Der Kampf der Frauen um Wahlrecht, Gleichberechtigung und Gipfelsiege – 150 Jahre Erstbesteigung
des Großglockners durch eine Frau
Salzburg (grohag) - Auf 2.400 m Seehöhe wurde 6. Juli die neue Dauerausstellung "Berg, die (Substantiv,
feminin) - Frauen im Aufstieg" auf der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe eröffnet. 300 Ehrengäste, allen
voran Gerlinde Kaltenbrunner, waren bei diesem großartigen Ereignis mit traumhaften Ausblicken auf einen
strahlenden Großglockner mit dabei.
Die Frauen auf dem Großglockner - erstmals gewürdigt!
Anlass für die neue Dauerausstellung war das 150-jährige Jubiläum der ersten dokumentierten
Besteigung/en des Großglockners durch eine Frau im Jahr 1869, die durch die Alpinistin Mary Whitehead aus
England (am 24. Juli) und die Salzburgerin Anna von Frey (aller Wahrscheinlichkeit nach am 25. August) erfolgte/n.
Ein entsprechendes Jubiläum wurde - im Gegensatz zu allen "männlichen Erstbesteigungen" - nie
gefeiert, weshalb dies im Jahr 2019, in dem auch 100 Jahre gelebtes Frauenwahlrecht begangen wird, nun nachgeholt
werden sollte.
Das Kuratoren-Team der Ausstellung - Sibylle Kampl, Andreas Zangl und Markus Meierhofer - versuchte auch in
enger Zusammenarbeit mit dem ÖAV der Frage auf den Grund zu gehen, welche Geschichte(n) sich hinter den Leistungen
der beiden ersten Glockner-Bezwingerinnen verbargen - und kam zu dem Schluss, dass vermutlich schon viel früher
andere Frauen den Gipfel des Großglockners bezwungen hatten. War die erste Frau am Großglockner am
30. Juni 1868 die unbekannte Einheimische - und deshalb als nicht "dokumentierenswert" erachtete - Kalserin
Elisabeth Hanser? Oder war es gar schon im September 1857 Sidonia Theres Schmidl aus Heiligenblut? Sie sei übrigens,
so ist es überliefert, von den (männlichen) Bergführern nur bis zum Kleinglockner begleitet worden,
um einer Frau den Triumph der Erst-besteigung des Großglockners zu verwehren. Einträge in Gipfelbüchern
und andere Aufzeichnungen legen jedenfalls nahe, dass bereits vor Whitehead und von Frey Einheimische und damit
von der Öffentlichkeit nicht beachtete Frauen am Gipfel gestanden sein dürften.
Zitate
Unter den prominenten Eröffnungsgästen: Die österreichische Ausnahme-Alpinistin Gerlinde Kaltenbrunner,
die als erste Frau der Welt alle 14 (!) Achttausender ohne zusätzlichen Sauerstoff und Hochträgerunterstützung
bewältigt hat. Im Gespräch mit Bergsteiger-Legende Sepp Forcher relativiert sie ihre alpinistischen Erfolge:
"Viele Leute sagen, ich hätte damit Geschichte geschrieben. Aber ich bin der Meinung, dass es da noch
ganz andere Frauen vor mir gegeben hat, auf die diese Behauptung viel eher zutrifft! Damals, vor 150 Jahren, als
eine Frau ausschließlich eine gute Ehefrau und Mutter zu sein hatte, haben einige unerschrockene Pionierinnen
mit ihrer Tapferkeit und ihrer enormen Beharrlichkeit andere Frauen ermutigt, ihren eigenen Weg zu gehen."
Und diese eignen Wege waren oft beschwerlich und gefährlich, wie die Geschichten der Alpinistinnen in der
Ausstellung verdeutlichen. Auch Landes-hauptmann Wilfried Haslauer zeigt sich angesichts der weiblichen berg-steigerischen
Leistungen beeindruckt: "Damals wie heute, sind es oft die so wichtigen Leistungen der Frauen, die zu wenig
oder mitunter überhaupt nicht gewürdigt werden. Schön, dass mit dieser Ausstellung die Bergsteigerinnen,
die Alpinistinnen, die Kletterinnen vor den Vorhang der Geschichte und damit aus der Vergessenheit geholt werden."
Auch die Kärntner Nationalpark- und Frauenreferentin Landesrätin Sara Schaar betont die Rolle der Frauen
als Vorreiterinnen im Gebirge: "Die Alpen sind weiblich und Frauen im Aufstieg! Es ist eine große Freude,
zu sehen, dass endlich einmal auch die sensa-tionellen Leistungen alpiner Pionierinnen in den Fokus der Aufmerksamkeit
gerückt werden. Die Geschichten dieser mutigen, zielstrebigen Frauen, egal ob sie privilegiert oder weniger
privilegiert waren, werden durch diese Ausstellung lebendig. Und sie ermutigen Mädchen und junge Frauen dazu,
ihren Weg zu gehen - auch abseits überholter Rollenbilder."
Nicole Slupetzky, Vizepräsidentin des Österreichischen Alpenvereins (ÖAV), zeigt sich erfreut: "Der
Großglockner, der höchste Berg Österreichs, blickt auf eine eindrucksvolle alpinistische Geschichte
zurück -es ist höchste Zeit geworden, dass auch einmal die weibliche Geschichte des Glockners unter die
Lupe genommen wurde!"
Johannes Hörl, Vorstand der Großglockner Hochalpenstraßen AG (GROHAG), freut sich über das
große Interesse an der Ausstellung: "Wie wir wissen, ist die Geschichtsschreibung oft eine rein männliche
- und genauso verhält es sich auch mit der Geschichte des Alpinismus. Darum werfen wir in unserer neuen Ausstellung
"Berg, die - Frauen im Aufstieg" einen Blick auf die weib-liche Seite des Bergsteigens und möchten
damit einen Beitrag zur Füllung dieser historischen Lücke leisten."
Ausstellungskuratorin Sibylle Kampl: "Besonders spannend war es für uns, im Zuge der Vorbereitung
für diese Ausstellung der Frage auf den Grund zu gehen, mit welchen gesellschaftlichen Vorurteilen und Hindernissen
all diese Frauen zu kämpfen hatten. Welchen Ungerechtigkeiten und Schwierigkeiten zum Trotz sie dann dennoch
die Berge für sich - und damit auch für alle nachkommenden Frauen - erobert haben.".
Zur Ausstellung "Berg, die" - Frauen im Aufstieg
Der Rundgang durch die Ausstellung im 2. Obergeschoß des Besucher-zentrums entführt die Gäste
in die weibliche Welt des Alpinismus vor rund 150 Jahren:
Zu Beginn der Ausstellung geht es um die Frage, ob es damals überhaupt Frauen in den Bergen gab. Und ja, die
gab es durchaus! Allerdings handelte es sich bei den ersten Alpinpionierinnen beinahe ausschließlich um privilegierte
Frauen aus aristokratischen und großbürgerlichen Kreisen - Frauen wie Kaiserin Elisabeth, Hortense de
Beauharnais oder Marie von Preußen wurden zu prominenten Vorbildern. Die alpine Bevölkerung dagegen
hatte zu dieser Zeit wenig Verständnis für die Abenteuer dieser wohlhabenden Damen, die in nobler Bekleidung
mit Rock, Bluse und Hut in die Berge gingen. Denn für viele einheimische Frauen war das Begehen der Berge
ganz alltäglich. Sie verdienten ihren Lebensunterhalt als Sennerin, als Botin, als Schmugglerin oder als Ehefrau
eines Bergführers oder Hüttenwirt. So manche wurde dabei als Lastenträgerin ungewollt zur Erstbesteigerin
- aber diese Leistungen wurden natürlich nicht dokumentiert und diese Frauen bleiben bis heute unerkannt und
unbekannt.
Ein weiterer Abschnitt der Ausstellung widmet sich ebenjenen Frauen - von gekrönt und adelig über bürgerlich
und wohlhabend bis hin zu einheimisch und arm - die als Pionierinnen des Alpinismus gelten. Angefangen bei der
Magd bzw. Kellnerin Marie Paradis, die 1808 überredet worden sein soll, auf den Mont Blanc zu steigen bis
hin zu den Französinnen, Britinnen oder Amerikanerinnen, die aus den starren Konventionen ihrer Zeit ausbrachen
und begannen, die Berge an der Seite ihre Ehemänner, aber auch durchaus allein, zu erobern. Oft nehmen diese
Pionierinnen auch in gesellschaftlicher Hinsicht eine Vorreiterrolle ein: Sei es als Kämpferinnen für
das Frauenwahl-recht, als Gründerin von sozialen Einrichtungen oder als Autorinnen in Zeit-schriften.
Vielen Bergsteigerinnen wurde früher vorgeworfen, sie seien unfähig zu wahrer Freundschaft und Kameradschaft
und daher nicht in der Lage, alpine Leistungen zu vollbringen. Auch heute noch haben sowohl Frauen aber auch Männer
in den unterschiedlichsten Lebensbereichen mit Vorurteilen zu kämpfen. An einer interaktiven Station können
die Besucherinnen und Besucher unter dem Motto "Schlag das Vorurteil!" anhand verschiedener Fragen herausfinden,
wie es denn so um die eigenen Vorurteile bestellt ist. Man darf auf die Ergebnisse gespannt sein!
Ingried Runggaldier, die Autorin des Buches "Frauen im Aufstieg", hat die Ausstellung insbesondere mit
Fotorechten unterstützt und ist "Namensgeberin" der Ausstellung.
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