Große Freude bei der Stadtarchäologie Wien: In der Werdertorgasse 6 im ersten Wiener
Gemeindebezirk stießen ArchäologInnen im Zuge von Grabungsarbeiten unvermutet auf eine spätmittelalterliche
Ufermauer.
Wien (rk) - Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler besuchte die Ausgrabungsstätte und machte
sich ein Bild von den Funden: „Die Stadtarchäologie hat derzeit einen Lauf: Nach den großartigen Funden
in der Naglergasse und Bognergasse wurden nun auch Überreste einer alten Ufermauer in der Werdertorgasse freigelegt.
Dieser einzigartige Fund gibt Hinweise darauf, dass der Altarm der Donau anders verlief als bisher angenommen.
Ein großer Erfolg der Stadtarchäologie, der dazu beiträgt, älteren Versionen der Stadt ein
feineres, authentischeres und korrekteres Gesicht zu verleihen.“
Bereits im Jahre 2008 konnte die Stadtarchäologie Wien auf den benachbarten Parzellen, Neutorgasse 4-8, die
westliche Seite der Neutorbastion samt Stützmauern (Strebemauern), den westlichen Flankenhof und einen Teil
der verbindenden Mauer (Kurtine) zwischen Elendbastion und Neutorbastion, sowie deren Strebemauern freilegen, vermessen
und dokumentieren. In der Werdertorgasse 6 wurden nach Abtragen zahlreicher Planierschichten, in acht Meter Tiefe,
drei Strebemauern, die die Außenmauer der östlichen Bastionsface stützten, sichtbar gemacht. Die
Mauern waren noch ca. 3 m hoch erhalten, die Unterkante konnte bisher nicht erreicht werden.
Die Neutorbastion wurde in den Jahren 1557/58 bis 1561 gemeinsam mit der benachbarten Elendbastion und dem dazwischen
liegenden Schiffsarsenal errichtet.
Einzigartiger Fund in Werdertorgasse 6
Als kleine Sensation kann eine Stein-Holzkonstruktion bezeichnet werden, die jedenfalls schon vor Errichtung
der Neutorbastion entstanden ist und in keiner unmittelbaren Funktion mit dieser stand. In Zusammenarbeit mit dem
Institut für Hydrobiologie und Gewässermanagement an der Universität für Bodenkultur in Wien
kann die Konstruktion als Teil einer Uferbefestigung eines Altarms der Donau bezeichnet werden. Ohne Zweifel war
das Terrain von Hochwässern immer wieder gefährdet und in der Folge durch anthropogen verursachte Ablagerungen
vorübergehend verfestigt worden. Diese Abläufe lassen sich durch den archäologisch bedingten Abtrag
der Schichten gut nachvollziehen. Zahlreiche Lederfunde und Lederabfälle weisen auf den Berufsstand von lederverarbeitenden
Handwerken wie etwa Schuhmacher und Sohlenmacher hin, die durch urkundliche Erwähnungen bezeugt, in der nahe
gelegenen Werder Vorstadt ansässig waren. Neben dem Leder herstellende bzw. Leder verarbeitende Gewerbe gingen
die Bewohner der Vorstadt vor dem Werdertor auch verschiedenen anderen Berufen nach. Erwähnt werden Schuster,
Kürschner und Fischer.
Das Ende der Siedlung im Oberen Werd kam vermutlich mit der Ersten Türkenbelagerung Wiens im Spätsommer
1529. Später wurde das Areal im Bereich des möglicherweise bereits gänzlich verlandeten Altarmes
durch eine Abfolge verschieden dicker Planierschichten als Baugrund für die Neutorbastion aufbereitet.
Seit Ende April führt die Stadtarchäologie Wien im Zuge eines Bauvorhabens in der Werdertorgasse 6 archäologische
Grabungen durch. Der Standort ließ auf Spuren der frühneuzeitlichen Neutorbastion hoffen.
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