Das neue Integrationsleitbild Tirol

 

erstellt am
05. 08. 19
13:00 MEZ

Leitfaden für ein gutes Miteinander
Innsbruck (lk) - Vor 13 Jahren – im Jahr 2006 – entwickelte Tirol als erstes österreichisches Bundesland ein Integrationsleitbild. Viele Bundesländer sind diesem Beispiel gefolgt. „Damals lag der Fokus auf zugewanderten Menschen und darauf, sie in ihrem Integrationsprozess zu unterstützen. Das war wichtig und richtig. Mit dem Bevölkerungszuwachs durch eine positive Geburten- und Wanderungsbilanz und dem gesellschaftlichen Wandel gibt es immer mehr unterschiedliche Lebensweisen, die neue Herausforderungen mit sich bringen“, erläutert Integrationslandesrätin Gabriele Fischer. Deshalb gab sie den Auftrag für die Erstellung eines neuen Integrationsleitbilds für Tirol, um der wachsenden Vielfalt im Land gerecht zu werden. „Man stelle sich vor: Mit 182 Nationalitäten sind in Tirol über 90 Prozent aller Länder weltweit vertreten. In jedem einzelnen Bezirk leben Menschen aus über 100 Nationalitäten“, zeigt LRin Fischer auf.

Der Integrationslandesrätin war es wichtig, dass in der Neufassung des Integrationsleitbildes auch die Mehrheitsbevölkerung stark miteinbezogen wird. So ist es nicht mehr nur auf jene Menschen ausgerichtet, die in jüngerer Zeit nach Tirol gekommen sind, sondern auf alle in Tirol lebenden Menschen. „‚Mehr Miteinander und weniger Nebeneinander‘ ist nun auch einer der Eckpfeiler des neuen Leitbilds, das sich an die Gesamtbevölkerung richtet und einen Wegweiser für den Umgang mit Vielfalt und für ein gutes Zusammenleben darstellt“, betont LRin Fischer. Ziel sei es, das Gemeinwohl und die Zugehörigkeit zu stärken, denn: „Damit das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft für alle ein Gewinn ist, braucht es die viele Akteurinnen und Akteure – es braucht die gesamte Gesellschaft“, ist LRin Fischer überzeugt.

Breit angelegter Prozess und viel Expertise
Bereits 2013 wurde per Regierungsbeschluss Integration als Querschnittsmaterie definiert und eine ressortübergreifende Zusammenarbeit der gesamten Regierung festgeschrieben. Die Neufassung des Integrationsleitbilds ist der nächste Schritt, der auch nach außen wirksam sein und von der Bevölkerung getragen werden soll. „Die Erstellung des Integrationsleitbilds erfolgte in Form eines breit angelegten Prozesses unter Mitwirkung und Einbeziehung von viel Expertise“, berichtet Ines Bürgler, Vorständin der Abteilung Gesellschaft und Arbeit. „Akteurinnen und Akteure dem aus Arbeitsmarkt- Bildungs-, Sozial- und Wirtschaftsbereich sowie dem Integrationsbereich aus sämtlichen Bezirken Tirols lieferten im Rahmen von Interviews und mittels einer Onlinebefragung wertvolle Inputs, die im Rahmen von Fokusgruppen diskutiert wurden“.

Vier Leitlinien für den Umgang mit Vielfalt
Als zentrales Ergebnis kristallisierten sich vier Leitlinien heraus, die gemeinsam die Richtung für eine Stärkung des Gemeinwohls und der Zugehörigkeit vorgeben:

1 Orientierung schafft Sicherheit
„Gesellschaftliche Veränderungen – wie sie ständig stattfinden und bei Weitem nicht nur mit Zuwanderung zu tun haben – schaffen Verunsicherung. Orientierung und Sicherheit entstehen, wenn wir Veränderungen verstehen und Möglichkeiten für deren Gestaltung haben“, erläutert der Soziologe und Autor des neuen Integrationsleitbilds Simon Burtscher-Mathis. Notwendig seien daher der Austausch zwischen Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte sowie die gemeinsame Gestaltung des Zusammenlebens. „Konkret kann dies in der Integrationsarbeit durch gemeinsame Projekte auf kommunaler Ebene umgesetzt werden. Dies geschieht bereits erfolgreich in einigen Gemeinden Tirols“, so Burtscher-Mathis.

2 Beziehung braucht Auseinandersetzung
Die Grundlage für ein gutes Zusammenleben bilden gemeinsame Werte und Normen, die in Tirol auf der Europäischen Menschenrechtskonvention, der Österreichischen Bundesverfassung und der Tiroler Landesverfassung basieren und für die gesamte Bevölkerung als Rechte und Pflichten gelten. „Zunehmende Vielfalt bedeutet auch, dass wir mit neuen Verhaltensweisen und Werteordnungen konfrontiert sind. Der permanente Fokus auf die Unterschiede verstellt den Blick auf Verbindendes. Sich widersprechende Einstellungen und Haltungen müssen daher respektvoll diskutiert und in der Folge das Gemeinsame herausgearbeitet werden“, betont Burtscher-Mathis und schlägt dafür Kooperationsprojekte unter aktiver Beteiligung unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen vor.

3 Kooperation stärkt Zusammenhalt
Für einen konstruktiven Umgang mit zunehmender Vielfalt braucht es das Bewusstsein und die Anerkennung für unterschiedliche Lebensformen sowie die Fähigkeit, mit Verunsicherungen und Widersprüchen umgehen zu können. „Gemeinsame Bedürfnisse und Interessen ermöglichen Beziehungen und Zusammenarbeit – unabhängig von den Unterschieden“, weiß der Soziologe. Erlebte und gelebte Zusammenarbeit stärkt diese Gemeinsamkeiten und schafft Zusammenhalt – Modelle für eine erfolgreiche Umsetzung finden sich in der Vereins- und Gemeinwesenarbeit in ganz Tirol.

4 Gesellschaftliche Entwicklung benötigt individuelle Potenziale
Ein chancengerechter Zugang zu allen Angeboten der Gesellschaft ist die Voraussetzung für die Förderung von persönlichen Fähigkeiten und infolge für gesellschaftliche Entwicklung. „Es braucht die Teilhabe und Mitwirkung aller – unabhängig von Alter, Geschlecht, Bildungshintergrund oder Migrationserfahrung“, stellt Burtscher-Mathis klar. „Chancengerechtigkeit ist der erste Schritt – um diese individuellen Fähigkeiten aber auch für die Gesellschaft einzusetzen, ist ein Gefühl der Verbundenheit mit der Gemeinschaft und den darin geteilten Werten und Normen notwendig. „Dieser Prozess ist vice versa zu verstehen: Die ansässige Bevölkerung erkennt Zugewanderte als Teil der Gesellschaft an und Zugewanderte fühlen sich selbst zugehörig zu ihrer neuen Heimat“, führt Burtscher-Mathis aus. Beispiele dafür finden sich in Bildungseinrichtungen und in der Jugendarbeit: Durch die Förderung und Unterstützung von Kindern und Jugendlichen wird Verbundenheit durch Anerkennung geschaffen.

Integration gelingt
„Diese Leitlinien geben vor, worauf bei der Integrationsarbeit in Tirol zu achten ist. Nun geht es darum, diesen Wegweisern Leben einzuhauchen. Das Integrationsleitbild lebt davon, dass es benützt und genützt wird“, gibt LRin Fischer die Richtung vor und ruft alle Menschen in Tirol auf, sich zugunsten eines guten Zusammenlebens aller auf ihre persönliche Art und Weise einzubringen. Denn: „Integration gelingt. Sie wird jeden Tag, Woche für Woche gelebt. Oft unbemerkt, in kleinen Schritten und alltäglichen Momenten. Doch in ihrer Gesamtheit gesehen, machen sie sehr viel aus“, ist LRin Fischer überzeugt. Die Wertschätzung von Vielfalt, auch im ländlichen Raum, eröffnet neue Entwicklungsperspektiven für die demografischen und ökonomischen Herausforderungen unserer Zeit. „Diversitätspolitik verbessert die Lebensqualität aller Bürgerinnen und Bürger, steigert die Attraktivität des Standortes, eröffnet neue ökonomische und soziale Perspektiven und schafft ein intaktes Gemeinwesen“, so die Integrationslandesrätin abschließend.

 

 

 

Weitere Informationen:
http://www.tirol.gv.at/integration

 

 

 

 

 

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