Minimalinvasive Darmchirurgie

 

erstellt am
04. 07. 19
18:00 MEZ

Neue Technik minimiert Anastomoseninsuffizienz – Weltweit erste Studie gestartet
Linz (keplerklinikum) - Darmkrebs stellt eine der häufigsten Krebserkrankungen für beide Geschlechter in den entwickelten Ländern dar. In Österreich ist von einer jährlichen Neuerkrankungsrate von 5.000 Patientinnen und Patienten auszugehen. Insgesamt stellt Darmkrebs die dritthäufigste Tumorerkrankung in Österreich dar. An der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie am Kepler Universitätsklinikum wurde nun eine völlig neuartige Technik entwickelt, um die Komplikation der Anastomoseninsuffizienz (Aufreißen oder Undichtwerden der Darmnähte) zu minimieren. Diese vielversprechende Technik wird derzeit in einer weltweit ersten Studie forschungsmäßig weiterentwickelt.

Häufigkeit von Darmkrebs in Österreich (laut Statistik Austria, Stand 2016)
Darmkrebs umfasst bösartige Neubildungen des Dickdarms und war im Jahr 2016 mit 12% die dritthäufigste Krebserkrankung der Männer (2.593 Fälle) und mit 10% ebenfalls die dritthäufigste Krebserkrankung der Frauen (1.924 Fälle). Zwei Drittel dieser Erkrankungen traten im Dickdarm auf, etwa 25% betrafen den Enddarm, die übrigen verteilten sich auf den Übergang zwischen Dick- und Enddarm bzw. den Analkanal. Die sehr seltenen Dünndarmtumore wurden, wie international üblich, nicht dieser Erkrankungsgruppe zugerechnet. Darmkrebs war für 11% der Krebssterbefälle verantwortlich. Die altersstandardisierten Raten wiesen 53 Neuerkrankungen und 25 Sterbefälle je 100.000 Personen der Bevölkerung aus. Für beide Geschlechter gingen die altersstandardisierte Neuerkrankungsrate und die Sterberate in den vergangenen zehn Jahren um etwa 25% zurück.

Etwa 60% aller zwischen 2014 und 2016 gestellten Diagnosen wurden erst gestellt, als der Tumor die Organgrenzen bereits durchbrochen hatte. Durch die Darmspiegelung können bösartige Neubildungen des Darms frühzeitig erkannt und sogar vermieden werden. Die Therapie der Wahl ist bei Darmkrebs nach wie vor die operative Entfernung.

Neuartige Technik zur Vermeidung von Anastomoseninsuffizienz entwickelt
Eine völlig neuartige Technik, um die Komplikation der Anastomoseninsuffizienz weiter zu minimieren, wurde nun an der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie eingeführt und wird derzeit intensiv forschungsmäßig weiterentwickelt. Durch biologische Faktoren soll die Wundheilung bei der neuen Darmnaht erhöht bzw. gefördert werden und so noch sicherer gemacht werden. Dabei werden jene Blutbestandteile, welche für die Wundheilung verantwortlich sind und die gesamte Kaskade der Gewebeneubildung steuern, durch eine Blutabnahme vor der Operation aus dem Körper gewonnen, so bearbeitet, dass diese länger aktiv sind als normal und dann in einer konzentrierten Form (7- bis 10-fache) in die neue Darmverbindung eingearbeitet. Die Folge ist eine Verbesserung der Wundheilungsabläufe.

Fachmedizinische Erklärung der neuen Technik
Die Wundheilung wird durch Blutplättchen (Thrombozyten) gesteuert. Wenn man sich z.B. in den Finger schneidet, tritt Blut aus. In diesem sind neben den roten Blutkörperchen (Erythrozyten) auch die Blutplättchen und andere Blutbestandteile enthalten. Durch das Austreten des Blutes in der Wunde wird der Thrombozyt aktiviert. Dann sendet der Thrombozyt an die ca. 20 Stunden aktiv Informationen aus, die bewirken, dass alle möglichen Wachstumsfaktoren und Wundheilungsfaktoren zur Wunde strömen, um den Defekt zu „reparieren“. Allerdings dauert dieser Prozess eben nur 20 Stunden lang an. Dann muss der Körper alleine mit der Wunde, die dann meist eine Kruste hat, fertig werden. Bei dieser neuen Technik werden die Blutplättchen vor dem Eingriff aus dem körpereigenen Blut durch Blutabnahme gewonnen. Durch einen Puffer (Citratpuffer) bleibt er inaktiv. Dann wird noch inaktives Fibrinogen (körpereigener Klebestoff) gewonnen. Und jeder Thrombozyt wird mit Fibrinogen ummantelt. Diese Lösung wird dann während der OP genau dorthin gesprüht, wo die neue Darmverbindung entsteht. Das Fibrinogen wird aktiviert und zu Fibrin, dabei setzt es den Thrombozyten frei, der dann wiederum aktiv wird. Durch die 7- bis 10-fache Konzentration und die „verpackte“ Form der Thrombozyten erreicht man nun, dass über einen Zeitraum von fünf bis sieben Tage Thrombozyten freigesetzt werden. Das hat wiederum zur Folge, dass die Information für die Wundheilung nicht nur 20 Stunden lang sondern bis zu sieben Tage lang ausgesendet wird. Wir erreichen sozusagen einen „maximalen Boost“ an Anreiz für Wundheilung über einen deutlich längeren Zeitraum als bisher. Und dies geschieht ohne Risiko für die Patientin bzw. den Patienten! Es werden nur körpereigene Blutbestandteile wieder in etwas anderer konzentrierter Form zurückgegeben.

Prim. Univ.-Doz. Dr. Andreas Shamiyeh, Vorstand der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie sagt: „Diese Technik bezeichne ich als völlig neuartigen Ansatz im Sinne einer ‚regenerativen Medizin‘, darunter verstehe ich, dass die körpereigene Regeneration zur besseren Wundheilung stimuliert wird. Die aktuell laufende Studie ist die weltweit erste dieser Art. Bis jetzt wurden 45 Patientinnen bzw. Patienten im Kepler Universitätsklinikum in die Studie eingeschlossen. Die Ergebnisse sind sehr vielversprechend. Unser Ziel ist 150 Patientinnen und Patienten mit dieser Technik zu behandeln. Die statistische Auswertung erfolgt durch Prof. Dr. Wolfgang Schimetta von der Abteilung für Angewandte Systemforschung und Statistik an der JKU Linz. Es ist geplant, die Ergebnisse bis 2020 veröffentlichen zu können.“

Schwerpunkte der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie
Die Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie am Kepler Universitätsklinikum unter der Leitung von Prim. Univ.-Doz. Dr. Andreas Shamiyeh bietet das gesamte Spektrum der Allgemein- und Viszeralchirurgie an. Dies beinhaltet die onkologische Chirurgie (Krebserkrankungen), aber auch funktionelle Eingriffe (Chirurgie bei Übergewicht, Sodbrennen, Mastdarmvorfall) und die Behandlung von gutartigen Erkrankungen (Gallensteine, Bruchleiden, Schilddrüsenerkrankungen). Schwerpunkte sind die minimalinvasive Chirurgie und dabei vor allem die Darmchirurgie. Weiters hervorzuheben ist die chirurgische Behandlung bei Erkrankungen der Brust, Bruchleiden und Gallenwegserkrankungen.

Zentrum für Minimalinvasive Darmchirurgie
Die Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie zählt zu den führenden Zentren in Österreich, was die operative Behandlung von Darmkrebs aber auch gutartigen Darmerkrankungen betrifft.

Ein vom Land Oberösterreich und der Fachhochschule Steyr initialisiertes Projekt zur Qualitätserfassung in oberösterreichischen Krankenanstalten bestätigte die hohe Qualität der Arbeit an der chirurgischen Klinik. Hierbei werden Komplikationen und Kosten erfasst und analysiert. Dabei zeigte sich, dass die Komplikationsrate, allem voran die Rate an Nahtbruch bei einer neu angelegten Darmverbindung nach Entfernung eines Dickdarm- oder Mastdarmstückes (Anastomoseninsuffizienz), niedriger als der internationale Durchschnitt ist. Gründe dafür sind neben der hohen Operationsfrequenz eine seit Jahren gut strukturierte Ausbildung.

Internationale Expertise und Anerkennung
Prim. Univ.-Doz. Dr. Shamiyeh hat Ende der 90iger begonnen (unter der Führung von Prof. Dr. W. Wayand) die minimalinvasive Darmchirurgie strukturiert aufzubauen. Durch Hospitationen in den internationalen Spitzenzentren der Darmchirurgie brachte er die Expertise nach Linz. Alle Ergebnisse wurden gut dokumentiert und qualitätsmäßig erfasst.

Ebenso wurde das präoperative und postoperative Management neu strukturiert, um die Patientinnen und Patienten optimal für diese Eingriffe vorzubereiten und nachzubetreuen. Gemeinsam mit dem Team der Anästhesie wurde das Patient Blood Management eingeführt und ein besonderer Stellenwert auf blutsparendes Operieren gelegt. Blutkonservengaben nach Darmoperationen sind an der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie minimal bzw. gegen null gehend.

Die Kaufmännische Direktorin GFin Mag.a Dr.in Elgin Drda und der Ärztlicher Direktor GF Dr. Heinz Brock des Kepler Universitätsklinikums betonen: „Die intensive Forschungsarbeit soll insbesondere den Patientinnen und Patienten zugutekommen. Neueste Erkenntnisse werden unmittelbar in deren Versorgung einfließen. Besonders freuen wir uns über unsere Top-Mediziner, deren Engagement für die Forschung wir bestmöglich unterstützen.“

 

 

 

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