Neue Technik minimiert Anastomoseninsuffizienz – Weltweit erste Studie gestartet
Linz (keplerklinikum) - Darmkrebs stellt eine der häufigsten Krebserkrankungen für beide Geschlechter
in den entwickelten Ländern dar. In Österreich ist von einer jährlichen Neuerkrankungsrate von 5.000
Patientinnen und Patienten auszugehen. Insgesamt stellt Darmkrebs die dritthäufigste Tumorerkrankung in Österreich
dar. An der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie am Kepler Universitätsklinikum wurde nun eine
völlig neuartige Technik entwickelt, um die Komplikation der Anastomoseninsuffizienz (Aufreißen oder
Undichtwerden der Darmnähte) zu minimieren. Diese vielversprechende Technik wird derzeit in einer weltweit
ersten Studie forschungsmäßig weiterentwickelt.
Häufigkeit von Darmkrebs in Österreich (laut Statistik Austria, Stand 2016)
Darmkrebs umfasst bösartige Neubildungen des Dickdarms und war im Jahr 2016 mit 12% die dritthäufigste
Krebserkrankung der Männer (2.593 Fälle) und mit 10% ebenfalls die dritthäufigste Krebserkrankung
der Frauen (1.924 Fälle). Zwei Drittel dieser Erkrankungen traten im Dickdarm auf, etwa 25% betrafen den Enddarm,
die übrigen verteilten sich auf den Übergang zwischen Dick- und Enddarm bzw. den Analkanal. Die sehr
seltenen Dünndarmtumore wurden, wie international üblich, nicht dieser Erkrankungsgruppe zugerechnet.
Darmkrebs war für 11% der Krebssterbefälle verantwortlich. Die altersstandardisierten Raten wiesen 53
Neuerkrankungen und 25 Sterbefälle je 100.000 Personen der Bevölkerung aus. Für beide Geschlechter
gingen die altersstandardisierte Neuerkrankungsrate und die Sterberate in den vergangenen zehn Jahren um etwa 25%
zurück.
Etwa 60% aller zwischen 2014 und 2016 gestellten Diagnosen wurden erst gestellt, als der Tumor die Organgrenzen
bereits durchbrochen hatte. Durch die Darmspiegelung können bösartige Neubildungen des Darms frühzeitig
erkannt und sogar vermieden werden. Die Therapie der Wahl ist bei Darmkrebs nach wie vor die operative Entfernung.
Neuartige Technik zur Vermeidung von Anastomoseninsuffizienz entwickelt
Eine völlig neuartige Technik, um die Komplikation der Anastomoseninsuffizienz weiter zu minimieren, wurde
nun an der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie eingeführt und wird derzeit intensiv forschungsmäßig
weiterentwickelt. Durch biologische Faktoren soll die Wundheilung bei der neuen Darmnaht erhöht bzw. gefördert
werden und so noch sicherer gemacht werden. Dabei werden jene Blutbestandteile, welche für die Wundheilung
verantwortlich sind und die gesamte Kaskade der Gewebeneubildung steuern, durch eine Blutabnahme vor der Operation
aus dem Körper gewonnen, so bearbeitet, dass diese länger aktiv sind als normal und dann in einer konzentrierten
Form (7- bis 10-fache) in die neue Darmverbindung eingearbeitet. Die Folge ist eine Verbesserung der Wundheilungsabläufe.
Fachmedizinische Erklärung der neuen Technik
Die Wundheilung wird durch Blutplättchen (Thrombozyten) gesteuert. Wenn man sich z.B. in den Finger schneidet,
tritt Blut aus. In diesem sind neben den roten Blutkörperchen (Erythrozyten) auch die Blutplättchen und
andere Blutbestandteile enthalten. Durch das Austreten des Blutes in der Wunde wird der Thrombozyt aktiviert. Dann
sendet der Thrombozyt an die ca. 20 Stunden aktiv Informationen aus, die bewirken, dass alle möglichen Wachstumsfaktoren
und Wundheilungsfaktoren zur Wunde strömen, um den Defekt zu „reparieren“. Allerdings dauert dieser Prozess
eben nur 20 Stunden lang an. Dann muss der Körper alleine mit der Wunde, die dann meist eine Kruste hat, fertig
werden. Bei dieser neuen Technik werden die Blutplättchen vor dem Eingriff aus dem körpereigenen Blut
durch Blutabnahme gewonnen. Durch einen Puffer (Citratpuffer) bleibt er inaktiv. Dann wird noch inaktives Fibrinogen
(körpereigener Klebestoff) gewonnen. Und jeder Thrombozyt wird mit Fibrinogen ummantelt. Diese Lösung
wird dann während der OP genau dorthin gesprüht, wo die neue Darmverbindung entsteht. Das Fibrinogen
wird aktiviert und zu Fibrin, dabei setzt es den Thrombozyten frei, der dann wiederum aktiv wird. Durch die 7-
bis 10-fache Konzentration und die „verpackte“ Form der Thrombozyten erreicht man nun, dass über einen Zeitraum
von fünf bis sieben Tage Thrombozyten freigesetzt werden. Das hat wiederum zur Folge, dass die Information
für die Wundheilung nicht nur 20 Stunden lang sondern bis zu sieben Tage lang ausgesendet wird. Wir erreichen
sozusagen einen „maximalen Boost“ an Anreiz für Wundheilung über einen deutlich längeren Zeitraum
als bisher. Und dies geschieht ohne Risiko für die Patientin bzw. den Patienten! Es werden nur körpereigene
Blutbestandteile wieder in etwas anderer konzentrierter Form zurückgegeben.
Prim. Univ.-Doz. Dr. Andreas Shamiyeh, Vorstand der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie sagt: „Diese
Technik bezeichne ich als völlig neuartigen Ansatz im Sinne einer ‚regenerativen Medizin‘, darunter verstehe
ich, dass die körpereigene Regeneration zur besseren Wundheilung stimuliert wird. Die aktuell laufende Studie
ist die weltweit erste dieser Art. Bis jetzt wurden 45 Patientinnen bzw. Patienten im Kepler Universitätsklinikum
in die Studie eingeschlossen. Die Ergebnisse sind sehr vielversprechend. Unser Ziel ist 150 Patientinnen und Patienten
mit dieser Technik zu behandeln. Die statistische Auswertung erfolgt durch Prof. Dr. Wolfgang Schimetta von der
Abteilung für Angewandte Systemforschung und Statistik an der JKU Linz. Es ist geplant, die Ergebnisse bis
2020 veröffentlichen zu können.“
Schwerpunkte der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie
Die Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie am Kepler Universitätsklinikum unter der Leitung von
Prim. Univ.-Doz. Dr. Andreas Shamiyeh bietet das gesamte Spektrum der Allgemein- und Viszeralchirurgie an. Dies
beinhaltet die onkologische Chirurgie (Krebserkrankungen), aber auch funktionelle Eingriffe (Chirurgie bei Übergewicht,
Sodbrennen, Mastdarmvorfall) und die Behandlung von gutartigen Erkrankungen (Gallensteine, Bruchleiden, Schilddrüsenerkrankungen).
Schwerpunkte sind die minimalinvasive Chirurgie und dabei vor allem die Darmchirurgie. Weiters hervorzuheben ist
die chirurgische Behandlung bei Erkrankungen der Brust, Bruchleiden und Gallenwegserkrankungen.
Zentrum für Minimalinvasive Darmchirurgie
Die Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie zählt zu den führenden Zentren in Österreich,
was die operative Behandlung von Darmkrebs aber auch gutartigen Darmerkrankungen betrifft.
Ein vom Land Oberösterreich und der Fachhochschule Steyr initialisiertes Projekt zur Qualitätserfassung
in oberösterreichischen Krankenanstalten bestätigte die hohe Qualität der Arbeit an der chirurgischen
Klinik. Hierbei werden Komplikationen und Kosten erfasst und analysiert. Dabei zeigte sich, dass die Komplikationsrate,
allem voran die Rate an Nahtbruch bei einer neu angelegten Darmverbindung nach Entfernung eines Dickdarm- oder
Mastdarmstückes (Anastomoseninsuffizienz), niedriger als der internationale Durchschnitt ist. Gründe
dafür sind neben der hohen Operationsfrequenz eine seit Jahren gut strukturierte Ausbildung.
Internationale Expertise und Anerkennung
Prim. Univ.-Doz. Dr. Shamiyeh hat Ende der 90iger begonnen (unter der Führung von Prof. Dr. W. Wayand) die
minimalinvasive Darmchirurgie strukturiert aufzubauen. Durch Hospitationen in den internationalen Spitzenzentren
der Darmchirurgie brachte er die Expertise nach Linz. Alle Ergebnisse wurden gut dokumentiert und qualitätsmäßig
erfasst.
Ebenso wurde das präoperative und postoperative Management neu strukturiert, um die Patientinnen und Patienten
optimal für diese Eingriffe vorzubereiten und nachzubetreuen. Gemeinsam mit dem Team der Anästhesie wurde
das Patient Blood Management eingeführt und ein besonderer Stellenwert auf blutsparendes Operieren gelegt.
Blutkonservengaben nach Darmoperationen sind an der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie minimal bzw.
gegen null gehend.
Die Kaufmännische Direktorin GFin Mag.a Dr.in Elgin Drda und der Ärztlicher Direktor GF Dr. Heinz Brock
des Kepler Universitätsklinikums betonen: „Die intensive Forschungsarbeit soll insbesondere den Patientinnen
und Patienten zugutekommen. Neueste Erkenntnisse werden unmittelbar in deren Versorgung einfließen. Besonders
freuen wir uns über unsere Top-Mediziner, deren Engagement für die Forschung wir bestmöglich unterstützen.“
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