Neue Erkenntnisse zu Krebs- und
 Autoimmunerkrankungen durch seltenen Gendefekt

 

erstellt am
18. 07. 19
13:00 MEZ

Aufgrund neuer Erkenntnis konnte ein Mädchen mit einer seltenen schweren Autoimmunerkrankung erfolgreich durch zielgerichtete Therapie behandelt werden.
Wien (st. anna) - Auch wenn Autoimmunerkrankungen häufig vorkommen, fehlt uns in vielen Fällen ein Verständnis der zugrundeliegenden Mechanismen. In einer neuen Studie konnte das Team von Kaan Boztug über die Entdeckung einer neuen seltenen Erkrankung jetzt ein Schlüsselmolekül identifizieren, das für das Gleichgewicht im Immunsystem und somit die Verhinderung von Autoimmunität entscheidend ist. Die Forscher konnten aufgrund Ihrer Erkenntnis eine zielgerichtete Therapie identifizieren, die bei einem betroffenen Kind erfolgreich eingesetzt wurde.

Was passiert, wenn der Körper nicht zwischen körpereigenen Zellen und körperfremden Erregern unterscheiden kann? Es kommt zu Angriffen auf die eigenen Organe und das Gewebe. Betroffene Patienten leiden an einer sogenannten Autoimmunerkrankung.

Normalerweise lernen die körpereigenen Abwehrzellen, darunter auch die sogenannten T-Zellen, zwischen Zellen des Körpers und Krankheitserregern zu unterscheiden - man spricht hierbei von Immuntoleranz. Ist diese Immuntoleranz allerdings gestört, so attackieren die T-Zellen den eigenen Körper.

Je früher im Leben eine schwere Autoimmunität auftritt - also insbesondere im frühen Kindesalter - desto eher besteht die Möglichkeit, dass eine angeborene Regulationsstörung des Immunsystems zugrunde liegt. Das Team von Kaan Boztug am Ludwig Boltzmann Institute for Rare and Undiagnosed Diseases (LBI-RUD), der St. Anna Kinderkrebsforschung (CCRI), dem CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der Medizinischen Universität Wien, beforscht die molekularen Ursachen schwerster Störungen im Immungleichgewicht. In diesem Fall untersuchten die ForscherInnen in Kollaboration mit KollegInnen aus den USA, Schweden und Großbritannien, eine kleine Patientin, die seit Geburt an einer besonders schweren und verschiedene Organe betreffenden Autoimmunität litt. Um den Betroffenen zu helfen, haben Boztug und sein Forscherteam modernste genetische Verfahren (Next-Generation Sequencing) eingesetzt und damit erstmals diesen Gendefekt entdeckt. "Uns ist eine Veränderung in der Gensequenz für das Protein DEF6 aufgefallen, die zum Einbau einer falschen Aminosäure in das Protein führt. Hierbei handelt es sich um eine sogenannte Missense-Mutation, die zu einer Veränderung der Struktur und dem Abbau des Proteins führt", erklärt Co-Erstautorin Birgit Höger. Die WissenschaftlerInnen konnten somit eine neue seltene Erkrankung identifizieren und in der Folge zeigen, wie DEF6 einen anderen Schlüsselfaktor im Immungleichgewicht, CTLA-4, steuert - dieser Mechanismus war bis dato vollkommen unbekannt. Basierend auf diesen Erkenntnissen, konnte bei der jungen Patientin ein bereits zugelassener Wirkstoff erfolgreich zur Behandlung eingesetzt werden. "Wir sind überzeugt, dass diese Behandlung auch bei vielen anderen Betroffenen zu einem Therapieerfolg führen kann", so Co-Erstautorin Nina Serwas. CTLA-4 rückte erst vor Kurzem in den Fokus der breiten Öffentlichkeit, als im Jahr 2018 der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin für Arbeiten zu Krebstherapien durch Hemmung von negativen Immunreaktionen vergeben wurde. Neben der Möglichkeit, CTLA-4 zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen einzusetzen, stellt es zudem einen wichtigen Schlüssel für Immuntherapien im Kampf gegen Krebserkrankungen dar.

"Die Erforschung seltener Erkrankungen ermöglicht Erkenntnisse über fundamentale Prozesse der menschlichen Physiologie und hilft uns dabei, Therapien in Fällen zu finden, in denen die konventionellen Ansätze versagen. Wir sind über diese Erkenntnisse hocherfreut, da sie extrem wichtig sind für das Verständnis von Autoimmunität - und zugleich möglicherweise einen neuen Angriffspunkt für Krebs-Immuntherapien ermöglichen", erklärt Kaan Boztug.

Publikation:
Die Ergebnisse der Studie wurden in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht (DOI: 10.1038/s41467-019-10812-x).

 

 

 

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