Wien (orf) - Nach kurzer schwerer Krankheit ist der ehemalige Generalintendant des ORF gestern, am 26. Juli
im Kreis seiner Familie verstorben. Mit Gerhard Weis verliert Österreich einen großen, besonnenen Denker
und zukunftsweisenden Medienmanager, der Radio und Fernsehen des Landes wesentlich geprägt hat.
„Der Tod von Gerhard Weis macht mich tief betroffen“, trauert ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz um Weis. „Gerhard
Weis war einer der großen Architekten eines modernen, vielfältigen und relevanten ORF. Er hat nicht
nur die Regionalisierung und ‚Verösterreicherung‘ vorangetrieben, sondern den ORF auch als Fenster zur Welt
etwa mit der Teilnahme an 3sat aufgebaut. Er hat Info-, Kultur- und Wissenschaftssäulen errichtet, auf denen
das ORF-Programm heutzutage noch ruht. Und er hat in einer Zeit der schnell wachsenden Konkurrenz die Grundsteine
für die erfolgreiche Flottenstrategie des Unternehmens gelegt. Ohne Gerhard Weis wäre der ORF heute nicht
einer der erfolgreichsten öffentlich-rechtlichen Sender Europas. Er war ein Kämpfer für einen starken
ORF und hat sich immer aufrecht für zukunftsorientierte Rahmenbedingungen für den öffentlich-rechtlichen
Rundfunk mit voller Energie eingesetzt. Unser tiefes Mitgefühl gilt seiner Familie.“
Gerhard Weis wurde am 1. Oktober 1938 in Wien-Brigittenau geboren. Seine journalistische Karriere startete er 1958
als Zeitungsjournalist. 1967 kam der "strukturelle Frühaufsteher" zum ORF - zunächst als innenpolitischer
Redakteur, später als Ressortleiter Innenpolitik. Ab 1973 leitete Weis die ORF-Hauptabteilung Öffentlichkeitsarbeit,
von 1974 bis 1978 war er Intendant für das erste Fernsehprogramm. Es entstanden Serien wie die „Alpensaga"
sowie die Magazine „Schilling" und „Land der Berge". 1979 folgte die Leitung der Abteilung „Öffentlichkeitsarbeit,
Koordination und Unternehmensplanung" in der ORF-Generalintendanz.
Weis war während dieser innovativen Zeit auch Chefredakteur in der Generalintendanz. Die Verwirklichung des
Gemeinschaftsprojekts „3sat", die Gründung des „Teletext", der Minderheitenredaktion und die Einführung
der Föderalismusschiene „Bundesland heute" fielen in diese Periode. Im März 1992 wurde Weis zum
Intendanten des Landesstudios Wien bestellt. Auch dort sorgte er für tiefgreifende Änderungen. „Radio
Wien" wurde zum „Neuen Radio Wien" ummodelliert und auf den Wettbewerb mit den Privatradios vorbereitet.
Ab Oktober 1994 war Weis als Hörfunkintendant tätig und führte erfolgreiche Reformen bei Ö1,
das er zum meistgehörten Kultur- und Informationssender Europas umgestaltete, und Ö3, das er erfolgreich
auf den dualen Radiomarkt vorbereitete, durch. Seit Februar 1997 war er darüber hinaus Generalsekretär.
1998 wurde er zum ORF-Generalintendant gewählt. In seiner Amtszeit (1998 – 2001) als Generalintendant hat
Weis das öffentlich-rechtliche Profil des ORF gestärkt: Information, Wissenschaft und Kultur wurden im
Fernsehen ausgebaut, die Marktanteile gehalten. Im Radio blieben die Marktanteile trotz privater Konkurrenz ebenfalls
auf hohem Niveau, und mit FM4 wurde ein neues vorwiegend fremdsprachiges Jugendkulturradio aus der Taufe gehoben.
„Report international", „Euro Austria", „Bundesland heute" am Wochenende, aber auch „Die Barbara
Karlich Show", „Die Millionenshow" oder „Taxi Orange" waren einige der Fernsehformate, die unter
Weis auf Sendung gingen. Mit dem von ihm initiierten Neubau des Newsroom-Trakts wurde eine zeitgemäße
Heimstätte für alle ZiB-Sendungen des ORF geschaffen. Egal ob Lawinenkatastrophe in Galtür, Tauerntunnelbrand,
oder die Terroranschläge des 11. September, mit dem in seiner Ägide als Generalintendant eingeführten
und konsequent umgesetzten Prinzips der „ereignisbezogenen Information“ wurde das TV-Regelprogramm des ORF im Falle
erhöhter Ereignisdichte mit insgesamt mehr als 250 Sonder- und Spezialsendungen aufgewertet.
Dass dem Bildungsbürger Gerhard Weis Kunst und Kultur und deren Vermittlung an alle Bevölkerungsschichten
ein besonderes Anliegen war, spiegelt sich auch in seinem Engagement bei den Vereinigten Bühnen Wien wieder,
deren Aufsichtsratsvorsitz er bis zuletzt über zwei Jahrzehnte inne hatte.
Bis zuletzt war Gerhard Weis Vorsitzender des Kulturbeirats von ORF III Kultur und Information und trug in den
vergangenen Jahren wesentlich zu dessen Erfolgsgeschichte bei.
Die aktuellen ZiB-Ausgaben und die Nachrichtensendungen und Journale der ORF-Radios gedenken heute an Gerhard Weis.
ORF III erinnert am Montag, dem 29. Juli, um 19.45 Uhr in einem „Kultur heute spezial“: Neben Generaldirektor Dr.
Alexander Wrabetz kommen zahlreiche Freunde und Wegbegleiter zu Wort. U.a. Journalistenlegende Hugo Portisch, Time
Warner International Chef Gerhard Zeiler, ORF-III-Chefredakteurin Ingrid Thurnher, der Geschäftsführer
der Vereinigten Bühnen Wien, Franz Patay, Lebensfreund, ehemaliger Informationsintendant und Ars-ElectronicaGründer
Hannes Leopoldseder, die Direktorin des jüdischen Museums Wien und langjährige ZiB 1-Anchorwoman Danielle
Spera, Filmproduzent Rudolf Klingohr, Kulturmanager Josef Kirchberger, u.v.a..
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