Geldpolitische und aufsichtliche Maßnahmen der letzten Jahre führten zur Stärkung
der Finanzmarktstabilität
Wien (oenb) - Die geldpolitischen Maßnahmen der EZB haben die Refinanzierungskosten im Euroraum deutlich
gesenkt. Die fokussierte Arbeit der Bankenaufsicht der OeNB hat die Finanzmarktstabilität in Österreich
in den vergangenen Jahren gestärkt. Gleichzeitig haben die heimischen Banken 2018 ihre Gewinne weiter steigern
können. Die zu erwartende konjunkturelle Abkühlung sowie der fortschreitende Wandel der Geschäftsmodelle
der Banken bringen allerdings weiterhin Herausforderungen mit sich.
„Die unkonventionellen Maßnahmen der Geldpolitik haben zur Stabilisierung des Bankensystems und seiner gesamtwirtschaftlichen
Funktion beigetragen. Sie haben die Refinanzierungskosten der Banken reduziert und die Weitergabe der niedrigen
Zinsen an die Realwirtschaft gefördert, allerdings auch die Risikoneigung der Investoren erhöht“, sagte
Gouverneur Ewald Nowotny anlässlich der Präsentation der 37. Ausgabe des Financial Stability Report der
Oesterreichischen Nationalbank (OeNB). Anfang Juni hat der EZB-Rat beschlossen, die erste Zinsanhebung frühestens
im zweiten Halbjahr 2020 vorzunehmen, da derzeit geopolitische Risiken den Konjunkturausblick trüben und die
Inflation im Euroraum auch in den nächsten Jahren unter dem Preisstabilitätsziel verharren wird.
Nach Jahren des starken Wachstums bremste das schwächer werdende internationale Umfeld Österreichs Konjunktur.
Ungeachtet einer Verlangsamung in der zweiten Hälfte 2018 hat das Wirtschaftswachstum die Ertragskraft der
österreichischen nichtfinanziellen Unternehmen weiterhin unterstützt. Die Innenfinanzierung als wichtigste
Finanzierungsquelle blieb dadurch auf dem hohen Niveau der letzten Jahre, wohingegen sich die Außenfinanzierung
im Jahr 2018 – trotz attraktiver Konditionen aufgrund des niedrigen Zinsniveaus – mehr als halbiert hat. Während
andere Formen der Verschuldung rückläufig waren, wurde die Kreditvergabe durch österreichische Banken
allerdings ausgeweitet. Die jährliche Wachstumsrate der Unternehmens-kredite österreichischer Banken
erreichte in den ersten Monaten des Jahres 2019, getragen von der Kreditvergabe an Unternehmen aus dem Immobilienbereich,
sogar den höchsten Wert seit mehr als zehn Jahren. Analog dazu waren Wohnbaukredite der Haupttreiber bei Haushalts-krediten,
wobei es zu einer leichten Ausweitung bei der Vergabe kam. Insgesamt stieg die Verschuldung der Unternehmen und
Haushalte moderat und blieb unter dem jeweiligen Euroraum-Durchschnitt (bezogen auf deren Einkommen). Gestiegene
Gewinne und Einkommen verbesserten die Schuldentragfähigkeit der Unternehmen und Haushalte, wozu auch die
niedrigen Zinsen aufgrund des immer noch hohen Anteils an variabel verzinsten Krediten einen positiven Beitrag
leisteten. Während die Kreditnehmenden zurzeit von niedrigen Zinszahlungen profitieren, sind sie jedoch einem
erheblichen Zins(änderungs)risiko ausgesetzt.
„Seit der Einrichtung des Finanzmarktstabilitätsgremiums (FMSG) vor fünf Jahren haben makroprudenzielle
Maßnahmen die Widerstandskraft des österreichischen Bankensektors weiter gestärkt“, führte
Vize-Gouverneur Andreas Ittner aus. Trotz der Erfolge der Aufsicht bleiben Herausforderungen für die Zukunft
bestehen. Die Hypothekarkreditvergabe erfordert weiterhin eine strenge aufsichtliche Beobachtung, da die Zinsen
für Immobilienkredite weiterhin fallen, das Kreditwachstum stark bleibt und die Wohnimmobilienpreise weiter
ansteigen. Außerdem weist ein nicht vernachlässigbarer Anteil der neuvergebenen Kredite keinen adäquaten
Anteil an Eigenmitteln auf, und der Schuldendienst im Verhältnis zum Schuldnereinkommen steigt. In diesem
Zusammenhang weist die OeNB erneut auf die FMSG-Erwartungshaltung bezüglich nachhaltiger Immobilien-Kreditvergabestandards
hin, deren Einhaltung sie momentan evaluiert.
Dank höherer Erträge und historisch niedriger Risikokosten haben die österreichischen Banken ihren
konsolidierten Gewinn im Jahr 2018 neuerlich gesteigert. Die operative Kosteneffizienz blieb aber weiterhin schwach.
Die Reduktion notleidender Kredite und das beschleunigte Kreditwachstum führten zu einer verbesserten Kreditqualität
der Portfolios, sowohl in Österreich als auch in Zentral-, Ost- und Südosteuropa (CESEE). Aufgrund eines
Anstiegs der risikogewichteten Aktiva und einer Verdoppelung der Dividendenausschüttungsquote kam es trotz
des ertragreichen Jahres zu einem leichten Rückgang der Kapitalquote des österreichischen Bankensektors.
Anhaltend geringe Renditen im Zuge des Niedrigzinsumfelds bleiben eine Herausforderung für den Versicherungssektor,
insbesondere bei Lebensversicherungen. So verschlechterte sich die Profitabilität des gesamten Sektors im
Jahr 2018. Die Eigenmittelausstattung der österreichischen Versicherungsunternehmen ist aber hoch und liegt
im europäischen Durchschnitt.
Da sich für die kommenden Jahre eine Wachstumsverlangsamung abzeichnet, sollten die österreichischen
Banken danach trachten, ihre Risikotragfähigkeit weiter zu stärken. Die OeNB empfiehlt den Banken im
Lichte der genannten Entwicklungen und im Hinblick auf die Stärkung der Finanzmarktstabilität,
- die Sicherung einer nachhaltigen Profitabilität durch
weitere Effizienzsteigerungen, um die Kapitalisierung weiter zu erhöhen (insbesondere der Großbanken)
und damit zukünftige Kreditrisken aus dem starken Kreditwachstum tragen zu können,
- die Anwendung nachhaltiger Kreditvergabestandards bei Immobilienkrediten
durch Einhaltung der Erwartungshaltung des Finanzmarktstabilitätsgremiums,
- die Entwicklung und Umsetzung geeigneter Strategien zum
Umgang mit Herausforderungen im Zusammenhang mit IT/Digitalisierung,
- die weitere Reduktion der notleidenden Kredite (v. a. in
CESEE) sowie
- die weitere Einhaltung der aufsichtlichen Mindeststandards
zu Fremdwährungs- und Tilgungsträgerkrediten sowie des Nachhaltigkeitspakets.
Der halbjährlich in englischer Sprache erscheinende Financial Stability Report der OeNB analysiert finanzmarktstabilitätsrelevante
Entwicklungen in Österreich und im internationalen Umfeld sowie Spezialthemen im Zusammenhang mit der Finanzmarktstabilität.
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