Von japanischer Korbflechtkunst zu Nanotechnologie mit Ionenstrahlen
Wien (öaw) - Die Eigenschaften von Hochtemperatur-Supraleitern können durch künstliche Defekte
gezielt verändert werden. Einem internationalen Forschungsteam um den Physiker Wolfgang Lang an der Universität
Wien ist es nun gelungen, die weltweit dichtesten komplexen Nanogitter zur Verankerung von magnetischen Flussquanten,
den Fluxonen, herzustellen. Dies wurde durch Bestrahlung des Supraleiters mit einem Helium-Ionen-Mikroskop an der
Universität Tübingen erreicht, eine Technologie, die erst seit Kurzem verfügbar ist. Inspiriert
wurden die ForscherInnen hierbei von einer traditionellen japanischen Korbflechtkunst. Die Ergebnisse wurden kürzlich
im Journal "ACS Applied Nanomaterials" der renommierten "American Chemical Society" publiziert.
Supraleiter können elektrischen Strom völlig verlustfrei transportieren, wenn sie unter eine gewisse
kritische Temperatur gekühlt werden. Allerdings sind reine Supraleiter für die meisten technischen Anwendungen
gar nicht geeignet, sondern erst nach kontrollierter Einführung von Defekten. Meistens sind diese zufällig
verteilt, jedoch gewinnt die gezielte periodische Anordnung solcher Defekte immer größere Bedeutung.
Fallen und Käfige für magnetische Quantenobjekte
In einen Supraleiter kann ein Magnetfeld nur in quantisierten Portionen, den sogenannten Fluxonen, eindringen.
Zerstört man nun die Supraleitung in sehr kleinen Bereichen, werden die Fluxonen an genau diesen Stellen verankert.
Mit periodischen Anordnungen derartiger Defekte kann man zweidimensionale "Fluxonen-Kristalle" erzeugen,
die ein Modellsystem für zahlreiche interessante Untersuchungen darstellen. Die Defekte dienen hierbei als
Fallen für die Fluxonen, und durch Variation von gut zugänglichen Parametern können zahlreiche Effekte
untersucht werden. "Allerdings ist es hierfür notwendig, sehr dichte Anordnungen zu realisieren, damit
die Fluxonen untereinander wechselwirken können – am besten mit Abständen unter 100 Nanometer, also tausendmal
kleiner als der Durchmesser eines Haares", erklärt Bernd Aichner von der Universität Wien.
Besonders im Interesse der ForscherInnen liegen komplexe periodische Anordnungen, wie etwa das von der aktuellen
Studie untersuchte quasi-Kagomé Defektgitter, das von einer traditionellen japanischen Korbflechtkunst inspiriert
wurde. Die Bambusstreifen eines solchen Kagomé-Musters werden hierbei durch eine Kette von Defekten mit
70 Nanometer Abstand ersetzt. Die Besonderheit dieser künstlichen Nanostruktur ist, dass nicht nur jeweils
ein Fluxon pro Defekt verankert werden kann, sondern sich annähernd kreisförmige Fluxonenketten ausbilden,
die ihrerseits ein noch freies Fluxon in ihrer Mitte gefangen halten. Derartige Fluxonenkäfige beruhen auf
der wechselseitigen Abstoßung von Fluxonen und können durch Änderung des äußeren Magnetfelds
geöffnet und geschlossen werden. Sie gelten daher als ein vielversprechendes Konzept zur Realisierung von
verlustarmen und schnellen supraleitenden Schaltkreisen mit Fluxonen.
Nanostrukturierung mit dem Helium-Ionen-Mikroskop
Ermöglicht wurden diese Forschungsergebnisse durch ein neuartiges Gerät an der Universität Tübingen
– das Helium-Ionen-Mikroskop. Dieses hat zwar ein ähnliches Funktionsprinzip wie das Rasterelektronenmikroskop,
besitzt aber wegen der viel kleineren Wellenlänge der Helium-Ionen eine zuvor unerreichte Auflösung und
Schärfentiefe. "Mit einem Helium-Ionen-Mikroskop lassen sich die supraleitenden Eigenschaften gezielt
verändern, ohne hierbei das Material abzutragen oder zu zerstören. So können wir Fluxonengitter
in Hochtemperatur-Supraleitern mit einer Dichte erzeugen, die weltweit einzigartig ist", betont Dieter Koelle
von der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen. Die WissenschafterInnen planen nun, die Methode für
noch kleinere Strukturen weiter zu entwickeln und damit verschiedene theoretisch vorgeschlagene Konzepte für
Fluxonen-Schaltkreise zu erproben.
Publikation in ACS Applied Nanomaterials:
"Ultradense Tailored Vortex Pinning Arrays in Superconducting
YBa2Cu3O7 Films Created by Focused He Ion-Beam Irradiation for Fluxonics Applications ": Bernd Aichner, Benedikt
Müller, Max Karrer, Vyacheslav R. Misko, Fabienne Limberger, Kristijan L. Mletschnig, Meirzhan Dosmailov,
Johannes D. Pedarnig, Franco Nori, Reinhold Kleiner, Dieter Koelle, and Wolfgang Lang, ACS Applied Nanomaterials
(2019).
DOI: 10.1021/acsanm.9b01006
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