Die Vermessung der Naturgesetze

 

erstellt am
02. 07. 19
13:00 MEZ

Eine Naturkonstante mit großer Bedeutung für die Teilchenphysik konnte nun neu gemessen werden – mit deutlich höherer Präzision als bisher.
Wien (tu) - Es gibt einige Zahlenwerte, die grundlegende Eigenschaften unseres Universums festlegen. Sie sind einfach so wie sie sind und niemand weiß warum. Dazu gehört etwa der Wert der Lichtgeschwindigkeit, die Masse des Elektrons oder auch die Kopplungskonstanten, von denen die Stärke der Naturkräfte definiert wird.

Eine dieser Kopplungskonstanten, die "schwache Axialvektor-Kopplungskonstante" (abgekürzt gA) konnte nun mit Beteiligung der TU Wien viel genauer gemessen werden als bisher. Sie wird benötigt, um die Kernfusion in der Sonne zu erklären, um die Entstehung der Elemente kurz nach dem Urknall zu verstehen oder auch, um wichtige Experimente der Teilchenphysik nachzurechnen. Mit Hilfe ausgeklügelter Neutronenexperimente konnte man den Wert der Kopplungskonstante gA nun mit einer Genauigkeit von 0,04 % angeben. Das Ergebnis wurde nun im Fachjournal "Physical Review Letters" publiziert.

Wenn Teilchen sich verwandeln
In unserem Universum gibt es vier fundamentale Kräfte: Elektromagnetismus, starke und schwache Kernkraft und die Gravitation. "Um diese Kräfte zu berechnen, muss man bestimmte Parameter kennen, die ihre Stärke angeben – und insbesondere bei der schwachen Wechselwirkung ist das eine komplizierte Angelegenheit", sagt Prof. Hartmut Abele vom Atominstitut der TU Wien. Die schwache Wechselwirkung spielt eine entscheidende Rolle, wenn bestimmte Teilchen in andere umgewandelt werden – wenn etwa in der Sonne zwei Protonen zu einem Kern verschmelzen und eines von ihnen dabei zu einem Neutron wird. Um solche Prozesse zu analysieren braucht man die "schwache Axialvektor-Kopplungskonstante" gA.

Es gab bisher unterschiedliche Versuche, diese Konstante zu messen. "Bei manchen davon gab es allerdings systematische Korrekturen und große Störfaktoren, die das Ergebnis um bis zu 30 % veränderten", sagt Hartmut Abele.

Ein anderes Messprinzip wurde in den 1980er Jahren von Prof. Dirk Dubbers in Heidelberg entwickelt – unter dem Namen "PERKEO". Hartmut Abele ist an der Arbeit an den PERKEO-Detektoren seit vielen Jahren beteiligt, "PERKEO 2" hatte er selbst im Rahmen seiner Dissertation entwickelt. Nun arbeitete er mit seinem ehemaligen Studenten Prof. Bastian Märkisch von der TU München und Torsten Soldner vom Institut Laue-Langevin in Grenoble zusammen, um die Messmethode ein weiteres Mal deutlich zu verbessern. Mit "PERKEO 3" konnten in Grenoble nun Messungen durchgeführt werden, die alle bisherigen an Genauigkeit weit übertreffen.

Der PEREKO-Detektor analysiert Neutronen, die in Protonen zerfallen und dabei ein Elektron emittieren. "Diese Elektronenemission ist nicht perfekt symmetrisch", erklärt Hartmut Abele. "Auf der einen Seite misst man ein bisschen mehr Elektronen als auf der anderen – das hängt von der Spinrichtung des Neutrons ab." Der PERKEO-Detektor sammelt mit Hilfe starker Magnetfelder die Elektronen aus beiden Richtungen ein und zählt sie dann. Aus der Stärke der Asymmetrie, also dem Unterschied der Elektronenanzahl in den beiden Richtungen, kann man dann direkt auf den Wert der Kopplungskonstanten gA schließen.

Vom Urknall bis zum CERN
In vielen Bereichen der modernen Physik ist ein möglichst genauer Zahlenwert für die Kopplungskonstante gA wichtig: Etwa eine Sekunde nach dem Urknall begann die "primordiale Nukleosynthese" – die Entstehung der ersten Elemente. Welche Menge von welchen Elementen damals entstand, hängt unter anderem von gA ab. Und diese ersten Sekunden der Nukleosynthese bestimmen die Element-Verteilung des Universums bis heute. Auch die Frage, wie die Energie im Universum auf gewöhnliche Atome und dunkle Materie verteilt ist, hängt mit dieser Kopplungskonstante zusammen. Nicht zuletzt ist sie entscheidend um die Genauigkeit großer Experimente zu erhöhen – etwa rund um Teilchenkollisionen am CERN.

Originalpublikation: B. Märkisch et al., Phys. Rev. Lett. 122, 242501 (2019).
https://doi.org/10.1103/PhysRevLett.122.242501

 

 

 

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