IV-GS Neumayer: Globale Handelsbeziehungen unter Druck, ungeklärte Brexit-Modalitäten
konjunkturbremsend – Auf nationaler Ebene keine weiteren Belastungen vor Wahl setzen
Wien (pdi) - „Die wirtschaftspolitische Unsicherheit wird zu einer wachsenden Bürde der Industriekonjunktur“,
erklärte Mag. Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), am 24. Juli
in einem gemeinsamen Pressegespräch mit IV-Chefökonom Dr. Christian Helmenstein bei der Vorstellung der
Ergebnisse des aktuellen IV-Konjunkturbarometers aus dem 2. Quartal 2019. „Zwar ist eine Rezession weiterhin nicht
in Sicht, doch der österreichischen Wirtschaft steht zumindest bis in den heurigen Herbst hinein eine Phase
geringen Wachstums bevor.“
Zu dem hohen Maß an wirtschaftspolitischer Unsicherheit tragen sowohl internationale als auch nationale Faktoren
bei. Auf der internationalen Ebene belastet vor allem der Handelskonflikt zwischen den USA und China, der inzwischen
zu einem absoluten Rückgang des realen Exportvolumens beider Länder im Vorjahresvergleich geführt
hat. Dazu kommt die problematische Situation in der Straße von Hormuz. In Europa wirken sich die nach wie
vor ungeklärten Brexit-Modalitäten konjunkturbremsend aus. Belastet wird die Exportkonjunktur darüber
hinaus von den fortbestehenden Sanktionen gegen Russland sowie durch die reale Schrumpfung des türkischen
Bruttoinlandsproduktes.
Just in dieser sensiblen konjunkturellen Phase mangelt es Österreich an einer perspektivisch wirtschaftspolitisch
handelnden Bundesregierung. Zwar fallen die unmittelbaren wirtschaftlichen Auswirkungen des vorzeitigen Endes der
Regierungskoalition recht gering aus, zumal die vorübergehend expansive Wirkung des Familienbonus‘ bereits
wirksam wird, doch dämpft die Ungewissheit über die Planbarkeit der Standortbedingungen die Investitionsneigung.
Zudem fällt ein Teil der öffentlichen Nachfrage aus, insoweit bereits laufende Ausschreibungen ebenso
wie zusätzliche Initiativen aufgeschoben wurden. „Dennoch besteht nach wie vor die Chance, dass die österreichische
Wirtschaft in diesem Jahr aus einer Reihe von Gründen einen Wachstumsvorsprung gegenüber der deutschen
Wirtschaft als ihrem wichtigsten Handelspartner von bis zu einem Prozentpunkt erreichen wird“, so Helmenstein.
Voraussetzung sei dabei allerdings die Vermeidung von den Standort belastenden oder unsinnigen Maßnahmen
im Nationalrat vor der Wahl und eine dann bald handlungsfähige neue Bundesregierung.
Die Ergebnisse im Detail
Das IV-Konjunkturbarometer, welches als Mittelwert aus den Beurteilungen der gegenwärtigen Geschäftslage
und der Geschäftslage in sechs Monaten bestimmt wird, bildet sich abermals von dem bereits reduzierten Niveau
der drei Vortermine von 24,9 Punkten auf nunmehr 22,5 Punkte zurück. Da sich der Saldo der aktuellen Geschäftslage
bei +50 Punkten nach zuvor +49 Punkten stabilisiert hat, ist dieser Rückgang zur Gänze auf die weiter
beeinträchtigte Einschätzung der Geschäftserwartungen der Unternehmen auf Sicht der nächsten
sechs Monate zurückzuführen. Nach minimalen Anstiegen zu den beiden vorhergehenden Terminen dreht der
Saldo wieder in negatives Terrain, und zwar von +1 Punkt und auf -4 Punkte. Die von den Instituten im Rahmen ihrer
veröffentlichten Konjunkturprognosen erwartete, leichte Beschleunigung der konjunkturellen Dynamik ab der
zweiten Jahreshälfte ist damit weniger wahrscheinlich geworden. Dabei hat sich der Anteil der Unternehmen
mit optimistischen Geschäftserwartungen über die letzten drei Termine hinweg sogar peu-à-peu von
9 Prozent auf nunmehr 12 Prozent erhöht, allerdings hat sich der Anteil der Unternehmen mit einem pessimistischen
Geschäftsausblick im selben Zeitraum von 11 Prozent auf 16 Prozent erhöht.
Dieser Erhebungstermin ist von einem markanten Rückgang der Gesamtauftragsbestände geprägt, die
von +53 Punkten auf +43 Punkte sinken. Darin spiegelt sich bei einem weiterhin hohen Produktionsausstoß die
Schwäche der Auftragseingänge wider, was eine moderate Verkürzung der Auftragsreichweite zur Folge
hat. Die anhaltende Schwäche des Euro gegenüber dem US-Dollar, welches in einem Bewertungsniveau weit
unterhalb eines fundamental gerechtfertigten Niveaus zum Ausdruck kommt, und die weiterhin hohe realwirtschaftliche
Dynamik in Zentral- und Osteuropa bremsen den Rückgang in der Komponente der Auslandsaufträge, deren
Saldo dennoch auf +42 Punkte nach zuvor +48 Punkten nachgibt.
Vor dem Erfahrungshintergrund des Jahres 2008, als sich die seinerzeitigen Auftragsbestände nur noch teilweise
in entsprechenden Umsätzen materialisierten, sind die Unternehmen bestrebt, ihre bestehenden Aufträge
zügig erlösgenerierend abzuarbeiten. Dementsprechend behalten die Unternehmen ihre Produktionsplanungen
im Aggregat bei und beabsichtigen, ihre Produktionstätigkeit bei einem unveränderten saisonbereinigten
Wert von +5 Punkten trotz wachsender Produktionskapazitäten nur geringfügig auszuweiten. Dies impliziert
während der kommenden Monate eine weiter sinkende Kapazitätsauslastung in der Industrie, was neben den
abgeschwächten Konjunkturaussichten die Investitionsneigung weiter dämpfen wird.
Im Einklang mit den sich weiter eintrübenden Geschäftserwartungen sinkt der Indikator zur Entwicklung
des Beschäftigtenstandes gegenüber dem Vortermin beträchtlich um sieben Punkte auf nunmehr +5 Punkte.
Zwar ist die Einstellungsneigung bei einem Teil der Respondenten nach wie vor hoch – 18 Prozent der Unternehmen
planen einen weiteren Beschäftigungsaufbau –, zugleich nimmt der Anteil der Unternehmen, die sich mit der
Notwendigkeit eines Beschäftigungsabbaus konfrontiert sehen, von 9 Prozent auf 13 Prozent, also von jedem
elften auf jedes achte Unternehmen zu. Während der ausgeprägte Fachkräftemangel somit einerseits
zu zahlreichen weiterhin unbesetzten Stellen in den Industrieunternehmen führt, ist diese Entwicklung der
Vorbote eines sich deutlich verlangsamenden Stellenaufbaus mit dem Ergebnis, dass sich der Abbau der Arbeitslosigkeit
bei einem zunehmenden Arbeitsangebot auf Sicht der nächsten Quartale kaum mehr vorankommen wird.
Grosso modo halbiert sich der Anteil der Unternehmen, welche angesichts rapide abnehmender Preiserhöhungsspielräume
höhere Verkaufspreise von 15 auf 7 Prozent erzielen. Mit 13 Prozent unverändert bleibt hingegen der Anteil
der Unternehmen, die sich auf Sicht der nächsten drei Monate bereits wieder fallenden Verkaufspreisen gegenübersehen.
Dreizehn von vierzehn Unternehmen sehen in den kommenden Monaten somit keine Möglichkeit, Kostenbelastungen
zu überwälzen, sondern sie sind gezwungen, diese gewinnmindernd selbst zu tragen.
Dementsprechend verschlechtern sich die zuvor schon abwärts gerichteten Ertragserwartungen zum inzwischen
sechsten Mal in Folge von zuvor -4 Punkten auf nunmehr -9 Punkte. Bei der aktuellen Ertragslage von +35 Punkten
(plus 3 Punkte) hallt die noch intakte Mengenkonjunktur nach, doch ist angesichts deutlich gedämpfter Gewinnerwartungen
ab dem Fiskaljahr 2020 mit negativen Rückwirkungen auf das Aufkommen aus Unternehmenssteuern zu rechnen.
Die IV-Konjunkturumfrage: Zur Befragungsmethode
An der jüngsten Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung beteiligten sich 389 Unternehmen mit rund 273.250
Beschäftigten. Bei der Konjunkturumfrage der IV kommt folgende Methode zur Anwendung: Den Unternehmen werden
drei Antwortmöglichkeiten vorgelegt: positiv, neutral und negativ. Errechnet werden die (beschäftigungsgewichteten)
Prozentanteile dieser Antwortkategorien, sodann wird der konjunktursensible „Saldo“ aus den Prozentanteilen positiver
und negativer Antworten unter Vernachlässigung der neutralen gebildet.
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