen
der Stellungnahme Brüssels zum österreichischen Stabilitätsprogramm und zum nationalen Reformprogramm
waren am 18. Juni Gegenstand einer Debatte im EU-Ausschuss des Bundesrats. Auf der Tagesordnung standen überdies
auch die länderspezifischen Empfehlungen des Rates zu den jeweiligen Reform- und Stabilitätsprogrammen
der Mitgliedstaaten.
Im Einzelnen attestiert die Kommission zunächst, dass Österreich die Regeln des Stabilitäts- und
Wachstumspakts vollständig einhält und das mittelfristige Haushaltsziel eines strukturellen Defizits
von 0,5% des BIP im gesamten Programmzeitraum übertrifft. Die der mittelfristigen Haushaltsplanung zugrunde
liegenden Risiken erscheinen aus EU-Sicht moderat und betreffen in erster Linie die angekündigte Umsetzung
von Sparmaßnahmen in der öffentlichen Verwaltung. Langfristig bestehen Risiken in Bezug auf die Tragfähigkeit
der öffentlichen Finanzen.
Ausgehend von dieser Analyse richtet die Kommission an Österreich die Empfehlung, die Tragfähigkeit des
Gesundheits- und Langzeitpflegesystems sowie des Pensionssystems auch durch eine Anpassung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters
zu gewährleisten und darüber hinaus die Steuerlast vom Faktor Arbeit auf Quellen zu verlagern, die einem
inklusiven und nachhaltigen Wachstum stärker förderlich sind. Handlungsbedarf ortet die Kommission auch
bei der Unterstützung der Vollbeschäftigung von Frauen – dies etwa durch ein verbessertes Kinderbetreuungsangebot
– und bei der Verbesserung der Grundkompetenzen benachteiligter Gruppen wie etwa Menschen mit Migrationshintergrund.
EU attestiert Fortschritte bei länderspezifischen Empfehlungen, pocht aber auf Umsetzung weiterer Reformen
Weiters merkt die Europäische Kommission an, dass seit der Einführung des Europäischen Semesters
2011 in mehr als zwei Drittel aller länderspezifischen Empfehlungen zumindest einige Fortschritte erzielt
werden konnten. Auch in Hinblick auf die Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte gibt es aus Sicht der
Kommission eindeutig Fortschritte. Trotz des positiven Trends wird aber die konsequente Umsetzung weiterer Reformen
innerhalb der Europäischen Union empfohlen. Diese Strukturreformen sollen insbesondere das Potenzialwachstum
erhöhen, Investitionsengpässe verringern, inklusives Wachstum und die Kreislaufwirtschaft fördern,
bürokratische und fiskalische Belastungen abbauen und Forschung und Entwicklung forcieren. Was die öffentliche
Verschuldung betrifft, gilt es aus Sicht der Kommission vor allem auch, die aktuelle gute konjunkturelle Situation
zu nützen, um einen fiskalischen Puffer aufzubauen.
Seitens des Bundeskanzleramts werden die Empfehlungen der Europäischen Kommission positiv wahrgenommen. Trotz
ungünstiger Rahmenbedingungen werde das Wachstum wohl auch noch 2020 für alle EU-Mitgliedstaaten anhalten.
Das Rekordhoch bei der Beschäftigung, respektive das Rekordtief bei der Arbeitslosigkeit stimmten ebenso positiv.
Auf diesen Fortschritten sollte man aufbauen und ein nachhaltiges und inklusives Wachstum vorantreiben, meinte
die Vertreterin des Bundeskanzleramts, die als Auskunftsperson den BundesrätInnen im Ausschuss Frage und Antwort
stand. Dabei sollte die Verantwortung für die Haushaltspolitik nicht aus den Augen verloren und, wie von der
Europäischen Kommission neuerdings vorgeschlagen, mit Investitionsstrategien in Zukunftsbereichen begleitet
werden. Auch der Experte vom Finanzministerium zeigte sich über das Übertreffen der Haushaltsziele und
die moderaten Risiken im kurz- und mittelfristigen fiskalischen Bereich erfreut. Österreich werde die Bestimmungen
des Stabilitäts- und Wachstumspakts auch weiterhin erfüllen, sagte er zuversichtlich.
Während von der Arbeiterkammer die vorgeschlagenen Maßnahmen der Europäischen Kommission zur Steuerpolitik
sowie die Empfehlung der Einbindung der Sozialpartner begrüßt werden, sieht sie die Empfehlungen bezüglich
des Pensionssystems kritisch, erklärte deren Vertreter. Das Pensionsantrittsalter an die steigende Lebenserwartung
anzupassen, hält die AK vor dem Hintergrund eines Pensionsautomatismus für ungerecht und unangebracht.
Österreich sollte über die Art der Sicherstellung der Tragfähigkeit des Pensionssystems selbst entscheiden
können, sagte er. Die Wirtschaftskammer vertrat dazu eine andere Ansicht. An der Anhebung des Pensionsantrittsalters
führe kein Weg vorbei, um die Finanzierbarkeit des Gesundheitssektors zu sichern. Auch gelte es, die Steuerquote
in Österreich zu senken und den Faktor Arbeit zu entlasten ohne neue Steuern einzuführen, so der im Ausschuss
anwesende Vertreter der WKÖ.
Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ/W) sagte zu den Empfehlungen aus Brüssel, dass allgemeines Bewusstsein
dafür herrsche, in welchen Bereichen man in Österreich nachjustieren müsse. Er hob die Aufforderung
hervor, die Sozialpartner verstärkt an der Budgetplanung partizipieren zu lassen, sowie das sehr gute Gesundheitssystem
in Österreich. Zu der von der Europäischen Kommission empfohlenen Strukturreform des Gesundheitssystems
hielt Bundesrätin Marlene Zeidler-Beck (ÖVP/N) fest, dass der österreichische Gesundheitssektor
äußerst hohe Stabilität und Versorgungssicherheit garantiere. Man dürfe in dieser Hinsicht
nicht alleinig die Ausgaben, sondern müsste auch die Leistungen vergleichen, meinte sie. Im Bereich Digitalisierung
gehöre Österreich zwar nicht zu den Vorreitern, jedoch wurden in den vergangenen Jahren viele Initiativen
in diese Richtung gesetzt. Diesen Weg werde man fortsetzen, so Zeidler-Beck.
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