Strom soll bis 2030 nur noch aus erneuerbaren Energiequellen kommen
Wien (pk) - SPÖ, ÖVP, NEOS und JETZT haben im Nationalrat eine gemeinsame Initiative zur Ausrufung
des Klimanotstands in Österreich eingebracht. Der Umweltausschuss ist angehalten, noch vor der nächsten
regulären Nationalratssitzung am 25. September seine Beratungen über einen entsprechenden Entschließungsantrag
abzuschließen. Nun ist der Bundesrat vorgeprescht. Einstimmig sprachen sich die Mitglieder der Länderkammer
am Ende der Sitzung vom 11. Juli dafür aus, auch hierzulande den "Climate Emergency" zu erklären.
Die Klimakrise sei längst auch in Österreich angekommen, begründen die BundesrätInnen mit Verweis
auf Temperaturanstieg und Wetterkatastrophen den an die Regierung gerichteten Appell. Auch ein gemeinsamer Entschließungsantrag
von SPÖ und Grünen zur Forcierung von Ökostrom fand einhellige Zustimmung.
Mit Stimmenmehrheit nahm der Bundesrat einen von Grünen und ÖVP heute vorgelegten Entschließungsantrag
an, der darauf abzielt, die Eigenverbrauchsabgabe für Strom aus Photovoltaikanlagen abzuschaffen.
Bundesratsinitiative zur Erklärung des "Climate Emergency"
Basis für die Entschließung des Bundesrats zur Erklärung des "Climate Emergency" bildete
ein Antrag, den ÖVP- und SPÖ-BundesrätInnen nicht zuletzt vor dem Hintergrund der "Fridays
For Future – Bewegung" eingebracht haben. Mit der Ausrufung des Klimanotstands durch die Regierung soll ihrer
Meinung nach der Eindämmung der Klima- und Umweltkrise und ihrer schwerwiegenden Folgen höchste Priorität
eingeräumt werden.
Konkret fordern die BundesrätInnen, den Nationalen Energie- und Klimaplan – aufbauend auf nationalen und internationalen
Forschungsergebnissen – nachzubessern und umgehende Maßnahmen vorzubereiten, um den Ausstoß von Treibhausgasen
ohne Einsatz risikoreicher Kompensationstechnologien und ohne Ankauf von Emissions-Zertifikaten nachweislich zu
verringern. Ziel soll es sein, die Emissionen ehestmöglich, jedenfalls noch vor Mitte des Jahrhunderts, und
sozial verträglich über die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens hinaus "auf Netto-Null"
zu reduzieren, um einen angemessenen Beitrag Österreichs zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad
Celsius zu leisten.
Weiters ersuchen die BundesrätInnen die Regierung, bei künftigen Entscheidungen die Auswirkungen auf
das Klima und den Klimaschutz zu berücksichtigen, die österreichische Bevölkerung umfassend zu informieren,
sich auch auf internationaler Ebene für Klima- und Umweltschutz stark zu machen sowie bei der Umsetzung von
Maßnahmen mit den Bundesländern und den Gemeinden zu kooperieren.
Unterstrichen wurde die Bedeutung klimaschutzrelevanter Maßnahmen von den BundesrätInnen Andrea Holzner
(ÖVP/O), Stefan Schennach (SPÖ/W), Ewa Dziedzic (Grüne/W) und Peter Samt (FPÖ/St). Als Beispiele
nannten sie etwa die Unterstützung moderner Umwelttechnologien, die Sanierung von Wohnbauten, die Schaffung
eines nachhaltigen Verkehrskonzepts, Investitionen in Eisenbahnstrecken, die Streichung von Subventionen für
den Flugverkehr, aber auch Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung. "Ziehen wir an einem Strang",
appellierte Holzner an ihre KollegInnen.
Die Debatte zeigte allerdings, dass sich die Parteien in etlichen Punkten uneinig sind. So gab es etwa für
einen Entschließungsantrag, den die Grünen einbringen wollten, keinerlei Unterstützung von den
anderen Fraktionen. Der Antrag zielte unter anderem auf die Streichung klimaschädigender Subventionen, eine
aufkommensneutrale ökosoziale Steuerreform und eine Verankerung des Klimaschutzes in der Verfassung ab. Zwischen
FPÖ und Grünen entwickelte sich außerdem ein Disput darüber, inwieweit Wasserstoffantrieb
eine probate Zukunftstechnologie zur Eindämmung von Treibhausgasemissionen ist, zumal Wasserstoff derzeit
vorwiegend aus fossilen Energieträgern wie Erdgas gewonnen wird, wie Dziedzic erklärte.
Generell kritisierten die Grünen, dass viel zu wenig getan werde, um den Treibhausgasausstoß zu senken.
Dafür sei Östererich auch bereits von der EU gerügt worden, hielt Dziedzic fest. Sie macht dafür
in erster Linie die türkis-blaue Regierung verantwortlich. Aber auch die Übergangsregierung ist ihrer
Meinung nach säumig, die "Mission 2030" auf Herz und Nieren zu prüfen und nachzubessern.
Seitens der SPÖ wies Schennach darauf hin, dass der Bundesrat – nach dem britischen, dem irischen und dem
französischen Parlament – die vierte parlamentarische Kammer in Europa ist, die den "Climate Emergency"
erklärt. Auch einige österreichische Gemeinden und große internationale Städte hätten
diesen wichtigen Schritt bereits gesetzt, zeigte er sich erfreut. Auch ÖVP-Bundesrätin Holzner und FPÖ-Bundesrat
Samt sprachen von einem starken politischen Signal.
BundesrätInnen fordern 100 Prozent Ökostrom bis 2030
Gleichfalls einstimmig von den BundesrätInnen angenommen wurde ein von Grünen und SPÖ gemeinsam
eingebrachter Entschließungsantrag zur Forcierung von Ökostrom. Die Regierung wird mit dem Antrag aufgefordert
auf, ehestmöglich einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, der die Erreichung des Ausbauziels von 100% Ökostrom
bis zum Jahr 2030 gewährleistet.
Energie aus Wind, Sonne und Wasser sei im Gegensatz zu konventionellen Energien sauber, sie belaste nicht das Klima
und verpeste auch nicht die Atemluft. Außerdem sei sie erneuerbar und damit die Zukunft, heißt es unter
anderem in den Erläuterungen zum Antrag. Laut SPÖ und Grünen liegt der Anteil an erneuerbaren Energien
in Österreich derzeit bei rund 33,5%, Strom stammt schon zu rund 72% aus erneuerbaren Quellen.
Seitens der ÖVP bedankte sich der Vorarlberger Magnus Brunner bei Grünen-Bundesrat David Stögmüller
für dessen Initiative. Damit werde nochmals festgehalten, was grundsätzlich bereits im Regierungsprogramm
und in der Klima- und Energiestrategie festgeschrieben wurde, sagte er. Auch der niederösterreichische FPÖ-Bundesrat
Michael Bernard (FPÖ/N) verwies auf die entsprechende Passage im Regierungsprogramm.
Nun gilt es Brunner und Bernard zufolge, den Worten Taten folgen zu lassen. Das gesteckte Ziel zu erreichen, sei
nicht so einfach, sagte Brunner und warb unter anderem für die im Nationalrat liegende Ökostromnovelle,
für die es in beiden parlamentarischen Kammern eine Zweidrittelmehrheit braucht. Bernard hält außerdem
eine rasche Beschlussfassung des Erneuerbare-Energien-Ausbaugesetzes für wichtig, für das bereits wichtige
Vorarbeiten geleistet worden seien. Schnellere Verfahrensabwicklungen und verstärkte Anreize zur Nutzung von
Dachflächen für Photovoltaikanlagen sind zwei der geplanten Maßnahmen, die Bernard für sinnvoll
hält.
Auch Bettina Lancaster (SPÖ/O) hält den raschen Ausbau erneuerbarer Energieträger für vordringlich.
Das Vorhaben dürfe durch die bevorstehende Neuwahl nicht verzögert werden, mahnte sie und forderte, die
Vorarbeiten für das Erneuerbare-Energien-Ausbaugesetz der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Bei
der Umsetzung wichtig ist Lancaster die Berücksichtigung des sozialen Aspekts, so müsse etwa Mobilität
für alle leistbar bleiben.
Grüne: Kein Ausbau erneuerbarer Energieträger auf Kosten des Naturschutzes
Namens der Grünen appellierte Stögmüller an die Parteien, auf "politisches Hickhack" zu
verzichten und gemeinsam an einer Energiewende zu arbeiten. Erneuerbare Energie sei schließlich auch wirtschaftlich
die beste Lösung, ist er überzeugt. Stögmüller warnte allerdings davor, erneuerbare Energieträger
auf Kosten des Naturschutzes auszubauen. Gewässer- und Landschaftsschutz dürften nicht unterlaufen werden.
Zudem pochte er darauf, im Erneuerbare-Energien-Ausbaugesetz Partizipationsmöglichkeiten zu verankern. Durch
eine Einbindung der Bevölkerung könnte die Akzeptanz von Projekten erhöht werden, glaubt er. Für
notwendig erachtet er außerdem eine deutliche Reduktion des Energieverbrauchs.
Im Zuge der Debatte brachte Stögmüller darüber hinaus gemeinsam mit der ÖVP einen weiteren
Entschließungsantrag ein, der bei der Abstimmung mehrheitlich angenommen wurde. Dabei geht es um die Abschaffung
der Elektrizitätsabgabe für vor Ort erzeugten und selbst genutzten Strom. Zur Abstimmung nicht zugelassen
wurde hingegen eine Initiative, die auf mehr Fördermittel für Photovoltaik-Anlagen abzielt, da sie nur
die Unterschriften der beiden Grün-MandatarInnen trug.
Fristsetzungsanträge der Grünen abgelehnt
Schließlich wurden vom Bundesrat vier Fristsetzungsanträge der Grünen neuerlich abgelehnt. Der
oberösterreichische Bundesrat David Stögmüller wollte damit erreichen, dass die jeweils zuständigen
Ausschüsse die Beratungen über vier Anträge seiner Partei bis zum 10. Oktober abschließen.
Konkret ging es ihm um einen dem Kinderrechteausschuss zugewiesenen Antrag zur Weiterführung der Jugendhilfe
nach Erreichung der Volljährigkeit, zwei im Verkehrsausschuss liegende Initiativen betreffend den zweigleisigen
Ausbau der Nordwestbahnstrecke zwischen Stockerau und Hollabrunn bzw. betreffend die Rücknahme der Verordnung
zu Tempo 140 auf österreichischen Autobahnen sowie um eine Initiative zur Ausfinanzierung der Justiz, mit
der sich der Justizausschuss zu befassen hat.
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