49 Sitzungen, 127 Gesetzesbeschlüsse und ein erfolgreicher Misstrauensantrag
Wien (pk) - Am 27. Mai 2019 versagte die Nationalratsmehrheit von SPÖ, FPÖ und JETZT der gesamten
Regierung aus ÖVP und ExpertInnen das Vertrauen. Einstimmig beschlossen die Abgeordneten in weiterer Folge,
den Nationalrat am 29. September 2019 neu wählen zu lassen. Vorangegangen war diesen Beschlüssen der
"Ibiza-Skandal", infolge dessen FPÖ-Chef Heinz Christian Strache sowie der geschäftsführenden
FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus zurücktraten und die ÖVP ihre Koalition mit der FPÖ aufkündigte.
Diese Entwicklungen prägten nachhaltig das Bild der vergangenen Tagung, in der es aber auch zuvor ausreichend
politischen Zündstoff gab, etwa bei den Debatten zur Sozialversicherungsreform. Offizielles Tagungsende ist
der 9. Juli 2019.
Begonnen hat das jüngste Parlamentsjahr schon vor Tagungsbeginn. Bereits Anfang September starteten der Eurofighter-Untersuchungsausschuss
und der U-Ausschuss zum Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) mit den Befragungen.
Beide U-Ausschüsse mussten ihre Arbeit aber aufgrund des Neuwahlbeschlusses vorzeitig beenden. Neben den außertourlichen
Aktivitäten, zu denen nicht zuletzt der österreichische Ratsvorsitz zählte (siehe Parlamentskorrespondenz
Nr. 794/2019), ruhte die alltägliche Arbeit des Nationalrats nicht. So fanden in der jüngsten Tagungsperiode
49 NR-Plenarsitzungen mit einer Gesamtdauer von 257 Stunden und 33 Minuten statt. Beschlossen wurden dabei 127
Gesetze, dazu kamen 21 Staatsverträge und 3 Vereinbarungen mit den Bundesländern. 31,46% der Gesetzesbeschlüsse
erfolgten einstimmig.
Zusätzlich zu den Plenarsitzungen, von denen fünf Sondersitzungen auf Verlangen der Opposition waren,
absolvierten die MandatarInnen der fünf Nationalratsfraktionen seit letztem September 171 Ausschusssitzungen,
27 Unterausschusssitzungen und 66 Sitzungen der beiden Untersuchungsausschüsse. Für den Parteinamen JETZT
entschied sich vergangenen November die jüngste Fraktion im Nationalrat, die vormalige Liste Pilz.
Politische Kontrolle und gesetzliche Weichenstellungen durch Abgeordnete
Mit 9 Dringlichen Anfragen der Oppositionsparteien nahmen die Abgeordneten ihr politisches Kontrollrecht gegenüber
der Regierung außerhalb der Untersuchungsausschüsse wahr. Einmal nutzte dieses Instrument zudem die
damalige Regierungspartei FPÖ, um über die Sozialpolitik der Regierung zu diskutieren. Außerdem
debattierten die Mitglieder des Nationalrats im Plenum über 8 Dringliche Anträge und hielten 9 Kurze
Debatten zu schriftlichen Anfragebeantwortungen von Regierungsmitgliedern und Fristsetzungsanträgen, 9 Aktuelle
Stunden, 6 Fragestunden, 4 Europastunden und 17 Erste Lesungen ab. In 75 Entschließungen richteten die Abgeordneten
ihre Forderungen an die Regierung.
Dem Antrag auf vorzeitige Beendigung der XXVI. Gesetzgebungsperiode, eingebracht in der Sondersitzung vom 27. Mai
2019, als der Regierung das Misstrauen ausgesprochen wurde, stimmte der Nationalrat mit breiter Mehrheit zu.
In den Nationalratssitzungen vom 12. und 13. Juni – den ersten nach Einsetzung der Übergangsregierung aus
unabhängigen ExpertInnen – stellten die Abgeordneten auf eigene Initiative die Weichen für zahlreiche
Gesetzesbeschlüsse. Von 58 Fristsetzungsanträgen auf rasche Behandlung von Gesetzesmaterien nahmen sie
31 an. Neben Gesetzesanträgen der früheren Regierungsparteien ÖVP und FPÖ, etwa zum Verbot
von Plastiksackerln, kamen somit auch Vorstöße von SPÖ, NEOS und JETZT noch vor der Sommerpause
im Nationalratsplenum zur Abstimmung. Mit einigen Anträgen hatten die einstigen Oppositionsparteien Erfolg.
Beschlossen wurde beispielsweise der SPÖ-Initiativantrag auf volle Anrechnung von Zeiten der Elternkarenz
bei Gehaltsvorrückungen, eine NEOS-Initiative zur Beseitigung von letzten Hürden bei der "Ehe für
alle" und die JETZT-Initiative, das Pflegegeld an die Inflation anzupassen.
Auch im September könnte der Nationalrat im freien Spiel der Kräfte noch einige Beschlüsse fassen,
haben die Abgeordneten in den Juli-Sitzungen doch weitere 36 Fristsetzungsanträge – von mehr als 90 eingebrachten
– angenommen. Die nächste reguläre Nationalratssitzung ist für den 25. September – vier Tage vor
der Wahl – anberaumt, dazu sind jederzeit Sondersitzungen möglich.
Einer von sieben Misstrauensanträgen erfolgreich
Erstmals in der Geschichte der Zweiten Republik zeitigte ein Misstrauensantrag Erfolg: mehrheitlich versagte der
Nationalrat bei einer Sondersitzung am 27. Mai 2019 auf Antrag der SPÖ der Regierung von Bundeskanzler Sebastian
Kurz das Vertrauen. Ein in derselben Sitzung eingebrachter JETZT-Misstrauensantrag gegen Bundeskanzler Kurz wurde
angesichts des weitergehenden SPÖ-Misstrauensantrags nicht mehr abgestimmt.
Zuvor hatte die Opposition am häufigsten – insgesamt vier Mal in der letzten Tagung – dem damaligen Innenminister
Herbert Kickl ihr Misstrauen erklärt, unter anderem wegen seiner Aussage "das Recht muss der Politik
folgen". Erfolg hatten die Oppositionsparteien mit ihrer Rücktrittsaufforderung an den Minister mangels
erforderlicher Mehrheit aber nicht, ebenso scheiterte ein Misstrauensantrag gegen Ex-Vizekanzler Strache, dem die
SPÖ Verbindungen mit Rechtsradikalen vorwarf.
Ausgangspunkt der jüngsten politischen Umwälzungen, die zum Regierungsbruch beziehungsweise zum Misstrauensvotum
gegen die Regierung Kurz führten, bildete das sogenannte Ibiza-Video. Auf der spanischen Ferieninsel war 2017
ein Treffen von FPÖ-Chef Strache und seinem Parteikollegen Gudenus mit einer angeblichen russischen Geschäftsfrau
geheim gefilmt worden. Von Strache dabei getätigte Aussagen weckten unter anderem den Verdacht auf illegale
Parteienfinanzierung. Nachdem die ÖVP infolge der Ibiza-Aufnahmen auch den Rücktritt von Innenminister
Herbert Kickl – 2017 Generalsekretär der FPÖ – einforderte, legte die gesamte FPÖ-Regierungsriege
ihre Ämter nieder. Die Leitung der FPÖ-Ressorts übernahmen kurzzeitig unabhängige Expertinnen
und Experten, bis eben der gesamten Regierung das Vertrauen des Nationalrats entzogen wurde. Bundespräsident
Alexander Van der Bellen betraute die entlassene Regierung kurzzeitig mit der Amtsweiterführung, bevor er
am 30. Juni 2019 Verfassungsgerichtshofpräsidentin Brigitte Bierlein als Übergangskanzlerin mit der Zusammenstellung
eines Expertenkabinetts beauftragte.
Bis zum Ende der Gesetzgebungsperiode leiten nun diese InterimsministerInnen die Ressorts. Die nächste Legislaturperiode
beginnt mit dem erstmaligen Zusammentreten des neuen Nationalrats, der am 29. September 2019 gewählt wird.
Diese konstituierende Sitzung ist für den 23. Oktober 2019 geplant. Für die vorzeitige Beendigung der
XXVI. Gesetzgebungsperiode stimmten bei der Nationalratssitzung am 12. Juni 2019 die Abgeordneten von ÖVP,
SPÖ, FPÖ und NEOS. Ohne Gegenstimme wurde im Hauptausschuss des Nationalrats der 29. September 2019 als
Neuwahltermin gemäß entsprechender Regierungsverordnung genehmigt.
Gesetzesbeschlüsse von Sozialversicherungsreform bis Kopftuchverbot
Die Reform der Sozialversicherungen prägte die politische Debatte beinahe das gesamte Jahr 2018, auch nachdem
der Weiterbestand der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) nicht mehr in Frage gestellt wurde. Am 13.
Dezember 2018 beschloss der Nationalrat in einer emotional geführten Debatte mit ÖVP-FPÖ-Mehrheit
die Zusammenlegung von 21 Versicherungsträgern zu fünf Versicherungen: Österreichische Gesundheitskasse,
Versicherungsanstalt für den öffentlichen Dienst und Schienenverkehrsunternehmen, Sozialversicherung
der Selbstständigen, Pensionsversicherungsanstalt und AUVA. Während ÖVP und FPÖ mit Verweis
auf Verwaltungseinsparungen mehr Geld für Gesundheitsleistungen erwarten, warnten SPÖ und Liste Pilz
vor Leistungskürzungen für Versicherte. Die NEOS bekrittelten, dass die Krankenfürsorgeanstalten
nicht von der Reform umfasst sind. Wieder zurückgenommen wurde von den Regierungsfraktionen eine zuvor beschlossene
Bestimmung, wonach die zuständige Ressortleitung notwendige "Vorbereitungshandlungen" für jedwedes
Gesetzesvorhaben im Bereich der Sozialversicherungsgesetze setzen darf, sofern ein entsprechender Entwurf bereits
in parlamentarischer Behandlung steht. Kritiker dieses Vorhabens hatten es als Ermächtigungsgesetz, mit dem
das Parlament umgangen werden kann, angeprangert.
Einig zeigte sich der Nationalrat bei der Beschlussfassung einer Novelle zum Ärztegesetz, mit der unter anderem
die Anstellung von Ärzten und Ärztinnen durch BerufskollegInnen, etwa in Gruppenpraxen, erlaubt wird.
Für Dissens sorgte bei einer weiteren Änderung im Medizinrecht – konkret im Kranken- und Kuranstaltengesetz
– ein Passus, der laut Erläuterungen zum Entwurf Sonderklassegebühren für ambulante Leistungen einräumte.
Die Regierung stellte aufgrund der öffentlichen Proteste dagegen klar, dass es weiterhin für alle PatientInnen
die gleichen medizinischen Leistungen geben wird; dennoch verweigerte die Opposition die Zustimmung zu dieser Novelle.
Ende 2018 beschloss die ÖVP-FPÖ-Koalition, kleine und mittlere Pensionen heuer um bis zu 2,6% zu erhöhen.
Kürzungen nahmen die Regierungsfraktionen dagegen mittels Sozialhilfe-Grundsatzgesetz bei der Mindestsicherung
für bestimmte Personengruppen vor. So wird es ab 2020 reduzierte Geldleistungen bei mangelhaften Sprachkenntnissen
und gestaffelte Zuschläge für Kinder geben. Flüchtlinge mit subsidiärem Schutzstatus werden
nur noch Grundversorgungsleistungen erhalten, Menschen mit Behinderung hingegen einen Bonus. Grundsätzlich
dürfen die Bundesländer bei der Auszahlung der Sozialhilfe bestimmte Höchstgrenzen nicht mehr überschreiten.
Weiteres Streitthema der vergangenen Tagung war die Indexierung der Familienbeihilfe. Diese Anpassung der Leistungen
für im Ausland lebende Kinder auf das Preisniveau des jeweiligen Landes argumentierten ÖVP und FPÖ
als Maßnahme für mehr Gerechtigkeit; SPÖ, NEOS und Liste JETZT sehen dagegen einen Widerspruch
zum EU-Recht. Den Bundesländern gestanden die Abgeordneten 2018 mit insgesamt 340 Mio. € Zweckzuschüsse
zur Abgeltung von Pflegekosten zu, nachdem 2017 der Pflegeregress abgeschafft worden war. Generell blieb die langfristige
Finanzierung der Pflege die gesamte Tagung hindurch eine entscheidende Frage, ohne gelöst zu werden.
Kurz vor ihrem Koalitionsbruch brachten Volkspartei und Freiheitliche die Errichtung einer staatlichen Agentur
für die Erstbetreuung und Rechtsberatung von Flüchtlingen auf Schiene. Diese Bundesagentur für Betreuungs-
und Unterstützungsleistungen (BBU) wird schrittweise ab 2020 die gesamte Flüchtlingsversorgung und -beratung
in Österreich übernehmen. Gemeinsam mit den NEOS beschlossen ÖVP und FPÖ Einschränkungen
bei konsularischer Hilfe durch österreichische Auslandsbehörden, wodurch vor allem IS-RückkehrerInnen
Unterstützungsleistungen versagt werden.
Die Fortschreibung der Förderung von Biomasseanlagen durch ein novelliertes Ökostromgesetz scheiterte
zunächst an der SPÖ, die sowohl im Nationalrat als auch im Bundesrat die Zustimmung verweigerte. Dadurch
kam die verfassungsrechtlich erforderliche Zweidrittelmehrheit im Bundesrat nicht zustande. ÖVP und FPÖ
lösten dies mit einem Grundsatzgesetz zur Biomasseförderung durch die Bundesländer, für das
die Regierungsmehrheit ausreichte. Um allgemein Bürokratie zu verringern, wurden in einem Dutzend Gesetzen
Melde- und Prüfpflichten gestrichen (Anti-Gold-Plating-Gesetz). Nichts wird es hingegen vorerst mit einem
neuen Staatsziel Wirtschaft: Ein entsprechender Gesetzesvorschlag der ehemaligen ÖVP-FPÖ-Regierung scheiterte
an der erforderlichen Zweidrittelmehrheit.
Mit einer Gesetzesreparatur infolge eines Erkenntnisses des Obersten Gerichtshofs wurden vom Nationalrat Krisenpflegeeltern
hinsichtlich Kindergeldanspruch mit allen anderen Eltern gleichgestellt. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs
veranlasste ÖVP und FPÖ im Februar 2019, den Karfreitag von einem gesetzlichen Feiertag für ProtestantInnen,
AltkatholikInnen und MethodistInnen in einen "persönlichen Urlaubstag" für alle umzuwandeln.
Die Opposition kritisierte diesen Schritt unter anderem deswegen, weil dafür kein zusätzlicher Urlaubstag
vorgesehen ist. Eine breite Mehrheit im Nationalrat begrüßte hingegen die Streichung der Ökostromabgabe
für einkommensschwache Haushalte. Grünes Licht gaben die Abgeordneten überdies einer Novelle der
Straßenverkehrsordnung, die klarere Regeln für E-Scooter bringt.
Im Sinne der Kompetenzentflechtung zwischen Bund und Ländern übertrug der Nationalrat die Gesetzgebungszuständigkeit
für die "Kinder- und Jugendhilfe" zur Gänze an die Bundesländer. Für dieses Verfassungsgesetz
sicherte die SPÖ die notwendige Zweidrittelmehrheit, nachdem Bund und Länder in einer diesbezüglichen
15a-Vereinbarung Qualitätsstandards festgelegt hatten. Weitere vom Plenum befürwortete Entscheidungen
des Verfassungsausschusses waren eine "Nulllohnrunde" für SpitzenpolitikerInnen, die Erhöhung
der Parteienförderung und eine Novelle zum E-Government-Gesetz für elektronische Behördenwege.
Im Bildungsbereich beschlossen ÖVP und FPÖ die Eingliederung des Bildungsforschungsinstituts BIFIE in
das Bildungsministerium, die teilweise Wiedereinführung von Ziffernnoten an Volksschulen und ein Kopftuchverbot
für Volksschülerinnen. Das Verhüllungsverbot von Mädchen in Kindergärten wurde vom Nationalrat
einstimmig im Rahmen der Bund-Länder-Vereinbarung zur Ausbaufinanzierung von Kinderbetreuungseinrichtungen
festgelegt.
Erfolg für Nichtraucherschutz in der Gastronomie
Keine konkreten Beschlüsse gibt es vorerst zu zwei der drei Volksbegehren, die den Nationalrat 2018 erreichten.
Konkret waren dies das Frauenvolksbegehren und das Volksbegehren "ORF gegen Zwangsgebühren". Im
Sinne des Nichtraucherschutzes erfüllte jedoch der Nationalrat am 2. Juli 2019 mit breiter Mehrheit auf Grundlage
eines SPÖ-NEOS-JETZT-Antrags die Forderung des Don't Smoke-Volksbegehrens, ein generelles Rauchverbot in Gaststätten
umzusetzen. Nur die FPÖ stimmte dagegen. Das Rauchen in der Gastronomie wird damit in Österreich ab November
2019 untersagt sein.
Weitere Gesetzesbeschlüsse, die nach dem Ende der ÖVP-FPÖ-Koalition auf Anträge von Abgeordneten
zurückgingen, führten unter anderem zum Verbot des Pestizids Glyphosat in Österreich, zum Rechtsanspruch
auf den Papamonat, zur Zusammenlegung des Taxi- und Mietwagengewerbes und zum verfassungsrechtlichen Schutz der
öffentlichen Trinkwasserversorgung. Überdies sicherte der Nationalrat Förderungen aus Bundesmitteln
für die schulische und außerschulische Nachmittagsbetreuung von PflichtschülerInnen und eine höhere
Mindestpension bei zumindest 40 Arbeitsjahren. Mittels gemeinsamen Antrags erwirkten SPÖ, FPÖ und JETZT
eine Höchstgrenze für Spenden an politische Parteien.
In 23 Petitionen und 19 Bürgerinitiativen wurden die Abgeordneten während der letzten Tagung außerdem
auf konkrete Wünsche der Bevölkerung aufmerksam gemacht. Viele dieser Bürgeranliegen vertagte der
zuständige Ausschuss mangels rechtzeitigen Einlangens eingeholter Stellungnahmen der Ministerien und anderer
Stellen. Bürgerinitiativen verlieren jedoch anders als Petitionen nicht mit dem Ende der Gesetzgebungsperiode
ihre Gültigkeit. Die parlamentarischen Verhandlungen darüber werden also nahtlos fortgesetzt.
Volksanwaltschaft erhielt neue Köpfe
Nachdem die sechsjährige Amtsperiode der VolksanwältInnen Gertrude Brinek, Günther Kräuter
und Peter Fichtenbauer am 30. Juni 2019 auslief, wählte der Nationalrat auf Vorschlag des Hauptausschusses
ein neues Kollegium der Ombudsstelle. Die aktuellen Volksanwälte heißen Werner Amon (ÖVP), Bernhard
Achitz (SPÖ) und Walter Rosenkranz (FPÖ). In seiner letzten Sitzung mit den scheidenden VolksanwältInnen
am 12. Juni 2019 bekannte sich der Nationalrat mit einer Entschließung zur finanziellen Absicherung der Volksanwaltschaft.
243 Gesetzesvorschläge, 2.342 schriftliche Anfragen
83 Regierungsvorlagen, davon 66 Bundesgesetze, 14 Staatsverträge und 3 Bund-Länder-Vereinbarungen, langten
in der letzten Tagung im Nationalrat ein. Dazu kamen 650 Anträge von Abgeordneten in Form von selbständigen
Gesetzesinitiativen (177) und Resolutionsentwürfen (473). Den Antrag auf Neuwahl des Nationalrats infolge
des Bruchs der ÖVP-FPÖ-Koalition brachten ÖVP, SPÖ, FPÖ und NEOS gemeinsam ein.
Bei den seit September eingelangten 2.342 schriftlichen Anfragen an Regierungsmitglieder sowie an die PräsidentInnen
von Nationalrat und Rechnungshof lag die SPÖ mit 1.078 Anfragen an der Spitze. Die meisten Anfragen erhielt
das Innenministerium (344) gefolgt von den Ministerien für Justiz (247) und Soziales (235). Eifrigste Anfragesteller
waren SPÖ-Abgeordneter Jörg Leichtfried (180) sowie die NEOS-Mandatare Gerald Loacker (131) und Nikolaus
Scherak (122).
In ihren Ausschusssitzungen diskutierten die Abgeordneten neben Regierungsvorlagen und Anträgen auch mehr
als 50 Berichte der Bundesregierung, 11 davon wurden an das Plenum weitergeleitet. Daneben nahm der Nationalrat
62 Berichte des Rechnungshofs und einen Bericht der Volksanwaltschaft zur Kenntnis. Die EU-Ausschüsse (EU-Hauptausschuss
und EU-Unterausschuss) diskutierten in insgesamt 14 Sitzungen zahlreiche Initiativen der Europäischen Kommission,
bei denen die Neugestaltung der Union – gerade in Hinblick auf den nunmehr mit 31. Oktober 2019 geplanten EU-Austritt
des Vereinigten Königreichs – eine bedeutende Rolle spielte. In einer einstimmigen Stellungnahme sprach sich
der EU-Hauptausschuss für den Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei aus.
Eurofighter und BVT: Parallellauf an U-Ausschüssen
Die im April 2018 eingesetzten Untersuchungsausschüsse des Nationalrats starteten beide im September mit der
Befragung von Auskunftspersonen. Aktenlieferungen von über 2,2 Millionen Seiten (Eurofighter: 1,9 Millionen
Seiten, BVT: 335.820 Seiten) standen den Abgeordneten in einem eigens gesicherten Akteneinsichtsraum zur Verfügung.
Der dritte Eurofighter-Untersuchungsausschuss nahm seine Arbeit auf, da der letzte aufgrund der vorgezogenen Neuwahlen
im Oktober 2017 nicht abgeschlossen werden konnte. Am Untersuchungsgegenstand änderte sich kaum etwas, vorrangig
ging es um vermutete unzulässige Zahlungsflüsse beim Kauf der Kampfflugzeuge.
Im BVT-Untersuchungsausschuss durchleuchteten die Abgeordneten die Hintergründe der im Februar 2018 erfolgten
Hausdurchsuchung im Bundesamt. Die Auswirkungen der BVT-Affäre auf die öffentliche Sicherheit und die
Zusammenarbeit mit Nachrichtendiensten anderer Staaten waren ebenfalls Thema. Neben BeamtInnen aus dem Innen- und
dem Justizressort, die mit der BVT-Affäre befasst waren, befragten die Ausschussmitglieder auch die damaligen
Minister Kickl (Inneres), Josef Moser (Justiz) und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, vormals Leiter
des Innenressorts. Für Aufregung abseits der Befragungen sorgten die Sicherheitsvorkehrungen der U-Ausschüsse.
Wie im Herbst 2018 publik wurde, unterhielt ein mittlerweile nicht mehr eingesetzter externer Security-Mitarbeiter,
der bei den Ausschüssen Dienst tat, enge Verbindungen zur rechtsextremen Szene. Präsident Sobotka veranlasste
daraufhin zusätzliche Sicherheitsüberprüfungen.
Derzeit wird an den Abschlussberichten der beiden Untersuchungsausschüsse gearbeitet. Die Diskussion darüber
wird voraussichtlich bei der für 25. September geplanten Nationalratssitzung erfolgen
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