Der Lohnsäckel der Salzburger im Wandel der Zeit

 

erstellt am
03. 07. 19
18:00 MEZ

Salzburg (universität) - Ein Forscherteam des Fachbereichs Geschichte der Universität Salzburg wühlt sich derzeit durch hunderte von dicken Rechnungsbüchern, die über die Ausgaben der einstigen Pflegeeinrichtungen im Salzburger Bürgerspital und im Bruderhaus seit Ende des 15.Jahrhunderts detailliert Auskunft geben. Die im Laufe der Jahre schwankenden Preise von Getreide, Bier, Fleisch oder Brennholz und die unterschiedlichen Löhne sind mehr als nur Zahlenspielereien. Richtig interpretiert, zeichnen sie ein genaues Abbild der wirtschaftlichen Situation sowie der Lebenshaltung, die eine Stadt über die Jahre prägt.

Seit Oktober 2017 arbeitet das Forscherteam um Projektleiter Prof. Reinhold Reith und seinen Mitarbeitern Andreas Zechner und Elias Knapp eng mit dem Salzburger Stadtarchiv zusammen. Von der peniblen und modernen Buchführung in den frühen Aufzeichnungen des Bürgerspitals und des Bruderhauses sind sie begeistert. „Einnahmen und Ausgaben werden genau angeführt. Wir bekommen nicht nur einen Überblick über diverse Einkäufe, sondern sehen auch, welches Honorar an den Arzt oder welcher Lohn an die Köchin gezahlt wurde.“ Die Aufarbeitung dieser Daten ist auch deshalb so wichtig, weil die Stadt Salzburg diesbezüglich noch unerforschtes Gebiet war. „Über Wien oder andere europäische Städte gibt es bereits Material. Zu Salzburg, einer mittelgroßen Stadt im Westen Österreichs – damals die Residenzstadt des Erzstifts - gab es bisher keine Daten. Der Vergleich mit anderen Städten ist natürlich interessant“, so Reith. Dass ausgerechnet anhand von Daten kommunaler Spitäler geforscht wird, hat einen triftigen Grund: „Die Spitäler waren große, öffentliche Einrichtungen, die durch Spenden der Bevölkerung betrieben wurden. Die Buchführung war sehr genau und wurde überprüft.“ Zudem stützt man sich auch in anderen Städten meist auf das Datenmaterial aus Pflegeeinrichtungen. Das Salzburger Team kooperiert unter anderem mit Historikern der Universität Wien, die Datenmaterial des Bürgerspitals in Wien und Klosterneuburg auswerten.

Europaweit wurde bereits in den 1930er Jahren zu Löhnen und Preisen geforscht. Doch die Salzburger Historiker betrachten die vorliegenden Daten und die damit einhergehende These der „Great Divergence“ (in Bezug auf die Löhne und die Lebenshaltung) kritisch. Diese These besagt unter anderem, dass Nordwesteuropa im 17. Jahrhundert den Rest der Welt in der Wirtschaftsleistung überholt hat. „Man muss hier prüfen, welches Datenmaterial benutzt wurde, wie es zustande gekommen ist und was es aussagen kann“, erklärt Reith. Die ältere Forschung hat beispielsweise ausschließlich die Geldlöhne betrachtet und oft nur Schwankungen der Getreidepreise berücksichtigt. In den Aufzeichnungen des Bürgerspitals sind aber auch zusätzlich sogenannte Naturallöhne verzeichnet. Das Personal im Bürgerspital bekam auch Essen und Kleidung, was gerade in Zeiten von Nahrungsmittelknappheit von Bedeutung und miteinzubeziehen ist.

Die mühevolle Eingabe und Auswertung von Lohn- und Preisreihen ist demnächst abgeschlossen. „Die moderne Datenverarbeitung hilft uns dabei natürlich sehr. Früher, als man noch mit dem Taschenrechner gearbeitet hat, wäre das in dem Ausmaß noch gar nicht möglich gewesen“, erklärt Reith. Der nächste Schritt ist, die gewonnenen Ergebnisse überregional vergleichbar zu machen. Da es europaweit verschiedenste Zahlungsmittel gab, wird eine Umrechnung auf Silberäquivalente vorgenommen. Mit Abschluss des Projekts ist geplant, das Zahlenmaterial online zu stellen, damit auch andere Forscher darauf zugreifen können. Der Daten-Schatz ist schließlich außergewöhnlich: Die beforschte Zeitspanne zieht sich vom 15. bis ins 19. Jahrhundert.

 

 

 

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