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Schuld könnten die Gene sein. Zumindest bei Frauen.
Bochum (rub) - Manche Menschen neigen dazu, Handlungen aufzuschieben. Bei Frauen geht dieser Charakterzug
mit der genetischen Veranlagung einher, einen höheren Dopaminspiegel im Gehirn zu besitzen. Das fanden Forscherinnen
und Forscher der Ruhr-Universität Bochum und der Technischen Universität Dresden mit genetischen Analysen
und Fragebögen heraus. Bei Männern konnten sie diesen Zusammenhang nicht feststellen. "Der Botenstoff
Dopamin ist in der Vergangenheit immer wieder mit einer erhöhten kognitiven Flexibilität in Verbindung
gebracht worden", sagt Dr. Erhan Genç aus der Bochumer Abteilung für Biopsychologie. "Das
ist nicht grundsätzlich schlecht, aber geht oftmals mit einer erhöhten Ablenkbarkeit einher."
In der Zeitschrift Social Cognitive and Affective Neuroscience, vorab online veröffentlicht am 3. Juli 2019,
berichtet Erhan Genç unter anderem zusammen mit Caroline Schlüter, Dr. Marlies Pinnow, Prof. Dr. Dr.
h. c. Onur Güntürkün, Prof. Dr. Christian Beste und Privatdozent Dr. Sebastian Ocklenburg über
die Ergebnisse.
Nur bei Frauen
Die Forschungsgruppe untersuchte die genetische Ausstattung von 278 Männern und Frauen. Sie interessierten
sich vor allem für das sogenannte Tyrosinhydroxylase-Gen (TH-Gen). Je nach Ausprägung des Gens besitzen
Menschen im Gehirn viel oder wenig Botenstoffe aus der Katecholamin-Familie, zu denen der Botenstoff Dopamin gehört.
Außerdem erfasste das Team mit einem Fragebogen, wie gut die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Handlungen
kontrollieren können. Frauen mit schlechterer Handlungskontrolle hatten die genetische Anlage für höhere
Dopaminlevel.
Dopamin und Handlungskontrolle
Ob jemand dazu neigt, Aufgaben aufzuschieben oder direkt anzugehen, hängt von der individuellen Fähigkeit
ab, eine Handlungsabsicht aufrechtzuerhalten, ohne sich von Störfaktoren ablenken zu lassen. Genau hierfür
könnte Dopamin entscheidend sein. Der Botenstoff wurde in früheren Studien nicht nur mit erhöhter
kognitiver Flexibilität in Zusammenhang gebracht, sondern scheint auch dafür zu sorgen, dass Informationen
leichter ins Arbeitsgedächtnis gelangen.
"Wir nehmen an, dass es dadurch schwerer wird, eine einmal gefasste Handlungsabsicht aufrechtzuerhalten",
sagt Doktorandin Caroline Schlüter. "Frauen, die aufgrund ihres Genotyps einen höheren Dopaminspiegel
haben, könnten also eher dazu neigen, Handlungen aufzuschieben, weil sie sich stärker von Umwelteinflüssen
und anderen Störfaktoren ablenken lassen."
Empfänglicher für die genetischen bedingten Unterschiede?
Auch frühere Studien haben bereits geschlechtsspezifische Unterschiede zwischen der Ausprägung des
TH-Gens und dem Verhalten zutage gefördert. "Der Zusammenhang ist noch nicht vollständig geklärt,
aber das weibliche Sexualhormon Östrogen scheint eine Rolle zu spielen", erläutert Erhan Genç.
Östrogen beeinflusst indirekt die Dopamin-Produktion im Gehirn und erhöht die Anzahl bestimmter Nervenzellen,
die auf Signale aus dem Dopaminsystem reagieren. "Frauen könnten also aufgrund des Östrogens empfänglicher
für die genetisch bedingten Unterschiede im Dopaminlevel sein, was sich wiederum im Verhalten niederschlägt",
so der Biopsychologe.
Ausblick
In künftigen Studien will das Forschungsteam untersuchen, inwiefern der Östrogenspiegel tatsächlich
einen Einfluss auf den Zusammenhang zwischen TH-Gen und Handlungskontrolle hat. "Hierzu wäre es erforderlich,
den Menstruationszyklus und die damit verbundenen Schwankungen im Östrogenspiegel der Teilnehmerinnen genauer
unter die Lupe zu nehmen", erklärt Caroline Schlüter.
Neben Dopamin beeinflusst das TH-Gen auch Noradrenalin, einen weiteren wichtigen Botenstoff aus der Katecholamin-Familie.
Die Rolle dieser beiden Neurotransmitter für die Handlungskontrolle wollen die Forscherinnen und Forscher
in weiteren Untersuchungen beleuchten.
Förderung
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft förderte die Arbeiten im Rahmen der Grants mit den Nummern GU 227/16-1
und GE 2777/2-1 sowie im Rahmen der Sonderforschungsbereiche 940, Projekt B08, und 1280, Projekt A03. Weitere Unterstützung
kam vom Mercator Research Center Ruhr durch den Grant An-2015-0044.
Originalveröffentlichung
Caroline Schlüter, Larissa Arning, Christoph Fraenz, Patrick
Friedrich, Marlies Pinnow, Onur Güntürkün, Christian Beste, Sebastian Ocklenburg, Erhan Genc: Genetic
variation in dopamine availability modulates the self-reported level of action control in a sex-dependent manner,
2019, Social Cognitive and Affective Neuroscience, DOI: 10.1093/scan/nsz049
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