Nationalrat: Novelle zum Parteiengesetz
 bringt neue Regeln für Parteispenden

 

erstellt am
03. 07. 19
18:00 MEZ

SPÖ, FPÖ und JETZT fixieren Reform gegen die Stimmen von ÖVP und NEOS
Wien (pk) - Der Nationalrat hat am 3. Juli einige neue Regeln für die Parteienfinanzierung beschlossen. Die Mehrheit der Abgeordneten folgte den Empfehlungen des Verfassungsausschusses und stimmte für das zwischen SPÖ, FPÖ und JETZT vereinbarte Gesetzespaket, wobei zuvor mittels Abänderungsantrag noch einige Präzisierungen vorgenommen und Ausnahmebestimmungen für geringfügige "Zuwendungen" bei lokalen Sommer- und Grätzelfesten bzw. ähnlichen Veranstaltungen von Parteien bzw. parteinahen Organisationen geschaffen wurden. Die neuen Bestimmungen sollen bereits für den bevorstehenden Nationalratswahlkampf gelten, der Bundesrat wird morgen darüber beraten.

Kernpunkt der Novelle ist eine doppelte Obergrenze für Parteispenden. So dürfen Einzelpersonen und Unternehmen künftig maximal 7.500 € pro Jahr an eine Partei spenden. Gleichzeitig wird eine jährliche Spendenobergrenze pro Partei von 750.000 € festgelegt. Nur für neue Parteien, die noch keine Parteienförderung erhalten haben, werden etwas lockere Regelungen gelten. Spenden über 2.500 € müssen umgehend dem Rechnungshof gemeldet und veröffentlicht werden. Neu sind überdies höhere Strafen bei einer Überschreitung der Wahlkampfkostenobergrenze von 7 Mio. €, ein Monitoring der Wahlkampfausgaben durch den Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat und ein Bonus von 3% bei der Klubförderung, sofern die Frauenquote einer Partei im Nationalrat bzw. im Bundesrat über 40% liegt (Näheres dazu siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 751/2019).

Basis für die Novelle zum Parteiengesetz bildete ein Antrag der SPÖ (457/A), zu dem bereits im Verfassungsausschuss ein gesamtändernder SPÖ-FPÖ-JETZT-Abänderungsantrag eingebracht worden war, welcher im Plenum weiter adaptiert wurde. Die neuen Bestimmungen zur Klubförderung wurden in einen ursprünglich von der ÖVP eingebrachten Antrag (863/A) eingebaut.

Kritik an den neuen Bestimmungen kommt von ÖVP und NEOS. Sie konnten sich mit diversen Änderungsvorschlägen aber nicht durchsetzen. Auch ein Abänderungsantrag der Liste JETZT sowie 13 eigenständige Initiativen von ÖVP, NEOS und JETZT (831/A, 828/A, 829/A, 835/A, 834/A, 833/A, 56/A, 849/A, 848/A, 464/A, 864/A, 861/A und 914/A) fanden keine Mehrheit.

Einstimmig vom Plenum angenommen wurden ein gemeinsamer Entschließungsantrag von SPÖ, NEOS und JETZT sowie drei Entschließungsanträge der ÖVP. Demnach ist das Verteidigungsministerium angehalten, einen unter Minister Mario Kunasek vergebenen Auftrag in der Höhe von 200.000 € an das Institut für Sicherheitspolitik (ISP), dessen Präsident FPÖ-Abgeordneter Markus Tschank ist, zu überprüfen. Zudem sollen alle Vergabeverfahren des Infrastrukturministeriums der vergangenen fünf Jahre im Hoch- und Tiefbau bzw. mit einem Wert von mehr als 1 Mio. € unter die Lupe genommen werden, einschließlich Vergabeverfahren durch Unternehmen, in denen das BMVIT Eigentümerrechte der Republik ausübt. Auch die Anhebung von Aufsichtsratsvergütungen im Bereich dieser Unternehmen soll untersucht werden.

Das Familienministerium wiederum wird von den Abgeordneten um eine interne Prüfung des Familienfests im Schlosspark Schönbrunn am 1. Mai ersucht. SPÖ, NEOS und JETZT vermuten Verstöße gegen das Vergabegesetz und eine versteckte Parteienfinanzierung für die ÖVP durch die Hintertür.

ÖVP sieht Neid und Missgunst als Grund für Spendenobergrenze
Im Rahmen der Debatte kritisierten Karl Nehammer, Wolfgang Gerstl und Josef Moser von Seiten der ÖVP die vorliegende Gesetzesnovelle. Sie warfen SPÖ, FPÖ und JETZT unter anderem vor, nicht für mehr Transparenz bei der Parteienfinanzierung zu sorgen. So werde der Rechnungshof weiterhin keine originären Prüfbefugnisse haben, kritisierte Moser. Auch eine Prüfung parteinaher Vereine ist laut Nehammer nicht möglich. Damit werde eine Verschleierung von Spenden und Wahlkampfkosten durch parteinahe Vereine weiter möglich sein. Anstatt Lehren aus dem Ibiza-Video zu ziehen, streue man den Menschen Sand in die Augen. Es gebe keinen Experten, der in den letzten Tagen den vorliegenden Entwurf nicht kritisiert habe, hielt auch Gerstl fest.

Als zentrales Motiv für die Spendenobergrenzen ortet Nehammer darüber hinaus Neid, Missgunst und Zorn. Die SPÖ versuche, Menschen, die Arbeitsplätze schaffen, in den "Dreck zu ziehen", nur weil sie für die ÖVP spenden. In einer liberalen Demokratie sei es jedoch das Recht jedes Bürgers, eine Partei zu gründen und eine Partei zu unterstützen, machte Gerstl geltend. Der Vorwurf, SpenderInnen wollten damit eine bestimmte Politik kaufen, sei reine Unterstellung. Auch für Feuerwehren würden BürgerInnen spenden, ohne sich eine Sonderbehandlung zu erwarten. Besonders empört reagierte Nehammer auf eine Wortmeldung von SPÖ-Abgeordnetem Leichtfried, der die ÖVP mit Bestechlichkeit in Verbindung brachte, nachträglich seine Wortwahl aber bedauerte und korrigierte.

Die ÖVP selbst schlug unter anderem vor, die Parteienförderung des Bundes um rund ein Viertel zu kürzen und die SteuerzahlerInnen dadurch zu entlasten. Zudem plädierte sie u.a. für einen Abschlag von der Klubförderung bei einer Frauenquote unter 40%, eigene Rechenschaftsberichte über Wahlkampfkostenausgaben und eine Ausweitung der Kompetenzen des Rechnungshofs, um Transparenzlücken im 2012 beschlossenen Parteiengsetz zu schließen und Umgehungskonstruktionen zu unterbinden.

NEOS: Rechnungshof muss in Bücher der Parteien Einschau halten dürfen
Auch von den NEOS mussten sich SPÖ, FPÖ und JETZT den Vorwurf gefallen lassen, dass die neuen Bestimmungen im Parteiengesetz nicht für mehr Transparenz und mehr Kontrolle sorgen. Gerade das wäre nach Meinung von Klubchefin Beate Meinl-Reisinger und ihren ParteikollegInnen Irmgard Griss, Nikolaus Scherak und Gerald Loacker aber ein Gebot der Stunde gewesen. Die Versuchung für Parteien "zu tricksen, zu tarnen und zu täuschen" sei "wahnsinnig groß", meinte Griss, umso wichtiger sei es, dass es neben strengen Regeln auch eine umfassende Kontrolle gebe. Meinl-Reisinger bezeichnete Transparenz als das beste "Desinfektionsmittel" gegen Korruption. Mit der vorliegenden Gesetzesnovelle würden jedoch die "Kultur der Intransparenz" prolongiert und durch das Ibiza-Video aufgezeigte Umgehungskonstruktionen nicht unterbunden.

Am besten aufgehoben wäre die Kontrolle der Parteien nach Ansicht der NEOS beim Rechnungshof als unabhängige Institution. Dieser müsse die Möglichkeit erhalten, in die Bücher der Parteien hineinzuschauen, sind sich die NEOS-Abgeordneten einig. Zudem forderten sie unter anderem die Einführung eines Straftatbestands illegale Parteienfinanzierung und eine zeitnahe Veröffentlichung der Wahlkampfausgaben der Parteien. Die NEOS seien vorbildlich, was Transparenz betrifft, unterstrichen Meinl-Reisinger und Scherak: 365 Tage im Jahr würden alle Einnahmen und Ausgaben transparent gemacht.

Die NEOS sehen allerdings auch einige positive Punkte im vorliegenden Gesetzentwurf. Als Beispiele nannten sie die Berücksichtigung von Personenkomitees bei der Wahlkampfkostenobergrenze, die Einbeziehung von Parteiuntergliederungen wie Bünde in die Rechenschaftsberichte und die unverzügliche Meldung und Veröffentlichung von Spenden über 2.500 €. Auch dem Bonus für Klubs mit einem hohen Frauenanteil begrüßen sie. Die neuen Spendenobergrenzen sehen Meinl-Reisinger und Scherak hingegen als Einschränkung des Wettbewerbs: Neue Parteien würden damit in Österreich keine Chance mehr haben.

JETZT vermisst ebenfalls Transparenz und lobt Spendenobergrenzen
Der Kritik der NEOS an unzureichenden Prüfbefugnissen des Rechnungshofs schloss sich die Liste JETZT an. Der Antrag sei nicht das, "was wir uns gewünscht und erhofft haben" räumte Wolfgang Zinggl ein. Die Forderung, dem Rechnungshof Einschau in die Parteibücher zu gewähren, sei aber nicht mehrheitsfähig gewesen. Nicht nur SPÖ und FPÖ, auch die ÖVP hat sich ihm zufolge in der Vergangenheit stets dagegen ausgesprochen.

Dass die Liste JETZT die Gesetzesnovelle dennoch mitträgt, begründete Zinggl damit, dass sie ganz essentielle Verbesserungen bringe, wobei er neben den abschreckenden Strafen bei einer Überschreitung der Wahlkampfkostenobergrenze insbesondere auch auf die Spendenobergrenzen verwies. Man müsse verhindern, dass Österreich "von Betuchten und Bessergestellten" gelenkt werde. Das hoben auch Alfred Noll und Peter Pilz hervor. Sie erachten Spendenobergrenzen in diesem Sinn ebenfalls für legitim und angebracht. Die ÖsterreicherInnen wollten nicht, dass sich GroßspenderInnen Politik kaufen können, meinte Pilz und ließ in diesem Zusammenhang auch an den NEOS kein gutes Haar.

Hart ging die Liste JETZT in ihren Wortmeldungen vor allem aber mit der ÖVP ins Gericht, deren Position sie insgesamt als nicht besonders glaubwürdig qualifizierte. Schließlich habe die ÖVP noch vor drei Monaten für eine Erhöhung der Parteienförderung gestimmt, gab Zinggl zu bedenken. Eher gehe außerdem ein Kamel durchs Nadelöhr, als dass sich die ÖVP vom Rechnungshof prüfen lasse, ist er überzeugt. Noll erinnerte daran, dass der ursprüngliche Anlass für die Diskussion über das Parteiengesetz nicht das Ibiza-Video gewesen sei, sondern die massive Überschreitung des Wahlkampfkostendeckels durch die ÖVP bei den Wahlen 2017.

Neben erweiterten Prüfbefugnissen für den Rechnungshof trat die Liste JETZT für eine drastische Kürzung der Parteienförderung ein. Die österreichischen Parteien seien mit öffentlichem Geld "überfüttert", sagte Noll. Den Bonus bei der Klubförderung bei einem hohen Frauenanteil hält er dennoch für richtig, ein Malus wäre seiner Meinung nach demokratiepolitisch fragwürdig.

Für Lacher am Rande sorgte Pilz mit seiner Bemerkung, dass man der Liste JETZT eines sicher nicht vorwerfen könne, nämlich Sesselkleber zu sein.

SPÖ: Spendenobergrenze sorgt für mehr Fairness im Wahlkampf
Massive Kritik an der ÖVP übte auch die SPÖ. Deren Politik der vergangenen Monate habe sehr wohl den Anschein erweckt, dass Politik käuflich sei, hielt etwa Verfassungssprecher Peter Wittmann fest und zog einen Vergleich zwischen den Großspenden an die ÖVP und Oligarchen. Es müsse eine Beschränkung von Spenden geben: "Wir wollen nicht, dass die Republik ausverkauft wird." Zu noch drastischeren Formulierungen griff Klubobmann Jörg Leichtfried, den indirekten Vorwurf der Bestechlichkeit gegenüber der ÖVP nahm er nach Protesten allerdings wieder zurück.

Die SPÖ hob darüber hinaus wiederholt hervor, dass es nicht das Ibiza-Video allein gewesen sei, dass die öffentliche Diskussion über die Parteienfinanzierung ausgelöst habe. Auch die Überschreitung der Wahlkampfkostenobergrenze durch die ÖVP bei den Nationalratswahlen 2017 um 6 Mio. € und die Verschweigung von Großspenden haben ihrer Meinung nach massiven Reformbedarf aufgezeigt. Man müsse dem Eindruck in der Öffentlichkeit entgegenwirken, dass jene, die Geld haben, Politik eher beeinflussen können als jene, die zur Wahl gehen, sagte Leichtfried. Angela Lueger betonte, die SPÖ stehe für einen fairen, gesetzeskonformen Wahlkampf mit gleichen Bedingungen für alle.

Dass die neuen Regelungen keinen Beitrag zu mehr Transparenz leisten und Umgehungskonstruktionen weiter ermöglichen, wurde unter anderem von SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda in Abrede gestellt. Das Gesetz enthalte sehr viele Transparenzregeln, bekräftigte er. Zudem wies die SPÖ darauf hin, dass die künftige Spendenobergrenze von 7.500 € auch für Vereine gilt. Im Übrigen habe der Rechnungshof schon im bestehenden System weitreichende Möglichkeiten, die Parteifinanzen zu prüfen, sagte Lueger und machte unter anderem auf dessen Einbindung bei der Bestellung der Wirtschaftsprüfer aufmerksam.

Abänderungsantrag bringt Ausnahmebestimmungen für lokale Veranstaltungen
Lueger nutzte ihre Wortmeldung auch dazu, um einen gemeinsamen Abänderungsantrag von SPÖ, FPÖ und JETZT zu jenem SPÖ-Antrag einzubringen, der der Diskussion über das Parteiengesetz zugrunde lag. Neben der Aufnahme der Spendenobergrenzen in den Sanktionsmechanismus und Präzisierungen zum jährlichen Finanzbericht der Parteien enthält dieser auch Ausnahmebestimmungen für lokale Sommerfeste, Grätzelfeste, weihnachtliche Punschstände, Kinderfaschingsfeste und ähnliche Veranstaltungen von Parteien und parteinahen Organisationen. Zuwendungen im Rahmen solcher Veranstaltungen bis zur Höhe von 100 € sollen demnach nicht unter den Spendenbegriff fallen, sofern die Veranstaltung nicht der Registrierkassenpflicht unterliegt.

FPÖ gegen wechselseitige Schuldzuweisungen
Gegen wechselseitige Schuldzuweisungen wandte sich FPÖ-Verfassungssprecher Harald Stefan. Es brauche eine sachliche Diskussion, mahnte er. Sich gegenseitig zu beschädigen und mit dem Finger immer nur auf die anderen zu zeigen, ohne die eigenen Fehler zu sehen, bringe nichts. Umgehungskonstruktionen wird es nach Einschätzung Stefans immer geben, mit der vorliegenden Gesetzesnovelle würden aber wesentliche Schritte gesetzt. Konkret nannte er etwa die Einbeziehung von Personenkomitees in die Wahlkampfkostenobergrenze, die Erweiterung des Rechenschaftsberichts, hohe Strafen bei Überschreitung der Wahlkampfkosten und die Begrenzung von Parteispenden.

Spendenobergrenzen hält auch FPÖ-Chef Norbert Hofer für dringend geboten. Es sei wichtig, dass PolitikerInnen unbeeinflusst entscheiden, betonte er. Parteispenden brächten die Gefahr einer "Anfütterung" von Parteien mit sich. Nicht umsonst sei die Anfütterung von einzelnen MandatarInnen verboten, das gelte es nun auch bei Parteien abzustellen: "Wir haben eine gute Parteienförderung, wir brauchen diese Großspenden nicht." Man müsse sich entscheiden, welches System man in Österreich haben wolle, bekräftigte Hofer: Eine öffentliche Parteienfinanzierung oder ein System wie in den USA, wo die Politik von Unternehmen und Großspenden abhängig sei.

Auch insgesamt wertete Hofer das vorliegende Gesetzespaket als einen großen Schritt nach vorne. "Wir schließen Lücken", betonte er. Eine Benachteiligung neuer Parteien sieht er nicht, 1,5 Mio. € für einen Wahlkampf seien durchaus ausreichend. Dass die FPÖ eine unmittelbare Offenlegung der Parteifinanzen gegenüber dem Rechnungshof ablehnt, begründete Stefan damit, dass dieser als Hilfsorgan des Parlaments dazu da sei, die Verwendung öffentlicher Gelder durch die Verwaltung zu überprüfen. Man solle Exekutive und Legislative nicht vermischen.

Zum Schluss meldete sich auch noch die fraktionslose Abgeordnete Martha Bißmann zu Wort. Sie zitierte aus dem Mail eines Bürgers und meinte, es werde einen massiven Kraftakt brauchen, um das Vertrauen der BürgerInnen in die Politik wieder herzustellen und das Image des Berufs Politiker zu reparieren.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
https://www.parlament.gv.at

 

 

 

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